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Er hat
^inen kleinen Schreck einjagen wollen. Daran müssen Sie
nicht mehr denken, und" — hiebei reichte er dem Postsccretär
die Hand — „wenn ich Ihnen jetzt sage, Sie sind uns Allen
willkommen, so glaube ich, werden Sie wohl keinen Zweifel
wehr haben, ob Sie kommen oder nicht!"
„Also wirklich!" rief Wolfram freudig, Holms Hand
ergreifend. „Nun, dann will ich gern all die trüben Stunden
vergessen, die ich seit jenem Tage erlebt. Ja, ich werde
kommen und danke Ihnen dafür um so inniger, als ich nun
wohl hoffen darf, Wünsche nicht vergeblich auszusprechen, die
baö ganze Glück meines Lebens umschließen!"
„Vorerst bleibt es bei der Einladung zum Mittageffen!"
sprach Holm in einem Anfluge komischen Ernstes und weidete
sich sichtlich an der wonnigen Aufregung, die den glücklichen
Postsccretär durchbebte und aus dessen freudetrunkenen Blicken
so selig aufleuchtete. „Ferner," fuhr Holm lächelnd fort,
»verlange ich von Ihnen, daß Sie weder schriftlich noch
wündlich meiner Frau und Tochter oder sonst irgend Jemand
wittheilen, daß wir uns getroffen und gesprochen; wollen Sie
dies versprechen?"
„Wenn Sie dies verlangen, ja! Aber ich hätte so
gerne Fräulein Lina wissen lassen, wie glücklich und froh ich
wich durch Ihre Güte fühle," entgegnete Wolfram im bitten-
den Tone.
„Das wird meine Tochter zeitig genug erfahren! Nun
uoch eine Frage: für wen stimmen Sie heute, für den Staat
oder für die Privatgesellschaft?"
„Ich?" frug zerstreut Wolfram, der die Generalver-
Actien.
sammlung und Alles um sich her vergessen hatte. „Ach,
Herr Friedensrichter, das ist mir nun ganz gleich, aber wenn
es denn abgestimmt sein muß, so werde ich für Abtretung der
Bahn an den Staat stimmen!"
„Ich auch," entgegnete beifällig nickend der Friedens-
richter. „Wir werden aber in der Minorität bleiben."
In diesem Augenblicke ertönte die Klingel des Vor-
sitzenden, Holm reichte dem Postsccretär die Hand zum Ab-
schiede, die dieser voll freudigen Dankes herzlich drückte, und
nachdem er ihm die Worte zugeflüstert: „Also Wort halten
und Schweigen!" verlor er sich unter der versammelten Menge.
Wolfram aber blickte ihm froh lächelnd nach, und Alles
um sich her unbeachtet lastend, eilte er, als die Abstimmung
vorüber war, zum Saale hinaus, hinaus aus dem Straßen-
gewühl der Stadt, um vor dem Thore im Freien ein einsames
Plätzchen sich zu suchen, auf welchem er ungestört über die
so unerwartet glückliche Wendung seiner Verhältnisse ruhiger
Nachdenken und den freundlichen Träumen sich überlassen konnte,
welche in seinem freudetrunkenen Herzen auftauchten.
Holm war an jenem Nachmittage, an welchem die
Besprechung mit Wolfram stattgefunden, in sehr heiterer
Laune aus der Stadt zurückgekehrt, hatte zum ersten Male
wieder mit der auch ihm freundlicher als bisher entgegen
kommenden Gattin gescherzt, die Tochter, welche bei seinem
Eintritte mit einer Stickerei beschäftigt war, über welche sie
schnell ein Tuch geworfen hatte, als er sich ihr genähert,
lächelnd gefragt, ob dies ein Geschenk für den künftigen
Bräutigam würde. Als Lina, hocherröthend über diese
Frage und durch die so unerwartet vertrauliche und scherzende
Sprache des Vaters überrascht, ihren Blick fragend auf die
Mutter gerichtet, war er lachend auf sein Zimmer gegangen
und von da ins Forsthaus, den Seinigen überlassend, zu er-
rathen, was ihm denn so plötzlich die finstern Grillen ver-
trieben, mit denen er so viele Tage daheim zu kämpfen gehabt.
(Schluß folgt.)
Grüßen lassen.
Leise zieht durch mein Gcmüth
Liebliches Geläute!
Schall der Mittagsglocken klingt
Froh von jeder Seite.
Geht ein schmucker Lieutenant
Lindcnlang spazieren,
Amor muß ihm in den Weg
Einen Engel führen;
Einen Engel delicat,
Feuer in den Augen,
Der Gedichte lesen kann
Und Piano pauken.
