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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 33.1913-1914

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H.: Anselm Feuerbachs "Kinderständchen"
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Renatus, Kuno: Arbeiten von Architekt Ferdinand Götz: die IV. Etage im Hotel Continental zu München
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https://doi.org/10.11588/diglit.7011#0409

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Anselm Feuerbacks » Kinderständchen

AFEUERBACHS „KINDERSTÄNDCHEN"
. ist kürzlich durch Kauf in den Besitz der
Galerie Karl Haberstock in Berlin gelangt. Es
handelt sich um die 1860 gemalte zweite
Fassung, die als verschollen galt. Julius All-
geyer, der erste Biograph Feuerbachs, spricht
mit höchster Anerkennung von dem Werke und
zitiert eine Brief stelle des Meisters, in der dieser
seine außerordentliche Zufriedenheit mit der
Schöpfung zum Ausdruck bringt. Das Werk war
als Gegenstück zu dem Fries der „Balgenden
Buben" gedacht, der sich in der St. Gallener
Kunstsammlung befindet. Feuerbach schreibt
über die beiden Bilder: „Das eine, rasch bewegt;
lustiges, klassisches, römisches Kinderleben, das
andere, träumerisch, leise, still, musikalisch. Doch
ist es ganz anders, als jenes erste Ständchen (jetzt
in Leipzig), keine Figur gleicht dem dortigen,
und was dort verschüchtert angedeutet ist, hat

hier einen klaren, abschließenden Ausdruck er-
halten." Allgeyer äußert sich über die beiden
Arbeiten folgendermaßen; „Die Vergleichung
dieser zwei Werke mit dem früheren Kinder-
ständchen ist überaus lehrreich. Da zeigt sich
so recht der Segen des inzwischen verfolgten
strengen Studiums nach der Natur, als Fort-
schritt im allgemeinen sowohl, als wie im ein-
zelnen. Gegenüber der Geschlossenheit der
Komposition, dem Linienreichtum in der Ge-
samtsilhouette, dem regen Spiel in den Bewe-
gungsrhythmen, dem Wechsel in der Gestalten-
reihe, und vor allem der Plastik der Model-
lierung gegenüber, die die beiden Friese
auszeichnet, erscheint das ältere Bild, das
gewissermaßen in zwei Bilder auseinanderfällt,
bei aller ihm inwohnenden Anmut, bei weitem
ärmer in der Anlage und Erfindung und un-
sicher in der Formengebung." — H.

ARBEITEN VON ARCHITEKT FERDINAND GÖTZ.

DIE IV. ETAGE IM HOTEL CONTINENTAL ZU MÜNCHEN.

Bereits zu Beginn des vorigen Jahres wurde in
der Schwesterzeitschrift „Innendekoration"
auf die neue Raumausstattung des Hotel Conti-
nental in München aufmerksam gemacht. In-
zwischen ist die Neueinrichtung des vierten
Stockwerkes, die bei der großen Erneuerung des
Hauses im vorigen Sommer zurückgestellt wer-
den mußte, fertiggestellt worden. Die gesamte
Raumausstattung der ganzen Etage lag in den
Händen des Architekten Ferdinand Götz, dem
mit den zahlreichen Zimmern, in denen sich
der doch verhältnismäßig geringe Typenkreis
des Hotelzimmers als Salon, Schlafzimmer, Da-
menzimmer u. dgl. mehrfach wiederholte, eine
reizvolle Aufgabe gestellt war, den Reichtum
seiner architektonischen Erfindung in wechsel-
vollen Lösungen zu betätigen.

Man wird aus den beigefügten Reproduk-
tionen einen deutlichen Eindruck gewinnen,
in welchem Formenkreis sich die einzelnen
Stücke bewegen und in welcher Gesamtstim-
mung überhaupt die ganze Aufgabe aufgefaßt
worden ist. Man sieht da vor allem : gar kein
nüchterner Zweckstil, gar nicht die falsche Mo-
dernität des „modern eingerichteten Hotels",
auch keine pointi erte Unterstreichung des „ Kom-
fort der Neuzeit". In diesen Hotelzimmern
findet sich gewiß aller erdenklicher Komfort,
den die moderne Hoteltechnik hervorgebracht
hat, aber es wird nicht weiter viel Aufhebens
davon gemacht, in gutem Hause versteht sich
das von selbst. Die eigentliche Aufgabe be-

ginnt erst damit, daß es nun gilt, über alle diese
angenehmen Errungenschaften des modernen
Reisedaseins den Charme einer feinen Ge-
schmackskultur zu breiten. Das Hotel Continen-
tal in München ist ja ein vornehmster Vertreter
jener ganz wenigen Hotels in Deutschland, die
in ihrer Innenausstattung mit allem Hotelmä-
ßigen im unwirtlichen Sinne aufgeräumt und
sich die Errungenschaften moderner Wohnkultur
ihren Zwecken gemäß angeeignet haben. So
sind auch die Zimmer dieser neuen Etage vor
allem auf eine intime Wohnlichkeit abgestimmt.
Diese Räume erinnern mit nichts daran, daß
ihr Bewohner ein „Fremder" sei, sie umfangen
den Ankömmling sofort mit einer einladen-
den Behaglichkeit wie einen geschätzten Gast,
dabei doch mit der gewissen Diskretion, die
jeinem Gaste gegenüber geboten erscheint, und
ohne Beziehungen vorzutäuschen, die gegen-
über dem nur vorübergehend Weilenden gewiß
deplaziert wären.

Vielfältig sind die künstlerischen Mittel, mit
denen diese Behaglichkeit erreicht wurde. Man
bemerkt da vor allem, insbesondere an den Mö-
belformen, eine leise Anknüpfung an jene Form-
werte, in denen wir immer mehr gegenüber der
Desorientiertheit unserer Zeit einen rettenden
Anhalt finden, an die Formen etwa aus dem er-
stenDrittel des neunzehnten Jahrhunderts. Mit-
unter geht eine direkte Empire-Reminiszenz ein,
[mehr werden etwas bewegtereFormen bevorzugt,
|in der Stoffbespannung wird öfters ein ganz

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