Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 31.1937

DOI Artikel:
Besprechungen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14170#0307
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
BESPRECHUNGEN

287

werte" ist mir zu negativ, können doch die „Zufallswerte" etwa am Kunstwerk den
(immanenten) sogenannten Wesens- oder absoluten Wert, der sozusagen ein „for-
maler" ist, zuweilen an Gewicht entschieden überragen.

Neben der Würdigung der „Gegenstandsstruktur" für die Wertung fördert J.
ein entscheidendes Ergebnis in seiner Unterscheidung von Werterkennen und Wert-
erleben. „Das innige Zueinander der Gegenstandsmomente" — in diesen Aus-
drücken liegt für mich schon eine Zweckstruktur angedeutet! — „bedingt das Wert-
phänomen. Das Ganze ist das Wertfaktum. Die Gegenstandsstruktur ist eine
Seite des Wertfaktums, das Phänomen die andere. In diesem ist der Wert erlebbar,
in jenem erkennbar: Nur, wenn man die beiden Seiten, die Gegenstandsstruktur und
das Phänomen im Wertfaktum zusammennimmt, kann die zweifache Rede vom Er-
kennen und Erleben der Werte ihren rechten Sinn erhalten". Auch für mich ist das
Erfassen des einen unvergleichbaren absoluten Wesenswertes eines Leistunggegebe-
nen, also auch eines Kunstwerks, ein Anliegen verstandesmäßiger Erkenntnis und
verläuft sozusagen „innerhalb" desselben, während die Zufallswertungen sekundäre,
man könnte wohl sagen Wirkungswertungen sind, die am fertigen Leistunggegebe-
nen (Kunstwerk), dem „ästhetischen Objekt" — J. sagt Phänomen — von „außen"
her erlebnismäßig vorgenommen werden.

Noch mehr schließlich nähert sich J., auch im Ausdruck, meinen eigenen Ergeb-
nissen, zumal auch der Einbeziehung einer Zweckstruktur in das Kunstwerk, wenn
er beispielsweise sagt: „das Darzustellende wird im Kunstschaffen zweckmäßig für
den Darsteller in seiner Darstellung" und weiter: „»Gehaitc ist eigentlich immer nur
auf Grund von geistig-seelischer, d. i. künstlerischer Gestaltung möglich" und end-
lich: „dem Gehalt liegt immer eine Gestaltung, ein Schaffenswille" — Schaffenswille
ist aber immer zweckhaft! — „zugrunde, der anerkennbar oder ablehnbar ist. Es
ist kein Zufall, daß die Naturlandschaft nicht ablehnbar ist". Hiermit berührt der
Verfasser noch eine weitere Frage, die für alle Ästhetik und Kunstphilosophie von
grundlegender Wichtigkeit ist und von mir in ganz ähnlicher Weise beantwortet
wurde. Die Hereinziehung des Naturgenusses, der Naturästhetik in kunstästhe-
tische, kunstphilosophische Überlegungen hat schon unendlich viel Verwirrung ge-
stiftet. J. deutet hier dieselbe Lösung an, wie sie auch ich seinerzeit gefunden habe.
In der Natur spricht sich eben kein „Schaffenswille" aus und daher fehlt ihr der
„Gehalt", m. a. W. die Natur ist nicht, wie etwa das Kunstwerk, ein „Leistung-
gegebenes" ( = zweck-, sinnhafte Leistung eines Bewußtseins) und daher mangelt ihr
der absolute Wesenswert; an ihr sind vielmehr nur „Zufallswertungen" möglich,
den Ausdruck natürlich nicht in absprechendem Sinne verstanden. Auch J. unter-
scheidet: „der schöne Naturgegenstand offenbart sich als reiner ästhetischer Wert,
der schöne >KunsU-gegenstand, verstanden als ein von Menschenhand gefertigter
Gegenstand" — Leistunggegebenes! — „offenbart sich als Kunstwert".

Wie hier nur leider an wenigen Beispielen gezeigt werden konnte, setzt sich der
Verfasser mit ganz schwerwiegenden Grundfragen der Kunstphilosophie sehr ernst-
haft auseinander und kommt dabei zu grundsätzlichen Ergebnissen, die weiteste
Beachtung verdienen. Daneben kann hier auf die zahlreichen Einzelfragen, die er
in späteren Teilen seines Buches kurz und meist sehr treffend beleuchtet, nicht näher
eingegangen werden. Nur soviel, daß auch hier Schlaglichter auf vielerörterte
Probleme fallen und dem Leser wohldurchdachte Stellungnahmen geboten werden.
So ist J.'s Buch als ganzes vorzüglich geeignet, sich an seiner Hand mit zahlreichen
und entscheidenden kunstphilosophischen Fragen auseinanderzusetzen.

Greifswald. Kurt Gassen.
 
Annotationen