13*
Er hat
^inen kleinen Schreck einjagen wollen. Daran müssen Sie
nicht mehr denken, und" — hiebei reichte er dem Postsccretär
die Hand — „wenn ich Ihnen jetzt sage, Sie sind uns Allen
willkommen, so glaube ich, werden Sie wohl keinen Zweifel
wehr haben, ob Sie kommen oder nicht!"
„Also wirklich!" rief Wolfram freudig, Holms Hand
ergreifend. „Nun, dann will ich gern all die trüben Stunden
vergessen, die ich seit jenem Tage erlebt. Ja, ich werde
kommen und danke Ihnen dafür um so inniger, als ich nun
wohl hoffen darf, Wünsche nicht vergeblich auszusprechen, die
baö ganze Glück meines Lebens umschließen!"
„Vorerst bleibt es bei der Einladung zum Mittageffen!"
sprach Holm in einem Anfluge komischen Ernstes und weidete
sich sichtlich an der wonnigen Aufregung, die den glücklichen
Postsccretär durchbebte und aus dessen freudetrunkenen Blicken
so selig aufleuchtete. „Ferner," fuhr Holm lächelnd fort,
»verlange ich von Ihnen, daß Sie weder schriftlich noch
wündlich meiner Frau und Tochter oder sonst irgend Jemand
wittheilen, daß wir uns getroffen und gesprochen; wollen Sie
dies versprechen?"
„Wenn Sie dies verlangen, ja! Aber ich hätte so
gerne Fräulein Lina wissen lassen, wie glücklich und froh ich
wich durch Ihre Güte fühle," entgegnete Wolfram im bitten-
den Tone.
„Das wird meine Tochter zeitig genug erfahren! Nun
uoch eine Frage: für wen stimmen Sie heute, für den Staat
oder für die Privatgesellschaft?"
„Ich?" frug zerstreut Wolfram, der die Generalver-
Actien.
sammlung und Alles um sich her vergessen hatte. „Ach,
Herr Friedensrichter, das ist mir nun ganz gleich, aber wenn
es denn abgestimmt sein muß, so werde ich für Abtretung der
Bahn an den Staat stimmen!"
„Ich auch," entgegnete beifällig nickend der Friedens-
richter. „Wir werden aber in der Minorität bleiben."
In diesem Augenblicke ertönte die Klingel des Vor-
sitzenden, Holm reichte dem Postsccretär die Hand zum Ab-
schiede, die dieser voll freudigen Dankes herzlich drückte, und
nachdem er ihm die Worte zugeflüstert: „Also Wort halten
und Schweigen!" verlor er sich unter der versammelten Menge.
Wolfram aber blickte ihm froh lächelnd nach, und Alles
um sich her unbeachtet lastend, eilte er, als die Abstimmung
vorüber war, zum Saale hinaus, hinaus aus dem Straßen-
gewühl der Stadt, um vor dem Thore im Freien ein einsames
Plätzchen sich zu suchen, auf welchem er ungestört über die
so unerwartet glückliche Wendung seiner Verhältnisse ruhiger
Nachdenken und den freundlichen Träumen sich überlassen konnte,
welche in seinem freudetrunkenen Herzen auftauchten.
Holm war an jenem Nachmittage, an welchem die
Besprechung mit Wolfram stattgefunden, in sehr heiterer
Laune aus der Stadt zurückgekehrt, hatte zum ersten Male
wieder mit der auch ihm freundlicher als bisher entgegen
kommenden Gattin gescherzt, die Tochter, welche bei seinem
Eintritte mit einer Stickerei beschäftigt war, über welche sie
schnell ein Tuch geworfen hatte, als er sich ihr genähert,
lächelnd gefragt, ob dies ein Geschenk für den künftigen
Bräutigam würde. Als Lina, hocherröthend über diese
Frage und durch die so unerwartet vertrauliche und scherzende
Sprache des Vaters überrascht, ihren Blick fragend auf die
Mutter gerichtet, war er lachend auf sein Zimmer gegangen
und von da ins Forsthaus, den Seinigen überlassend, zu er-
rathen, was ihm denn so plötzlich die finstern Grillen ver-
trieben, mit denen er so viele Tage daheim zu kämpfen gehabt.
(Schluß folgt.)
Grüßen lassen.
Leise zieht durch mein Gcmüth
Liebliches Geläute!
Schall der Mittagsglocken klingt
Froh von jeder Seite.
Geht ein schmucker Lieutenant
Lindcnlang spazieren,
Amor muß ihm in den Weg
Einen Engel führen;
Einen Engel delicat,
Feuer in den Augen,
Der Gedichte lesen kann
Und Piano pauken.
13*
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Er hat Actien"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 47.1867, Nr. 1159, S. 99
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg