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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 33.1913-1914

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Kleine Kunst-Nachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7011#0273

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KLEINE KUNST-NACHRICHTEN.

NOVEMBER 1913.

KÖLN. Der Kölnische Kunstverein hat
seine erste Ausstellung in Verbindung mit
Paul Cassirer in seinen neuen Räumen eröffnet. Alles
ist ausgeschieden, was nicht als abgeklärt und reif
erscheinen könnte. Neben den besten Künstlern der
neuen französischen und deutschen Malerei halten
sich einzelne Werke rheinischer und westdeutscher
Künstler gut. So zeigt Westendorp ein farben-
freudiges Stilleben, Heinrich Nauen helle, lichtum-
flossene Blumenstücke, die zu dem farbig Reinsten
und Hellsten gehören, was die Ausstellung bietet.
Ernst Isselmann bringt Lithographien mit Darstel-
lungen der Industrie, die Düsseldorfer Eugen Kampf,
Breß, Kuckuck und Klein-Diepold bringen einfache
Landschaften. Es sind also Ansähe da, die zeigen,
daß die westdeutsche Kunst nicht ganz ausgeschaltet
werden soll. Die eigentliche Ausstellung ist ge-
schickt zusammengestellt. Die Auswahl der Bilder
und die Art, wie sie gehängt wurden, wie die ein-
zelnen Räume als reich gegliederte Einheiten künst-
lerischer Wirkungsmöglichkeiten gestaltet sind, ist
für Köln leider noch neu. An der Spiße stehen
die Franzosen: Manet mit seiner „Bar aux Folies
Bergeres", Monet mit zartfarbigen hellen stim-
mungsreichen Landschaften, Sisley mit seinen feinen
perlgrauen Tönen, die so vielfältig und reich schil-
lern, Pissarro mit seiner leuchtenden Malerei des
Lichtes und der Sonne, noch herauswachsend aus
der alten Art, noch hier und da haftend an den
dunkeln, braunen Schatten. Weiterhin sind ver-
treten Renoir, Courbet, Gericault, Toulouse-Lautrec,
Cezanne, van Gogh, von Deutschen mit ausgezeich-
neten Werken Liebermann, Trübner, Slevogt, Marees,
Uhde, Menzel und Schuch mit einem wundervollen
Stilleben. Dann Habermann, Leistikow, Corinth;
von den Neueren Beckmann mit einer Kreuzigung
und einer Strandlandschaft, von Brockhusen und
Rösler mit Landschaften von sinnfälliger Ausdrucks-
kraft. Die Ausstellung weist in Andeutungen auf
alle bedeutsamen Wege, die die neue Malerei in
ihrer Entwicklung aus dem Zwange altmeisterlicher
Schulung und Anschauung zu einer neuen Freiheit
und Ausdrucksgestaltung gegangen ist. Sie beweist
außerdem, daß die neueste Malerei einzelne Züge
besißt, die sie völlig trennt von allem, was vordem
gewesen, die sie hinauswachsen läßt, in ein Gebiet,
das selbst den Impressionisten unbekannt war: in
die blühende Frische und ausdrucksstarke Macht
der reinen Farbe.

Die Ausstellung der Kölner Kunst-
gewerbe- und Handwerkerschule beruht in
der Hauptsache auf den Ergebnissen der vorbe-
reitenden Klassen. Landschaftsmalerei, stilisierte

Naturformen, Aktzeichnungen, Bildhauerarbeiten
schaffen das übliche Bild. Daß im einzelnen die
Formensprache der Lehrer herrscht, bedarf kaum
der Erwähnung. Eigentlich Persönliches ist kaum
in Andeutungen herauszulesen.

In den Fachklassen sind einzelne gute Ergeb-
nisse. Professor Nigg hat in Daenert, W. Beyer,
A. Müller, Frl. Thormählen Schüler gefunden, deren
Arbeiten, Buchschmuck, Vorsaßpapiere, Druckanord-
nungen, Einbände sich über das Schülerhafte er-
heben. Hier herrscht Klarheit der Formvorstellung,
Reife des Farbensinnes, ein sicheres Gefühl für die
Gliederung und den Aufbau der Fläche. Inwieweit
die schöpferischen Kräfte einer phantasievollen Ge-
staltung sich hervordrängen werden, kann erst die
Zukunft lehren. Das Eine nimmt für diese Arbeiten
jedenfalls ein: sie sind nicht alle gleichartig; sie
lassen erkennen, daß jeder Einzelne seine Formen
aus freiem Willen und ohne Zwang und Einengung
in Geseße schaffen darf. Weniger glücklich sind die
Stickereien, Batikarbeiten und bedruckten Stoffe, die
eine zu große Gleichförmigkeit aufweisen, wenn-
gleich den Kissen und Decken, die Frl. E. und M.
Ost und Frl. Adenauer entwarfen, ein gewisses
Formgefühl nicht abzusprechen ist.

In der Bildnerei sind die Arbeiten der Schüler
des Bildhauers Wallner künstlerisch aufgefaßt. Zwar
lebt in allen der völlig gleiche Stil, die völlige
Übereinstimmung der Art des Schnißens, der
Schaffung verschiedener Raumschichten, der Her-
vorhebung von Ausdruckswerten durch einzelne be-
tonte Glanzlichter. Was wichtiger ist: diese Arbeiten
sind alle stofflich empfunden; ihre Formen sind
entstanden aus der Technik des Schnißens. Da aber
jedes Eigene der Schüler fehlt, fragt es sich, in-
wieweit hier Dauerndes und Entwicklungsfähiges
übermittelt wurde. Alles übrige fällt aus den
Grenzen des Kunstgewerbes heraus oder erreicht in
seinem Werte noch nicht die übliche Durchschnitts-
leistung. Unangenehm wirkt die Anordnung der
Ausstellung. Hier wurde jeder Gesichtspunkt des
Künstlerischen oder des Geschmackes ausgeschaltet.
Selbst einzelne Gruppen, die zu einer einheitlichen
Wirkung hätten zusammengefaßt werden können,
bieten nur ein Nebeneinander willkürlicher Farben
und Formen. So wurde eine Wirkung der Textil-
arbeiten durch ihre Anhäufung und die Art, wie
die Farben sich gegenseitig beeinträchtigen, ver-
eitelt. Gerade auf diese Dinge der Anordnung müßte
man großen Wert legen, damit die Schüler wenigstens
zu einer höheren Geschmacksbildung erzogen wür-
den. Im Künstlerischen bleibt ja allzu häufig jede
Möglichkeit der Erziehung ein Traum. — g. e. l.

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