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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 23.1912

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Pollak, Oskar: Was wissen wir von Lor. Berninis Tätigkeit als Maler?
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5954#0311

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599

Nekrologe — Personalien — Wettbewerbe — Denkmalpflege

600

zeitgenössische Zuschreibung jedenfalls mehr Zutrauen
als eine auf schwachen Beinen stehende moderne
Hypothese.

Die vollkommen leichtsinnige Zuweisung eines
zu Fraschettis Zeiten im römischen Kunsthandel be-
findlichen Rundbildes mit »Susanna im Bade« steht
außerhalb jeder Diskussion.

So bleiben uns denn für die Beurteilung von Ber-
ninis malerischer Tätigkeit nur seine kompositionellen
Zeichnungen und vor allem seine von F. Greuter,
Cl. Mellan, F. Spierre und anderen gestochenen Buch-
illustrationen und selbständigen Kompositionen übrig,
so die beiden Stiche: »David erwürgt den Löwen«
und »König David und ein Flußgott« für die 1631
erschienenen Gedichte des Papstes Urbans VIII. (gest.
von Mellan, resp. von Greuter), die beiden Stiche
»Predigt Johannes d. T. in der Wüste« und »Das
Wunder der fünf Brote« (beide von Spierre gest.)
für die 1674 erschienenen Predigten des P. Gianpaolo
Oliva und die merkwürdige Zeichnung »Der Ge-
kreuzigte über einem Meer von Blut« (gest. Spierre)
aus des Künstlers spätester Zeit2). In diesen Stichen
zeigt sich nun freilich in unzweideutiger Weise die
Handschrift des großen Künstlers und genialen Bild-
hauers. Es sind die typischen Bildhauerzeichnungen,
die mit Linien die Figuren wie mit einem Meißel
oder Schnitzmesser aus dem Block hervorholen, so
eminent plastisch sind sie im Formausdruck. Dieser
Charakter muß den Originalzeichnungen in außer-
ordentlichem Maße eigen gewesen sein, da man
sieht, wie die drei genannten Stecher, die sonst ganz
anders arbeiteten, sich bemühen, diesen Ausdruck
wiederzugeben. Durch gleichmäßige parallele Linien,
die plötzlich aussetzen und dadurch kräftige Lichter
erzielen, die aber doch wieder weich in Halbschatten
übergehen, ist dieser eigenartige Charakter hervorge-
bracht. Dadurch, daß die Figuren meist ohne Kon-
turen sind, wird andererseits ein gewisser Zusammen-
hang der Figur mit der dem Bildhauer gewohnten
Reliefgrundebene hergestellt. Trotzdem in diesen
Stichen sicherlich viel von den Vorzügen der Originale
verloren gegangen ist, so stehen sie in der Qualität
dennoch turmhoch über allen, dem Künstler bisher
zugeschriebenen Gemälden.

Auch die jüngste Zuschreibung des so feinsinnigen
Kenners der italienischen Seicentomalerei, F. Hermanin,
die er in dem zitierten Aufsatz im Februarhefte der
»Arte« publiziert hat, scheint mir aus diesen Gründen
nicht haltbar zu sein. Es handelt sich um ein kleines,
bisher dem Gaulli-Bacciccio zugeschriebenes Bild »Chri-
stus und die Samariterin am Brunnen« in der Galerie
Spada in Rom, wo besonders die Figur der Samariterin
ihn an manche plastische Schöpfungen des Meisters
erinnert. Besonders aber verweist er auf den unter
einem Baume links sitzenden Christus und auf die
Analogien dieser Figur mit dem Christus auf dem
Stiche der »Speisung der Zehntausend« im Buche
des P. Oliva. Aber gerade hier muß die Kritik ein-
setzen: diese Analogie ist zu groß: die Stellung der

1) Abb. bei Fraschetti, p. 245.

2) Die meisten bei Fraschetti abgebildet.

Gliedmaßen, die Drehung des Körpers, Falte um Falte
des Gewandes sind bis ins kleinste Detail gleich, nur
der Kopf Christi ist auf dem Spadabilde ins Glatte
und Süßliche zugerichtet. Es erscheint mir vollkommen
ausgeschlossen, daß ein großer Künstler wie Bernini,
vor allem in seinen letzten Jahren (der Stich stammt
aus dem Jahre 1674!), sich selbst so sklavisch wieder-
holt haben sollte. Viel wahrscheinlicher ist es, daß
Bacciccio, der, wie uns berichtet wird, in engster
Schülerbeziehung zu Bernini stand, diese Christusfigur
des Meisters aus dem Stiche entnommen und für sein
Bild verwertet hat.

So müssen wir diese Untersuchung leider mit dem
negativen Resultate schließen, daß wir, abgesehen von
den Zeichnungen und Stichen, von Berninis malerischer
Tätigkeit bis heute nichts wissen. Vielleicht beschert
uns eines Tages ein unerwarteter Fund eines oder
das andere von seinen 200 verschollenen Bildern —
wenn er sie je gemalt hat. OSKAR POLL AK

NEKROLOGE
Zu Eisenberg bei Calw ist im Alter von 81 Jahren
der Nestor der schwäbischen Maler, Karl Bäuerle, ge-
storben. Er hat sich namentlich als Porträt- und Landschafts-
maler ausgezeichnet.

PERSONALIEN

Professor Max G. Zimmermann, dem etatsmäßigen
Professor für Kunstgeschichte in der Architekturabteilung der
Technischen Hochschule zu Charlottenburg, ist derCharakter
als Oeheimer Regierungs-Rat verliehen worden.

Der berühmte Wiener Meister der Radierkunst, Prof.
William Unger, vollendete am 11. September das
75. Lebensjahr. Unger war der erste, der für die graphische
Wiedergabe der Werke der großen alten Holländer und
Vlämen die Stichelarbeit beiseite setzte und die Radier-
technik heranzog. Eine Würdigung seines Schaffens hat
Wilhelm Bode anläßlich des siebzigsten Geburtstages in
unserer »Zeitschrift für bildende Kunst« (N. F. XVIII), in
der sich Unger seine Sporen verdient hat, veröffentlicht.

Aus Anlaß der diesjährigen Großen Berliner Kunst-
ausstellung ist die große goldene Medaille verliehen
worden: den Malern Professor Hans Looschen-Berlin,
Carl Larsson-Sundborn und dem Maler und Radierer
Frank Brangwyn-London; die goldene Medaille: dem Bild-
hauer Eberhard Encke-Berlin, dem Radierer Professor
Heinrich Wolff-Königsberg, dem Bildhauer Professor Ernst
Seger-Berlin, dem Architekten Professor Hermann Billing-
Karlsruhe und dem Maler Alfred Mohrbutter-Berlin.

WETTBEWERBE
Dresden. Der Kirchenvorstand der Andreas-Kirchge-
meinde erläßt einen Wettbewerb unter deutschen Archi-
tekten für eine Kirche nebst Pfarr- und Gemeindehaus.
Die Entwürfe für die Baugruppe, die am Stephanienplatz
errichtet werden soll, müssen bis zum 30. November ein-
geliefert sein. Unter den Preisrichtern befinden sich unter
anderem die Professoren Bestelmeyer, Erlwein, Hermann
und Ludwig Hoffmann. Es gelangen vier Preise von 4000,
3000, 2000 und 1000 M. zur Verteilung.

DENKMALPFLEGE
Conversano(Apulien). Im nächsten November werden
unter Leitung von Ing.CremonadieRestaurierungsarbeiten
des vor zwei Jahren abgebrannten Domes beginnen. Zum
 
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