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Der Wirth zum „sc
und, wie gesagt, — hiit' dich ja für die Zukunft — möchtest
zum zweiten Male nicht so billigen Kaufs davon kommen!" —
Und damit ladet er den Geretteten auf die Schulter, schleppt
ihn nach dein Schlitten, wirst ihn heinein, macht ihm ein gutes
Lager zurecht aus Heu und Stroh und bedeckt ihn auch noch
mit feinem Pelze. — „Kann ihn missen," raunt er seinem
Gefährten noch zu, „aber nun lieg' still! keinen Muck!" —
Uub fort geht's. Der Wallfischwirth im bloßen Lcderwamms
vorn an der Deichsel hat ganz die Kälte vergessen, so warm
hat ihn sein Stücklein gemacht. Aber — er hält noch ein-
mal an — mit dem Schellengeläute ist's nun gefehlt, das geht
»immer! — und er beseitigt dasselbe und legt es zu der
Peitsche neben sich. Ein Zuruf — die Pferde jagen dahin.
Glücklich erreicht der Schlitten die Haide — Niemand ist ihm
begegnet. Der Tobias lenkt endlich auf den „schwarzen Wali-
sisch" zu. Es ist schon spät und Alles ruhig. Das paßt
ihm vortrefflich; macht deßhalb auch kein sonderlich Lärmen
u>it seiner Ankunft, fährt still in den Hof hinein, spannt die
j Pferde aus, bringt sie in den Stall, haftet sie an der Krippe
sest, reicht ihnen ihr Futter und sicht dann nach dem Schlitten,
iiöic er den Pelz aushebt, ist sein Schützling schon ziemlich munter.
Er hilft ihm aussteheu und leitet ihn in den Stall zu den
Pferden, wo er ihm eine warme Lagerstatt anweist, und geht
bann mit den Worten wieder hinaus: „Nun will ich seheli,
Pursch, ab ich da drinnen etwas zu leben find' für dich; —
gcduld' dich ein Weilchen!" — Hebt den besagten Schnappsack
«us dcni Schlitten und pocht leise — leise am hintern Fenster,
wo die Schlafstube liegt mit dem großen gemeinschaftlichen
Ehebett. Bald erwacht des Tobias Frau — — „Hans
Jürge, bist du's?" — „Ja, Schatz, bin's! mach' auf!" —
~~ „Aber sag' um Himmelswillen, wo bleibst du den» in
aller Ewigkeit?" — „Ach", besänftigt sie der Wallfischwirth,
als sie geöffnet, „laß das jetzt, Schatz!" Und er tritt mit
ihr in die Stube. Aber kaum, daß er sic flüchtig umhalst
und ihr den Schnappsack überlassen hat zur Besänftigung
und daß sic sich weide an seinem Inhalt, da fährt er auch
ichon fort: „Sag', Margaret', hast denn nimmer etwas
Alarmes zum leben? 's war eine schneidende Kälte den
j ganzen Weg!" — „Ei freilich!" antwortete sie schmun-
»elnd, holt von dem großen Kachelofen eine mächtige
irdene Schüssel mit duftender Brodsuppe und stellt sie auf
ben Tisch, thut auch noch allerhand würzige Sachen hinein,
Ingwer, Nelken und Zucker, und stcmnit nun lachend die
! Arme in die Seite, um zu sehen, wie's dem Hans Jürge
lchmccken wird. Aber der setzt sich nicht sogleich an seinen
| "Ustch, sondern nimmt noch eine zweite Schüssel vom Schrank
Und einen blauten Blechlöfsel dazu und fängt an, anfzu-
'chöpscn, als wäre noch Jemand da, der zu Gast mitesse»
solle. Die Margarete thut einen fragenden Blick, da hebt
Wallfischwirth au: „Was gasf'st, Margaret'? — hör',
uh Hab' unterwegs einen armen Handwcrksburschen aufge-
suben, der halb erfroren im Wcggrabcn lag; da Hab' ich
'hu doch »immer liegen lassen können, sondern mußt' ihn
uufhebcn nnd mitnehmcn; und da wir nun hier im Hause
warzen Wallfisch."
keinen rechten Raum haben der frühen Gäste wegen, Hab' ich
ihn in den Stall draußen gebettet. Da will ich ihm denn
eine warme Suppe hinaustragen, oie wird ihm gut thun!"
