ACAD. LESEH.
:J-FE8.1912
KUNSTCHRONIK
WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE
Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13
Neue Folge. XXIII. Jahrgang 1911/1912 Nr. 15. 2. Februar 1912
Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« monatlich dreimal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 40 Nummern.
Die Abonnenten der «Zeitschrift für bildende Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt
eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E.A.Seemann,
Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen an.
EIN STÜCK STRASSBUROER KUNST-
GESCHICHTE: DIE MINIATURMALER,
SILHOUETTISTEN UND ZEICHENMEISTER
UM 1800
Von Th. Knorr (Strassburo)
Die zahlreichen auf unsere Zeit gekommenen
Miniaturen, Silhouetten und übrigen künstlerischen
Kleinarbeiten aus den letzten Jahrzehnten des 18. und
den beiden ersten des 19. Jahrhunderts liefern, selbst
wo es sich nicht um Kunstwerke von Bedeutung
handelt, den Beweis einer damals noch lebendigen
hohen künstlerischen Tradition. Die Elsässische Aus-
stellung alter Porträte im Frühjahr 1910 enthielt zahl-
lose Beispiele dafür. Diese Tradition wurde durch
die zahlreichen herumreisenden Künstler und Zeichen-
meister ausgeübt und auf ein ganzes Heer gebildeter
Dilettanten übertragen. Im Zeitalter, wo es zur guten
Erziehung gehörte, dichten zu können, wurde auch
die Malerei, und besonders die noch einfachere
»Schattenkunst«, Silhouetten zu schneiden, in den
Kreisen des gebildeten Bürgertums lebhaft geübt.
Aus einem Quellenmaterial, das in dieser Richtung
noch nicht durchgearbeitet worden ist, veröffentliche
ich im folgenden die an sich zwar recht bescheidenen
Dokumente über die zwischen 1785 und 1820 in
Straßburg tätig gewesenen Maler und Zeichenmeister,
die in ihrer Gesamtheit ein kulturgeschichtlich wert-
volles Stück Straßburger Kunstgeschichte bilden. Die
Notizen sind den äußerst seltenen Jahrgängen des
Wochenblattes entnommen, das die bewegten Zeit-
ereignisse an der Wende des 18. Jahrhunderts unter
mehrfach gewechseltem Namen als Straßburger Wochen-
blatt, Straßburger Dekadenblatt, Niederrheinische An-
zeigen und Niederrheinisches Wochenblatt begleitete,
und im originalen Wortlaut wiedergegeben. Demnach
arbeiteten folgende Künstler in den den einzelnen
Anzeigen vorgesetzten Jahren in Straßburg.
1787. Herr Abele, so im Gasthaus zum Louvre
in der Salzmannsgasse logiert, macht wohlgelungene
Silhouetten auf Gold um billigen Preis.
1788. Unter den in allhiesiger Zeichnungs-Schule
aufgenommenen Zöglingen erhielten bei der den
19 April geschehenen Austeilung der Preise, nach
verfertigten Probstücken
den 1. Preis Georg Joseph Schümm
2. Joh. Heinrich Colla
3. Benjamin Zix
( Joh. Martin Tauber
ie 4" I Friedr. Daniel Seupel
j Joh. Jacob Spielmann
16 ^ ) Johannes Heintzenberger
die 6 \ J^n,on Pr'or
\ Philipp Jacob Margraf
1788. Hr. Triguart, Miniaturmaler von Paris, wird
sich nur eine kurze Zeit hier aufhalten; er ersucht dem-
nach diejenigen Personen, die ihn mit ihrem Zuspruch
beehren wollen, ihn davon sobald als möglich zu be-
nachrichtigen. Er logirt bei Hrn. Jung, Taback- und wohl-
riechender Waren-Händler nächst dem Broglio, gegen
dem Hotel des Herrn Baron von Berstett über, No. 7.
1789. Le Sieur de la Volliere peintre en minia-
ture de S. A. S. Monseigneur le Duc d'Orleans, et de
S. A. S. et eminentissime Monseigneur le Cardinal
Prince de Rohan etc. fait le portrait en miniature, en
camee et en Silhouette, d'un nouveau genre, grandeur
de bague et autres, il fait aussi des chiffres en cheveux.
Les amateurs de peinture pourront trouver chez-lui
des miniatures peu communes par leur grandeur,
d'apres differens grands maitres, de la gallerie de
Mgr. le Duc d'Orleans; il demeure place du Broglio,
No. 18, chez le Buraliste, au premier.
1790. Le Sieur Perignon, peintre en miniature,
vient d'arriver en cette ville, apres avoir travaille avec
succes en d'autres; il peint le portrait avec la plus
parfaite ressemblance; le dit Sieur previent que le
portrait n'etant pas d'une exacte ressemblance, il
s'oblige ä le reprendre; il a des ouvrages ä montrer,
qui doivent inspirer la plus grande confiance ä ceux
qui desireront employer ses talens. II y a du meine
chez lui une piece de mecanique composee de 18 fi-
gures mouvantes, ä vendre ä juste prix; il est löge
chez M. Riedlin, Chirurgien, sur le pont de Corbeau.
