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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 31.1937

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https://doi.org/10.11588/diglit.14170#0209
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BESPRECHUNGEN

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wirklich, und was hat der Dichter daraus gemacht? Und man ist dann recht über-
rascht, S. 229 und 298 sehr feine Bemerkungen Pensas selbst dagegen zu rinden.

Pensa empfindet allenthalben sichtlich Beklemmungen vor mancher Georgeschen
Abgründigkeit; aber ob diese oder eine andere, das Abgründige als solches dürfte
etwas sehr Deutsches sein (durchaus nicht etwa zum Vergnügen der Deutschen
selbst!), was Nichtdeutsche immer wieder beunruhigt, ja ängstigt. Und hier liegt
wohl eine kaum überschreitbare Grenze, bei Wahrung bewußter eigener Art, zwi-
schen deutscher und anderer, das heißt hier: romanischer Wesenheit.

Bedauerlich ist, daß Pensa die Burdachsche Auslegung des allgemein geistes-
geschichtlichen Begriffes „Renaissance" anscheinend nicht kennt, der auf Stefan
Georges „Stern des Bundes" vielleicht nicht unergiebig angewendet werden könnte
(vgl. Pensas Ausführungen etwa S. 206). Auch der von Pensa gebrauchte Begriff
celebrazione dell' unione mistica dell' amore hätte noch stärker ausgewertet werden
können (vergleichsweise oder antithetisch, inhaltlich wie vor allem formal, etwa zum
Angelus Silesius, da Pensa schon den Weckherlin bemüht hat). Zu rühmen ist im
ganzen das Feingefühl, mit dem Pensa hier Persönliches und Künstlerisches scho-
nend berührt. — Die Hellsichtigkeit Stefan Georges für die heillose Lage deutschen
Geisteslebens unmittelbarster Vorkriegszeit ist leider gar nicht betont, obwohl der
im hohen Sinne politische Charakter Georgeschen Dichtens in den Werken nach
dem „Stern des Bundes" gut gewürdigt wird. — Hatte der zweite und Hauptteil
der Monographie erstlich das Georgesche Ich historisch in der Analyse von Form
und Gehalt der chronologisch vorgeführten Werke zu deuten und einzuordnen
unternommen, so gibt ein zweiter Unterabschnitt eine mehr phänomenologische
Kennzeichnung der Gesamthaltung, indem er das Io volontario, Io sensuoso und
Io amante darstellt. Die umfassenden Darlegungen sind ergiebig vielleicht noch
mehr zu uns selbst belehrendem Widersprechen, als um Pensa zuzustimmen. Oder
ist es Lässigkeit, Georges Schaffensweise und Wirkung hinzunehmen als nun ein-
mal so daseiend, in weiterem Ausmaß als Pensa es selbst tut? Bei der Würdigung
des Georgeschen Ausdrucksmaterials scheint die Zuteilung unter die Gruppen des
Archaischen, Mundartlichen oder Neugeschaffenen weder genau noch durchweg
richtig. Bemerkenswert ist Pensas Wertung der Georgeschen Dante-Verdeutschung
als: die beste. — Methodisch läßt sich noch dieses hinzufügen: Schillers Begriff
des sentimentalischen Dichters mußte sich Pensa eigentlich sehr bald aufdrängen,
indessen finde ich ihn ganz nebenbei gebraucht erst S. 270. Die Formbetrachtung,
die Pensa bis zuletzt sorgsam durchführt, ist kunstwissenschaftlich sehr anregend,
obwohl wir aus dem reich ausgebreiteten Material oft ganz andere Folgerungen
ziehen möchten. Bleibt noch zu sagen, daß eine umfängliche Bibliographie, der
nichts Wesentliches entgangen sein dürfte, das Buch in willkommener Weise rundet.

Außer sachlichen Versehen (z. B. als Georges Geburtsort wird das freilich
bekanntere Rüdesheim statt des unbekannten, südlich gelegenen Büdesheim, als
Sterbeort einfach presso Losanna statt Minusio bei Locarno angegeben) ist auch
bei diesem Band ein wirkliches Übermaß an Druckversehen äußerst lästig; das
eigene sehr kleine Berichtigungsverzeichnis bringt neue Irrtümer und ist zudem
gänzlich unvollständig.

Wissenschaftlich allgemein und methodisch noch stärker beeindruckt als von
jenem ersten Bande gesammelter Pensascher Aufsätze zur zeitgenössischen deut-
schen Dichtung legt man dieses fleißige Buch ernstlichen Mühens eines Ausländers
um Erkenntnis und Deutung eines unserer interessantesten Geister als eine schöne
Gabe des Verstehenwollens dankbar aus der Hand, eine Gabe, die an Wichtigkeit

Zcitschr. f. Ästhetik u. alle. Kunstwissenschaft XXXI. 13
 
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