— Die Margarete hat nichts dagegen und der Wallfischwirth
trägt die Schüssel in den Stall. Judeß der Versteckte mit
einer erklärlichen Gier über die warme Suppe hergeht, wünscht
ihm sein Retter gute Nacht und er solle sich's wohl bekommen
lassen und ganz ruhig sein, er wäre so gut wie geborgen und
sobald sich's machen ließe, würde er ihn bei Nacht und Nebel
weiter schassen bis über die Grenze. Und er geht und schließt
den Stall zu; darauf stärkt er sich selbst in der Stube an
dem Reste der Suppe und legt sich endlich zur Ruhe.
II.
So müde der Wallfischwirth von seiner Reise gewesen,
so konnte er doch nicht recht nach Wunsch schlafen. Allerlei
tolle Träume ängstigten ihn: bald saß er oben auf dem Galgen
und vermochte nicht, den Strick zu durchschneide», woran der
von ihm Gerettete gehangen; bald hing er selbst am Galgen,
um für die Befreiung des Andern zu büßen. Er erwachte,
als die große Wanduhr eben Drei schlug. Draußen war der
Mond nntergegange» und schwarze Finstcrniß lag über dem
Gehöfte. Ohne zu wissen, warum, lauschte der Wallfischwirth
ans seinem Bett hervor, als erwarte er, daß irgend etwas
Unheimliches geschehen müsse. Es war nicht Furcht, >vas ihn
endlich gar aus dem Bett trieb, denn Furcht kannte der Tobias
nicht. Es war nur eben, daß er sich cinbildete, cs sei etwas
im Hanse nicht in Ordnung. Warf also den Pelz über, that
noch einen Blick nach seiner tief schlafenden Eheliebsten, klinkte
leise die Thür ans nnd trat in den Hof. Er lauschte. Was
war das? Klang cs nicht wie Kettengerassel aus dem Pferde-
stall? und — die Stallthür! die er doch selbst verschlossen, steht
angelwcit auf? Und — —• kaum, daß er seinen Augen traut —
— sprengt, ivie der wilde Jäger der alten Sage, ein Reiter
Der Wirth zum „sc
und, wie gesagt, — hiit' dich ja für die Zukunft — möchtest
zum zweiten Male nicht so billigen Kaufs davon kommen!" —
Und damit ladet er den Geretteten auf die Schulter, schleppt
ihn nach dein Schlitten, wirst ihn heinein, macht ihm ein gutes
Lager zurecht aus Heu und Stroh und bedeckt ihn auch noch
mit feinem Pelze. — „Kann ihn missen," raunt er seinem
Gefährten noch zu, „aber nun lieg' still! keinen Muck!" —
Uub fort geht's. Der Wallfischwirth im bloßen Lcderwamms
vorn an der Deichsel hat ganz die Kälte vergessen, so warm
hat ihn sein Stücklein gemacht. Aber — er hält noch ein-
mal an — mit dem Schellengeläute ist's nun gefehlt, das geht
»immer! — und er beseitigt dasselbe und legt es zu der
Peitsche neben sich. Ein Zuruf — die Pferde jagen dahin.
Glücklich erreicht der Schlitten die Haide — Niemand ist ihm
begegnet. Der Tobias lenkt endlich auf den „schwarzen Wali-
sisch" zu. Es ist schon spät und Alles ruhig. Das paßt
ihm vortrefflich; macht deßhalb auch kein sonderlich Lärmen
u>it seiner Ankunft, fährt still in den Hof hinein, spannt die
j Pferde aus, bringt sie in den Stall, haftet sie an der Krippe
sest, reicht ihnen ihr Futter und sicht dann nach dem Schlitten,
iiöic er den Pelz aushebt, ist sein Schützling schon ziemlich munter.
Er hilft ihm aussteheu und leitet ihn in den Stall zu den
Pferden, wo er ihm eine warme Lagerstatt anweist, und geht
bann mit den Worten wieder hinaus: „Nun will ich seheli,
Pursch, ab ich da drinnen etwas zu leben find' für dich; —
gcduld' dich ein Weilchen!" — Hebt den besagten Schnappsack
«us dcni Schlitten und pocht leise — leise am hintern Fenster,
wo die Schlafstube liegt mit dem großen gemeinschaftlichen
Ehebett. Bald erwacht des Tobias Frau — — „Hans
Jürge, bist du's?" — „Ja, Schatz, bin's! mach' auf!" —
~~ „Aber sag' um Himmelswillen, wo bleibst du den» in
aller Ewigkeit?" — „Ach", besänftigt sie der Wallfischwirth,
als sie geöffnet, „laß das jetzt, Schatz!" Und er tritt mit
ihr in die Stube. Aber kaum, daß er sic flüchtig umhalst
und ihr den Schnappsack überlassen hat zur Besänftigung
und daß sic sich weide an seinem Inhalt, da fährt er auch
ichon fort: „Sag', Margaret', hast denn nimmer etwas
Alarmes zum leben? 's war eine schneidende Kälte den
j ganzen Weg!" — „Ei freilich!" antwortete sie schmun-
»elnd, holt von dem großen Kachelofen eine mächtige
irdene Schüssel mit duftender Brodsuppe und stellt sie auf
ben Tisch, thut auch noch allerhand würzige Sachen hinein,
Ingwer, Nelken und Zucker, und stcmnit nun lachend die
! Arme in die Seite, um zu sehen, wie's dem Hans Jürge
lchmccken wird. Aber der setzt sich nicht sogleich an seinen
| "Ustch, sondern nimmt noch eine zweite Schüssel vom Schrank
Und einen blauten Blechlöfsel dazu und fängt an, anfzu-
'chöpscn, als wäre noch Jemand da, der zu Gast mitesse»
solle. Die Margarete thut einen fragenden Blick, da hebt
Wallfischwirth au: „Was gasf'st, Margaret'? — hör',
uh Hab' unterwegs einen armen Handwcrksburschen aufge-
suben, der halb erfroren im Wcggrabcn lag; da Hab' ich
'hu doch »immer liegen lassen können, sondern mußt' ihn
uufhebcn nnd mitnehmcn; und da wir nun hier im Hause
warzen Wallfisch."
keinen rechten Raum haben der frühen Gäste wegen, Hab' ich
ihn in den Stall draußen gebettet. Da will ich ihm denn
eine warme Suppe hinaustragen, oie wird ihm gut thun!"
— Die Margarete hat nichts dagegen und der Wallfischwirth
trägt die Schüssel in den Stall. Judeß der Versteckte mit
einer erklärlichen Gier über die warme Suppe hergeht, wünscht
ihm sein Retter gute Nacht und er solle sich's wohl bekommen
lassen und ganz ruhig sein, er wäre so gut wie geborgen und
sobald sich's machen ließe, würde er ihn bei Nacht und Nebel
weiter schassen bis über die Grenze. Und er geht und schließt
den Stall zu; darauf stärkt er sich selbst in der Stube an
dem Reste der Suppe und legt sich endlich zur Ruhe.
II.
So müde der Wallfischwirth von seiner Reise gewesen,
so konnte er doch nicht recht nach Wunsch schlafen. Allerlei
tolle Träume ängstigten ihn: bald saß er oben auf dem Galgen
und vermochte nicht, den Strick zu durchschneide», woran der
von ihm Gerettete gehangen; bald hing er selbst am Galgen,
um für die Befreiung des Andern zu büßen. Er erwachte,
als die große Wanduhr eben Drei schlug. Draußen war der
Mond nntergegange» und schwarze Finstcrniß lag über dem
Gehöfte. Ohne zu wissen, warum, lauschte der Wallfischwirth
ans seinem Bett hervor, als erwarte er, daß irgend etwas
Unheimliches geschehen müsse. Es war nicht Furcht, >vas ihn
endlich gar aus dem Bett trieb, denn Furcht kannte der Tobias
nicht. Es war nur eben, daß er sich cinbildete, cs sei etwas
im Hanse nicht in Ordnung. Warf also den Pelz über, that
noch einen Blick nach seiner tief schlafenden Eheliebsten, klinkte
leise die Thür ans nnd trat in den Hof. Er lauschte. Was
war das? Klang cs nicht wie Kettengerassel aus dem Pferde-
stall? und — die Stallthür! die er doch selbst verschlossen, steht
angelwcit auf? Und — —• kaum, daß er seinen Augen traut —
— sprengt, ivie der wilde Jäger der alten Sage, ein Reiter
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der Wirth zum "schwarzen Wallfisch""
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Thema/Bildinhalt (normiert)
Heugabel <Motiv>
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 56.1872, Nr. 1403, S. 179
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg