Der tobte Konsul.
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t'cfinbcn, als um die traurige Ursache ihrer ganzen Reise, nnb
^l't, als sie in Sicht des freunblich gelegenen Gutes kamen,
würbe ihnen biese wieber näher gerückt.
Sonst hatte sie bcr alte fröhliche Herr, wenn sic in Licht
tarnen, mit Böllerschüssen empfangen nnb ihnen sein gastliche-,-
Willkommen schon vom hohen Söller ans mit einer grasten
Hamburger Fahne zugeminkt, jetzt war Alles still nnb tobt nnb
öbe, nnb als sie in bcn Hof cinfuhren, wo bic Knechte nnb
Mägde mästig umherschlcnbcrtcn, wichen biefe scheu zurück —
wustlcn sie doch, ivesthalb die fremden Herren gekommen waren.
Am Herrenhaus, das im Sommer allerdings von einem
wahren Orangenhain umgeben war, sah es jetzt freilich leer
U1'b traurig ans. Ter Sturm hatte an dem Morgen noch das
letzte Laub von den alten vor des Verwalters Hans stehenden
wirken abgewetzt und cs mit feinen eisigen Tropfen in langen
Haufen i„ die Passage geschleudert. Flir den Augenblick ließ
^er Schauer wohl nach, aber Zeit war den Leuten noch nicht
geworden, um den Platz zu reinigen — wer hätte auch jetzt
gerade Lust dazu gehabt — und was lag daran?"
Tie Wage» hielten. Tie alte Wirthschaftsmamscll kam
heraus und öffnete den Schlag des ersten. Senator Bertram
hieg langsam und feierlich aus, grüßte die alte Person und
sagte ernst: „Meine liebe Mamsell, wir kommen um eine für
»ns Alle recht traurige Pflicht zu erfüllen — hat unser lieber
seliger Freund sehr gelitten?" -
Tie alte treue Person konnte nicht antworten — ihre
Gefühle übcrmanntcn sic und ihr Taschentuch vor das Gesicht
pressend, wandte sic sich ab und trat in das Haus zurück. Ter
Verwalter übernahm cs, die Herren zu begrüßen.
Es war eine lange, knochige Gestalt, in eine graue Joppe
mit grünem Kragen cingeknöpft, und aus den Acrmeln ragten
ein Paar sonngcbrnnntc, wetterharte Fäuste fast ein wenig zu
laug heraus. Er hatte auch ein merkwürdig langes, von Fur-
; cf)eit durchzogenes Gesicht, dessen Muskeln so eigenthümlich dnrch-
' einander zuckten, als ob sie von der Gicht gezogen würden, so
daß man, wenn er sprach, „ie recht aus ihm klug
werden konnte, ob er im Ernst sei, oder sich einen
Sp.tß mi dem, mit dem er gerade sprach, mache.
Conful Bl,cker»dors hatte sich auch deßhalb im Anfang
gar nicht mit ihm befreunden können, bi« er erst a»«-
fand, daß er ein außerordentlich tüchtiger Verwalter
und dabei treu und zuverlässig sei - was konnte der
Mensch eben für sein Gesicht!
Der Verwalter Jochet, wie er hieß, schien aber
nicht in der Stimmung zu sein, sich „,it den Herren
in ei» langes Gespräch einzulassen, und bat sie, „ur
in den unteren geheizte» Saal zu treten. Die Frau i
Konsul sei gerade noch beim Ankleiden, würde aber
gleich erscheinen und der „Wagen" wäre auch „och nicht ,
da, um den Sarg fortzufahren, müsse aber bald
kommen — ebenso der Herr Pastor, der — nur erst j
noch eine Taufe im Dorfe hätte.
jjggE= i Die Herren traten ein und die behagliche Wärme,
die ihnen hier entgegenströmte, that ihnen wohl — es war
heute wirklich bitterlich kalt da draußen, und ein Schluck Wein
würde ihnen gut thun.
In der Halle befand sich aber — wie sie es wohl er-
wartet hatten, kein gedeckter Tisch und auch kein Büffet, an
dem sie sich hätten in ctivas stärken und durchwärmen können
— sagen mochte aber auch Niemand etwas und so schritt denn
die kleine Gesellschaft, um sich nur erst einmal wieder die Füße
zu erwärmen, in dem weiten Gemach eine Zeitlang schweigend
neben einander auf und ab.
