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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 31.1937

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https://doi.org/10.11588/diglit.14170#0376
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BESPRECHUNGEN

bedenke, was es heißt, in so ungesicherten Verhältnissen zu leben, wie sie es mit
ihrem Manne in Paris und Köln zu tun gezwungen ist. Wie schwer aber auch ihr
äußeres Dasein sein mag, wie sehr sie Friedrichs Grenzen und Unzulänglichkeit
durchschaut, sie tritt für ihn ein, wann und wie sich ihr die Gelegenheit bietet. Was
tut sie nicht allein, um die Entfremdung der beiden Brüder zu überbrücken und
Mißverständnisse zu beseitigen! Eine besondere Kostbarkeit ist der Brief, den sie am
30. Juni 1808 ihrem erzürnten Schwager schreibt, um ihm ein wenig verständlich zu
machen, warum Friedrich ihm gegenüber seinen Übertritt zur katholischen Kirche
verschwiegen hat.

Eins der leidigsten Kapitel aus der Geschichte des Schlegel-Kreises bilden die
vielen Auseinandersetzungen mit Verlegern, die Vorschuß geleistet haben und nun
vergeblich auf die Ablieferung der Manuskripte warten. Man kannte schon die öffent-
liche Mahnung, die Reimer, der Inhaber der Realschulbuchhandlung, am 7. Februar
1807 in der Jenaischen Allgemeinen Literatur-Zeitung an August Wilhelm Schlegel
richtete, der ihm weder den zweiten Band des „Spanischen Theaters" geschickt noch
seine Geldschuld beglichen hatte. Dank der im vorliegenden Bande mitgeteilten Briefe
Reimers wird nun auch die Vorgeschichte dieser unerfreulichen Angelegenheit durch-
sichtig.

So sehr der Hauptwert des neuerschlossenen Brief-Corpus „im Biographischen
und Charakterologischen" liegt, so gewiß wird er auch die geistesgeschichtliche Er-
hellung der Romantik zu fördern imstande sein. Am auffälligsten scheint mir wäh-
rend der Krisenjahre das wachsende Interesse am Altdeutschen und Katholischen
zu sein, das sich in vielen Briefen nachdrücklich bekundet. „Wir brauchen ja gar
keine Poesie zu machen, sie ist längst da, aber ans Licht sie zu ziehen und mit
neuem Schmuck zu bekleiden, ist Verdienst genug", schreibt Friedrich Schlegel am
15. Juli 1805 seinem Bruder. Immer von neuem tritt uns nahe, wie sehr Neugestaltun-
gen und Neuausgaben mittelalterlicher Dichtungen einen wesentlichen Bestandteil
des damaligen Geisteslebens bilden. Eine Einzelheit sei vermerkt: Unter den Brief-
schreibern, mit denen August Wilhelm in Verbindung steht, finden wir auch den
Nibelungen-Herausgeber von der Hagen. Am sinnfälligsten zeigen sich uns die
mittelalterlichen Neigungen in den Plänen und Vorbereitungen für ein Werk, das
Friedrich und August Wilhelm Schlegel gemeinsam unter dem Titel „Das Mittelalter"
herauszugeben sich vornehmen. „Es soll die Mannigfaltigkeit einer Zeitschrift haben,
aber bandweise erscheinen, solange der Beyfall der Leserwelt uns dabey unterstützt,
denn der Stoff ist allerdings unerschöpflich", berichtet August Wilhelm am 23. März
1807 dem Verleger Cotta.

Bei Friedrich hat damals das Interesse am Mittelalter längst nicht mehr aus-
schließlich literarischen Charakter. Ihn zieht in besonderem Maße das „Katholische"
an jener Welt an. Scholastiker und Mystiker sind ihm wichtig geworden. Von ihnen
ist der Weg nicht weit zu den Kirchenvätern, die er nicht müde wird, seinem Bruder
anzupreisen. „Die Kirchenväter sind eine Welt von Litteratur, die noch ganz ver-
borgen ist, weil in der letzten Zeit nur stumpfsinnige Lästerer darüber sprachen",
liest man in einem Briefe vom 1. Dezember 1807. In alledem bestätigt sich aufs neue
die These, die Körner seit Jahren immer wieder vorgetragen hat, daß nämlich Frie-
drich Schlegels Conversion das Ergebnis einer langen und stetigen Entwicklung
gewesen ist.

Ein paar weitere geistesgeschichtliche Probleme, für deren Klärung der vor-
liegende Brief band neues Material liefert, seien wenigstens stichwortartig aufgezählt:
das Interesse der Romantiker an Indien und dem übrigen Osten, die manchenorts und
vielfältig lebendigen Bemühungen um einen deutschen Shakespeare, das Erwachen
 
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