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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 31.1937

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Hartlaub, Gustav Friedrich: Das Problem der Vergleichbarkeit: Vorbemerkungen zu einer vergleichenden Stilgeschichte von Musik und bildender Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.14170#0244
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Q. F. HARTLAUB

nische andererseits auch in die Nachbarschaft der Proportion, der
Concinnitas, drängt. Wir dürfen nun noch einen Schritt weitergehen
und ganz allgemein aussprechen, daß nur wenige Analogien
weit durchgeführt werden können, daß überall nur Bezie-
hungen anklingen, um dann bei weiterschreitender Durchführung
des Vergleichs früher oder später wieder abzufallen. Was wir als „ter-
tium comparationis" suchen: derselbe seelische „Antrieb", sei er be-
wegender oder statischer Natur, liege er in Isolierung oder in der Zu-
sammenfassung, im Kontrast oder in der Versöhnung von Ausdrucks-
elementen, scheint jedenfalls, wenn er in der einen Kunst gleichsam
„zu Hause" ist und hier seine bestimmten und gewohnten Ausdrucks-
bahnen besitzt, in der anderen selten so fest gebunden; er kann sich
hier bald mehr mit diesen, bald mehr mit jenen Mitteln „Bahn
brechen". Es ist also falsch, bestimmte Verhältnisse in der Musik mit
bestimmten in der bildenden Kunst schlechtweg gleichzusetzen; eine
solche durchgehende Parallelisierung scheitert schon beim grundsätz-
lichen Vergleich und widerlegt sich erst recht beim Aufsuchen histori-
scher Stilgemeinsamkeiten. Was sich in Linie, Farbe, Raum usw. be-
kunden kann, drängt auch in der Musik zum Ausdruck. Aber wir wer-
den diesen „Ausdruck" niemals nach einem vorgefaßten Schema zu
suchen haben, sondern die Untersuchung (die grundsätzliche
und erst recht die historische) wird sich beweglich halten
müssen. Sie wird nicht selten mehrere Analogien zulassen und den
identischen Ausdruck bald hier, bald da, vielleicht auch gleichzeitig an
verschiedenen Stellen aufzuspüren wissen. Oft wird ein solcher Aus-
druck aber auch, wegen der unvergleichbaren Sonderartung des Mate-
rials, gar nicht nachweisbar sein, und wer da doch Gemeinsames
sucht, gerät notwendig ins Unbeweisbar-Subjektive, vielleicht für den
Augenblick und im einmaligen Zusammenhang Einleuchtende, wissen-
schaftlich aber nicht Verwertbare.
 
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