„Hm", sagte Senator Bertram nach einer Weile, indciii
er an dem einen Fenster stehen blieb, »nd wieder auf das frisch
beginnende nnd niederstürmende Wetter ausschaute, „das wird
eine nasse Parthie werden und der Kirchhof ist eine gute Viertel-
stunde von hier entfernt — noch dazu lauter Lehmboden."
„Wie anders ist das jetzt hier," bemerkte seufzend ein
sehr wohlbeleibter Herr mit schneeweißen Haaren und etwas
rother Nase — ebenfalls ein Kaufmann, der auch ein Haus
in Valparaiso hatte nnd mit dort in steter Geschäftsverbindung
stand, „wie anders als damals, als wir uns hier zum letzten
Mal zusammenfanden. Wie vergnügt waren wir da an der
langen Tafel, die eben hier in der Halle stand, und wie wurde
gelacht und erzählt. Wer hätte damals gedacht, daß wir uns
das nächste Mal so tvicdcr zusammcnffndcn sollten!"
„Ja, ja," nickte Kaufmann Rolhcnhauer schwcrinüthig vor
sich hin, „so geht Einer nach dem Anderen und tver weiß, wie
bald die Reihe auch an uns kommt — sicher ist Kcincl
Ter Verwalter kam herein und setzte eine Eaiaffc mit
Wasser und einige Gläser auf den Tisch »nd Senator Bertram
sah ihn etwas erstaunt dabei an — kalte-,- Wasser bei dem
stürmischen unfreundlichen Wetter. Ter Himmel >var auch so
dichi dabei umzogen, daß, wenigstens hi" >» der Halle, schon
die Dämmerung eintrat.
,,Apropos, lieber Freund," redete ihn der Chilenische
Kaufmann an, als der Verwalter eben wieder den Saal ver-
lassen wollte, „könnten wir denn nicht unseren alten Freund,
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t'cfinbcn, als um die traurige Ursache ihrer ganzen Reise, nnb
^l't, als sie in Sicht des freunblich gelegenen Gutes kamen,
würbe ihnen biese wieber näher gerückt.
Sonst hatte sie bcr alte fröhliche Herr, wenn sic in Licht
tarnen, mit Böllerschüssen empfangen nnb ihnen sein gastliche-,-
Willkommen schon vom hohen Söller ans mit einer grasten
Hamburger Fahne zugeminkt, jetzt war Alles still nnb tobt nnb
öbe, nnb als sie in bcn Hof cinfuhren, wo bic Knechte nnb
Mägde mästig umherschlcnbcrtcn, wichen biefe scheu zurück —
wustlcn sie doch, ivesthalb die fremden Herren gekommen waren.
Am Herrenhaus, das im Sommer allerdings von einem
wahren Orangenhain umgeben war, sah es jetzt freilich leer
U1'b traurig ans. Ter Sturm hatte an dem Morgen noch das
letzte Laub von den alten vor des Verwalters Hans stehenden
wirken abgewetzt und cs mit feinen eisigen Tropfen in langen
Haufen i„ die Passage geschleudert. Flir den Augenblick ließ
^er Schauer wohl nach, aber Zeit war den Leuten noch nicht
geworden, um den Platz zu reinigen — wer hätte auch jetzt
gerade Lust dazu gehabt — und was lag daran?"
Tie Wage» hielten. Tie alte Wirthschaftsmamscll kam
heraus und öffnete den Schlag des ersten. Senator Bertram
hieg langsam und feierlich aus, grüßte die alte Person und
sagte ernst: „Meine liebe Mamsell, wir kommen um eine für
»ns Alle recht traurige Pflicht zu erfüllen — hat unser lieber
seliger Freund sehr gelitten?" -
Tie alte treue Person konnte nicht antworten — ihre
Gefühle übcrmanntcn sic und ihr Taschentuch vor das Gesicht
pressend, wandte sic sich ab und trat in das Haus zurück. Ter
Verwalter übernahm cs, die Herren zu begrüßen.
