Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 33.1913-1914

DOI Artikel:
Weichardt, Carl: Kreide-Zeichnungen von I. Teichmann
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7011#0454

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
off

I. TEICHMANN—FRANKFURT A. M.

ZEICHNUNG »JUGEND«

KREIDE-ZEICHNUNGEN VON I. TEICHMANN.

VON DR. C. WEICHARDT—FRANKFURT A. M.

Dem jungen Mädchen ist eine Zeichnerin er-
standen, eine Frau mit zarter Hand und
feiner Empfindung, eine Künstlerin mit dem Her-
zen einer Mutter. — Wenn es ein Modell gibt,
das dem Künstler heilig sein muß, so ist es das
eben erwachende junge Mädchen. Wie sagt der
Propst Hall in Björnsons köstlichem Alters-
werke „Wenn der junge Wein blüht"? „Der
Tanz eines jungen Mädchens — ist das nicht
das Schönste vom Schönen, was uns die Kunst
bietet? . . . Und sie selbst wissen nichts davon!
Rein nichts tun sie, um es zu erreichen, so wenig
wie die Blumen und die Vögel."

Die Schönheit, den Reiz in den Linien eines
Mädchenkörpers zu schildern, erfordert eine
reife Künstlerschaft und eine besondere see-
lische Disposition. Die Gefahr, diesen Reiz ins
oberflächlich Niedliche zu stilisieren, liegt sehr
n ahe, ebenso die gegenteilige, daß der erwünschte
Ernst in Strenge und Härte ausarte. Beseelung
ohne solches Übermaß an Strenge, Lieblichkeit
ohne billige Kitschwirkung — das ist die Auf-
gabe. — Vielleicht kann nur eine Frau das junge
Mädchen und seine Seele malen. Und ist sie

wahre Künstlerin, so wird ihr Instinkt sie
dazu führen, vor diesem feingliedrigen Modell
den Pinsel mit dem Zeichenstift zu vertauschen.
Frau I. Teichmann, die in Frankfurt a. M.
ansässige Malerin, hat Vorjahren schon Gemälde
gezeigt, auf denen sicher gesehene Mädchen-
akte mit lichtgetönten Interieurs zu einer ge-
schmackvollen Einheit zusammengingen. Aber
es waren eben Akte. Nun arbeitet die Künst-
lerin seit einiger Zeit nur noch mit dem Kreide-
stift, und siehe da, der nackte Mädchenkörper
ist ganz zum Spiegel eines Seelischen geworden.
Als Komposition aber bezaubert fast jede dieser
Kreidezeichnungen durch eine feine formale
Schönheit, die nicht von außen hinzugetan,
sondern rein aus dem Gefühl geboren ist.

Sie wissen nichts von ihrer eigenen Schönheit:
dieses blumenhaft Unbewußte, nur in Ahnungen
Lebende des jungen Mädchens verkörpern all
die anmutreichen Gestalten I. Teichmanns.
Wie sprechend und wie vielfach variiert ist der
Ausdruck scheuen Staunens der sechs jungen
Mädchen vor der nur grade angedeuteten alten
Frau; es ist, als blicke die Jugend ungläubig in

432
 
Annotationen