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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 23.1912

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Schleinitz, Otto von: Ausstellung alter Meister in der Londoner Grafton Gallery
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Wolf, August: Neues aus Venedig, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5954#0037

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Neues aus Venedig

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Vasari Spaniens, noch Ponz und Cean Bermudez, sondern
auch die neueren Kunsthistoriker, mit Ausnahme von Justi,
kennen Vermejo nicht. Justi erwähnt den Meister in seiner
Vorrede zu Baedekers Spanien. Ein anderes von Sir Julius
Wernher geliehenes Bild nimmt gleichfalls unsere voll-
kommenste Aufmerksamkeit in Anspruch. Es ist dies viel-
leicht das einzige Werk Albrecht Altdorfers (f 1538) in
England. Dies im Katalog unter Nr. 29 verzeichnete Ge-
mälde führt den Titel »Christus nimmt Abschied von seiner
Mutter vor der Passion«. Ein anderes, bisher nicht öffent-
lich gesehenes Bild in der spanischen Abteilung »Porträt von
Doäa Antonia Zarate*, ein Werk Goyas, kommt aus der
Sammlung von Mr. Otto Beit. Derselbe lieh der Ausstellung
ferner zwei prachtvolle Niederländer: Jacob Ruisdael (Nr. 74)
und van der Heiden (Nr. 97). Ein besonderer Vorzug
der Ausstellung ist der, daß auch die Entwicklung der
Landschaftsmalerei von Rubens zu Sieberechts, von Duccio
bis Turner, stufenweise klar erkannt wird. Die von Mrs.
Bischoffsheim gesandte Landschaft P. de Könincks beweist,
daß sie in dem genannten Spezialfach bedeutender ist,
als von einzelnen Seiten bisher angenommen wurde.
(Nr. 68). Die von Lady Wantage gesandte Landschaft
Rembrandts >Le Commencement d'Orage* (Nr. 75) zeigt
nahe Verwandtschaft mit einem in der Galerie des Herzogs
von Westminster befindlichen Werk P. Könincks. Andere
in der Ausstellung noch vorhandene Gemälde Rembrandts
sind: »Das sogenannte Porträt seines Vaters* (Nr. 51) von
Mrs. Fleischmann geliehen; dann Nr. 58 »Jacob swooning
at the sight of Josephs Body*, aus dem Besitz des Grafen
von Derby; ferner die Frau, bekannt als »Rembrandts
Köchin* (Nr. 59), Mrs. Fleischmann gehörig; weiter »Calrina
Hoogh*, bezeichnet Rembrandt 1657 (Nr. 60) aus der Samm-
lung von Lord Penrhyn, ein Porträt, das früher irrtümlich
für die Frau des Malers Peter de Hoogh ausgegeben wurde,
aber selbst eventuell nur seine Mutter darstellen kann.
Eine frühe, und nicht uninteressante Kopie nach Rembrandts
»Windmühle*, ehemals Lord Landsdowne, jetzt Mr. Widener
in Philadelphia gehörig, wurde bisher sicherlich zu Unrecht
der »Norwicher Schule«, so namentlich ihrem Begründer,
dem sogenannten »Old Crome« zugewiesen, indessen so-
wohl aus äußeren wie inneren Gründen vermag weder
die Zeit der Herstellung noch das Ursprungsland genau
bestimmt zu werden (geliehen von Mr. T. Humphry Ward.
Nr. 67). Turners »Windmühle und Schleuse* (Nr. 66) aus
dem Besitz von Sir F. Cook gewährt uns nicht nur einen
interessanten Einblick in die Evolution des Landschafts-
bildes, sondern bestätigt auch tatsächlich die früheren An-
nahmen, daß der englische Meister das in Rede stehende
Werk Rembrandts kannte. Von der ganzen Reihe an und
für sich zwar vortrefflich hier vertretenen älteren englischen
Malern möchte ich nur bemerken, daß sie sich eigentlich
nicht harmonisch in diese Ausstellung hineingliedern. Nur
einer, Q. F. Watts, erregt keine Dissonanz mit seinem Por-
trät von »Afra. O. Cavendish Bentinck und ihren drei Kin-
der*, gemalt 1857 (Nr. 42. Gesandt durch Mr. F. Cavendish
Bentinck). Von hervorragenden, aber bisher noch nicht
genannten Galerien, die die Ausstellung beschickten, er-
wähne ich noch folgende: »Breitmeyer«, Graf Brownlow,
Marquis Bute, Graf Crawford, Rt. Hon. Lewis Fry, Mrs.
Joseph, Graf Malmesbury, Lord Middleton, Graf Northbrook,
Graf Plymouth, Alfred C. de Bothschild, Sir H. Samuelson,
Graf Spencer, Mr. Edward Speyer, Sir Edgar Speyer, Sir
Edgard Vincent, Mr. Henry Wagner und Lord Wimborne.

Der Ausstellungskatalog, ein wissenschaftliches Werk
von bleibendem Wert wurde von Mr. Maurice W. Brock-
well verfaßt, der auch wesentlich die Organisation der
Ausstellung leitete. Mr. Roger Fry, der Sekretär des Unter-
nehmens, stand an der Spitze der »Hängekommission«,

die ihre schwierige Arbeit zur größten Zufriedenheit er-
ledigte, während nicht am wenigsten zum Gelingen des
Vorhabens die Sekretärin der »Grafton-Gallery«, Miss Wol-
Ston, beitrug. O. v. Schleinitz.

NEUES AUS VENEDIG

Die Abbazia di S. Oregorio ist nun von Gerüsten befreit
und nach beendeter Restauration freigelegt. Man hat die zwei
großen gotischen Fensteröffnungen gegen denCanalegrande
in ihrer früheren Gestalt hergestellt, ebenso das dreiteilige
Fenster darüber wieder geöffnet. Nach noch vorhandenen
Spuren gelang es auch, der Loggia gegen die Salutekirche
wieder ihre frühere Gestalt zu geben. Zum Glück ist die
Säulenstellung im Klosterhofe wenig alteriert worden, ob-
gleich das altersgeschwärzte Kolorit, das Entzücken aller
Maler, einigermaßen gelitten hat. Die Butzenscheiben der
Türen können nicht entschädigen für die den modernen
Anforderungen an die alte Abtei gemachten Ansprüche.
Ein Antiquariat hat sich in den Bau eingenistet. Es
ist Privatbesitz und niemand konnte dieser Bestimmung
wehren. Da die Befürchtung begründet war, der ganze
Bau möchte verschwinden und ein modernes Hotel die
Stelle einnehmen, so kann man sich nur freuen, daß er
nun auf lange Zeiten hinaus erhalten ist.

Der Turmbau von S. Marco naht sich seiner Vollendung.
Es fehlen an der abschließenden Pyramide nur noch acht
Meter. Am oberen Würfel wurden die in bösen Zeiten
entfernten Löwen des hlg. Marcus, neu hergestellt, wieder
angebracht, und die fast ganz zerstörten Relieffiguren der
Justiz und der Venezia, wiederhergestellt, eingesetzt. Beiden
hat man goldene Kronen und der Justiz Schwert und Wage
gegeben. All das glänzt gar freundlich in der Sonne. Dieser
ganze Teil des Turmes ist nur freigelegt und man ist gegen-
wärtig mit der Abnahme des Gerüstes an der Glockenzelle
beschäftigt.

Die Loggetta wächst sichtlich empor und der Wiederauf-
bau soll bis Weihnachten beendet sein. Mit erstaunlicher
Geduld hat man alle die unzähligen zerbrochenen Teile
wieder zusammengesetzt.

Im Dogenpalast ist die Wiederherstellung der Räume,
welche die Bibliothek beherbergten, als beendet zu be-
trachten. Bereits sind die großen Wandgemälde im ehe-
maligen Lesesaal wieder eingesetzt.

Ein interessanter Fund wurde dieser Tage in einem
Privathause bei S. Giuliano gemacht. In einem alten viel-
fach umgebauten Hause entdeckte man unter der Tünche
leidlich erhaltene Freskenreste aus dem 75. Jahrhundert. Es
sind in dem wenigem Erhaltenen vier Kardinaltugenden
zu erkennen mit angebrachten Schriftrollen. Jede der Fi-
guren unter einem gotischen Baldachin. Der Direktor
des städtischen Museums erachtete es der Mühe wert, diese
Reste für das Museum zu erwerben. Jedenfalls gehören
diese Überbleibsel einer ganzen Saaldekoration an und
bildeten vielleicht einen Fries. Nach Ablösung und Ver-
bringung ins Museum wird man bessere Gelegenheit haben,
den seltenen Fund zu prüfen, was in dem fast dunklen,
durch Verbauen jetzt ganz kleinen Räume unmöglich war.

Es ist der Mitteilung wert, daß Tizians interessantes
Hochaltargemälde in der Kirche S. Salvatore, die bekannte
Verklärung Christi für immer vom Hochaltar entfernt
wurde und nach geschehener Restauration in der Sakristei
Platz fand, woselbst man es nun zu suchen hat. Das Bild
wurde an hohen Festtagen in einen Hohlraum hinab-
geschraubt, um der »goldenen Altartafel«, einer seltenen
venezianischen Goldschmiedearbeit des 13. Jahrhunderts
Platz zu machen. Hierdurch litt das Bild mit der Zeit
und es reifte der Entschluß, ihm Ruhe zu gönnen. Eine
 
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