Es war eine lange, knochige Gestalt, in eine graue Joppe
mit grünem Kragen cingeknöpft, und aus den Acrmeln ragten
ein Paar sonngcbrnnntc, wetterharte Fäuste fast ein wenig zu
laug heraus. Er hatte auch ein merkwürdig langes, von Fur-
; cf)eit durchzogenes Gesicht, dessen Muskeln so eigenthümlich dnrch-
' einander zuckten, als ob sie von der Gicht gezogen würden, so
daß man, wenn er sprach, „ie recht aus ihm klug
werden konnte, ob er im Ernst sei, oder sich einen
Sp.tß mi dem, mit dem er gerade sprach, mache.
Conful Bl,cker»dors hatte sich auch deßhalb im Anfang
gar nicht mit ihm befreunden können, bi« er erst a»«-
fand, daß er ein außerordentlich tüchtiger Verwalter
und dabei treu und zuverlässig sei - was konnte der
Mensch eben für sein Gesicht!
Der Verwalter Jochet, wie er hieß, schien aber
nicht in der Stimmung zu sein, sich „,it den Herren
in ei» langes Gespräch einzulassen, und bat sie, „ur
in den unteren geheizte» Saal zu treten. Die Frau i
Konsul sei gerade noch beim Ankleiden, würde aber
gleich erscheinen und der „Wagen" wäre auch „och nicht ,
da, um den Sarg fortzufahren, müsse aber bald
kommen — ebenso der Herr Pastor, der — nur erst j
noch eine Taufe im Dorfe hätte.
jjggE= i Die Herren traten ein und die behagliche Wärme,
die ihnen hier entgegenströmte, that ihnen wohl — es war
heute wirklich bitterlich kalt da draußen, und ein Schluck Wein
würde ihnen gut thun.
In der Halle befand sich aber — wie sie es wohl er-
wartet hatten, kein gedeckter Tisch und auch kein Büffet, an
dem sie sich hätten in ctivas stärken und durchwärmen können
— sagen mochte aber auch Niemand etwas und so schritt denn
die kleine Gesellschaft, um sich nur erst einmal wieder die Füße
zu erwärmen, in dem weiten Gemach eine Zeitlang schweigend
neben einander auf und ab.
„Hm", sagte Senator Bertram nach einer Weile, indciii
er an dem einen Fenster stehen blieb, »nd wieder auf das frisch
beginnende nnd niederstürmende Wetter ausschaute, „das wird
eine nasse Parthie werden und der Kirchhof ist eine gute Viertel-
stunde von hier entfernt — noch dazu lauter Lehmboden."
„Wie anders ist das jetzt hier," bemerkte seufzend ein
sehr wohlbeleibter Herr mit schneeweißen Haaren und etwas
rother Nase — ebenfalls ein Kaufmann, der auch ein Haus
in Valparaiso hatte nnd mit dort in steter Geschäftsverbindung
stand, „wie anders als damals, als wir uns hier zum letzten
Mal zusammenfanden. Wie vergnügt waren wir da an der
langen Tafel, die eben hier in der Halle stand, und wie wurde
gelacht und erzählt. Wer hätte damals gedacht, daß wir uns
das nächste Mal so tvicdcr zusammcnffndcn sollten!"
„Ja, ja," nickte Kaufmann Rolhcnhauer schwcrinüthig vor
sich hin, „so geht Einer nach dem Anderen und tver weiß, wie
bald die Reihe auch an uns kommt — sicher ist Kcincl
Ter Verwalter kam herein und setzte eine Eaiaffc mit
Wasser und einige Gläser auf den Tisch »nd Senator Bertram
sah ihn etwas erstaunt dabei an — kalte-,- Wasser bei dem
stürmischen unfreundlichen Wetter. Ter Himmel >var auch so
dichi dabei umzogen, daß, wenigstens hi" >» der Halle, schon
die Dämmerung eintrat.
,,Apropos, lieber Freund," redete ihn der Chilenische
Kaufmann an, als der Verwalter eben wieder den Saal ver-
lassen wollte, „könnten wir denn nicht unseren alten Freund,
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der todte Consul"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 56.1872, Nr. 1387, S. 51
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg