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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 17.1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.13553#0036

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22

Kunstmdustrie und Technik.

Messmethode für die Verlmltmjfe des menfclitichen förgers

von

C. Schmidt.

ie schon seit einigen Jahren gehegte Absicht,
meine Meßmethode für die Verhältnisse des
menschlichen Körpers in Ihrem geschätzten
Blatte der Öffentlichkeit zu übergeben, konnte
ich bis jetzt mancher Hindernisse halber nicht
zur Ausführung bringen. Da nun aber, so-
weit mir bekannt, inzwischen von anderer Seite
eine Gleiches bezweckende Veröffentlichung auch
nicht stattgefunden hat, so will ich Ihnen nun in Nachstehendem
das Wesentlichste über mein Verfahren mittheilen. Ich hege dabei
die Hoffnung, es werde hiedurch das Studium dieses Themas er-
leichtert und auch Solchen, welchen Zeit und Verhältnisse es nicht
erlauben, sich eingehender mit dem Gegenstände zu befassen, möglich
gemacht werden, in die wunderbare Einfachheit der Grundverhältnisse
des menschlichen Körpers einen Blick zu werfen, und dadurch zu
eigenen Untersuchungen angeregt zu werden.

Wohl nur aus dem Umstande, daß so selten Jemand, sei es
wegen des dazu erforderlichen großen Zeitaufwandes oder aus Mangel
anderer unentbehrlicher Vorbedingungen, dazu kommt, die bisherigen
Bearbeitungen dieses Gegenstandes in eingehender Weise zu prüfen,
läßt es sich erklären, daß dem Werke von Clarac (beziehungsweise
dessen Uebersetzer Trost), das hauptsächlich durch große Zahlenmassen
imponirt, dabei aber ein principloses Verfahren einhält und sich
eklatante Verstöße zu Schulden kommen läßt, oder auch der sonst
nicht ohne Geist geschriebenen, aber mit Phrasen reichlich gespickten
Abhandlung von Carus (in seiner Symbolik der menschlichen Ge-
stalt), welche sich zugleich durch eine großartige Nonchalance in den
Maaßen auszeichnet, eine gewisse Geltung beigemessen wird.

Die Arbeit Quetelet's zeichnet sich wirklich durch möglichst
genaue Messung aus, aber die organisch zusammenhängenden Ver-
hältnißlinien des Gebäudes wurden auch von ihm nicht in's Auge
gefaßt. Derselbe äußerte sich indessen seiner Zeit anerkennend über
das Resultat meiner Studien, sowie auch Froriep in seinen Tages-
berichten, 1851, Seite 132. —

Trost, ohngeachtet des Zugeständnisses der rationellsten Be-
handlungsweise, erklärte das Resultat in meinem Proportionsschlüssel
für einen schönen Traum, obwohl derselbe nicht vermochte, auch nur
einen einzigen Verstoß nachzuweisen.

Will man nun aber Untersuchungen anstellen, um die Zweck-
mäßigkeit und Schönheit der Verhältnisse nicht nur unbestimmt zu
fühlen, sondern sich derselben auch klar bewußt zu werden, so fragt
es sich vor Allem, welche Theile sind mit einander zu vergleichen
oder gegenseitig zu messen, da viele Körpertheile äußerlich in jeder
anderen Stellung wieder geänderte Maaße haben, wie z. B. der
Oberarm. — Die Antwort ist: es müssen vor Allem die Reprä-
sentationslinien des Stammes und der Glieder in's Auge gefaßt
werden.*) Diese Repräsentationslinien liegen auch unbewußt zu

*) Siehe die nebenstehende schematische Figur, welche zeigt, wie die Grund-
verhältnisse der Extremitäten schon in den Grundlinien des Rumpfes, diesem
entsprechend, enthalten sind. Zu bemerken ist nur dabei, daß die Verhältniß-
linien in dem Querdurchschnitt des Körpers zu denken sind.

Grunde, wenn geurtheilt wird, ob ein Körpertheil zu groß, zu klein,
oder ob er schön im Verhältniß gefunden wird. Repräsentations-
linie kann aber in diesem Sinne, z. B. beim Oberarm, keine andere
sein, als die Achse, welche einerseits gegen den Rumpf durch den
Mittelpunkt des Schultergelenks, andererseits gegen den Vorderarm
durch den Ellenbogengelenksmittelpunkt abgegrenzt ist. Der Skelett-
theil eines Gliedes entspricht in der Regel nicht der Länge der
Achse oder der Hebellinie desselben. So ist, wie soeben angedeutet,

Schema für die Kauptverchättnisse des menschlichen Körpers.

beim Oberarm dessen Achse kleiner als das Oberarmbein und liegen
die Grenzpunkte derselben innerhalb des Skeletttheiles. Beim Vorder-
arm liegen die Endpunkte der Hebellinie außerhalb der Vorderarms-
knochen in dem Mittelpunkt des Ellenbogengelenks und dem Mittel-
punkt des Handwurzelgelenks. Aehnlich verhält es sich bei den
unteren Extremitäten. Diese Abgrenzungspunkte wurden freilich bis-
her wenig oder gar nicht beobachtet. So hat selbst Carus seiner
Zeit nach Durchsicht meines Werkes mich freundlichst belehrt, daß
 
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