Einen Monat später zeigt Perignon seinen Woh-
nungswechsel an:
Le Sieur Perignon, peintre en miniature, demeure
actuellement chez le Sr. Bertauld, maitre de musique,
rue de la Nuee bleue.
1790. Le Sr. Oonord, peintre en miniature ci-
devant au Palais royal ä Paris tres connu par la
ressemblance de ses portraits, avertit MM. les amateurs
qu'ils pourront faire faire leurs portraits peints sur
yvoir en miniature pour 6 Livres, il ne faut qu'une
demie-heure de seance; il demeure chez le Sr. Schauer,
Marchand-Peiletier sur le marche-aux-Poissons, No. 76.
(Vgl. seine Anzeige im Jahr 1791.)
:J-FE8.1912
KUNSTCHRONIK
WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE
Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13
Neue Folge. XXIII. Jahrgang 1911/1912 Nr. 15. 2. Februar 1912
Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« monatlich dreimal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 40 Nummern.
Die Abonnenten der «Zeitschrift für bildende Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt
eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E.A.Seemann,
Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen an.
EIN STÜCK STRASSBUROER KUNST-
GESCHICHTE: DIE MINIATURMALER,
SILHOUETTISTEN UND ZEICHENMEISTER
UM 1800
Von Th. Knorr (Strassburo)
Die zahlreichen auf unsere Zeit gekommenen
Miniaturen, Silhouetten und übrigen künstlerischen
Kleinarbeiten aus den letzten Jahrzehnten des 18. und
den beiden ersten des 19. Jahrhunderts liefern, selbst
wo es sich nicht um Kunstwerke von Bedeutung
handelt, den Beweis einer damals noch lebendigen
hohen künstlerischen Tradition. Die Elsässische Aus-
stellung alter Porträte im Frühjahr 1910 enthielt zahl-
lose Beispiele dafür. Diese Tradition wurde durch
die zahlreichen herumreisenden Künstler und Zeichen-
meister ausgeübt und auf ein ganzes Heer gebildeter
Dilettanten übertragen. Im Zeitalter, wo es zur guten
Erziehung gehörte, dichten zu können, wurde auch
die Malerei, und besonders die noch einfachere
»Schattenkunst«, Silhouetten zu schneiden, in den
Kreisen des gebildeten Bürgertums lebhaft geübt.
Aus einem Quellenmaterial, das in dieser Richtung
noch nicht durchgearbeitet worden ist, veröffentliche
ich im folgenden die an sich zwar recht bescheidenen
Dokumente über die zwischen 1785 und 1820 in
Straßburg tätig gewesenen Maler und Zeichenmeister,
die in ihrer Gesamtheit ein kulturgeschichtlich wert-
volles Stück Straßburger Kunstgeschichte bilden. Die
Notizen sind den äußerst seltenen Jahrgängen des
Wochenblattes entnommen, das die bewegten Zeit-
ereignisse an der Wende des 18. Jahrhunderts unter
mehrfach gewechseltem Namen als Straßburger Wochen-
blatt, Straßburger Dekadenblatt, Niederrheinische An-
zeigen und Niederrheinisches Wochenblatt begleitete,
und im originalen Wortlaut wiedergegeben. Demnach
arbeiteten folgende Künstler in den den einzelnen
Anzeigen vorgesetzten Jahren in Straßburg.
1787. Herr Abele, so im Gasthaus zum Louvre
in der Salzmannsgasse logiert, macht wohlgelungene
Silhouetten auf Gold um billigen Preis.
1788. Unter den in allhiesiger Zeichnungs-Schule
aufgenommenen Zöglingen erhielten bei der den
19 April geschehenen Austeilung der Preise, nach
verfertigten Probstücken
den 1. Preis Georg Joseph Schümm
2. Joh. Heinrich Colla
3. Benjamin Zix
( Joh. Martin Tauber
ie 4" I Friedr. Daniel Seupel
j Joh. Jacob Spielmann
16 ^ ) Johannes Heintzenberger
die 6 \ J^n,on Pr'or
\ Philipp Jacob Margraf
1788. Hr. Triguart, Miniaturmaler von Paris, wird
sich nur eine kurze Zeit hier aufhalten; er ersucht dem-
nach diejenigen Personen, die ihn mit ihrem Zuspruch
beehren wollen, ihn davon sobald als möglich zu be-
nachrichtigen. Er logirt bei Hrn. Jung, Taback- und wohl-
riechender Waren-Händler nächst dem Broglio, gegen
dem Hotel des Herrn Baron von Berstett über, No. 7.
1789. Le Sieur de la Volliere peintre en minia-
ture de S. A. S. Monseigneur le Duc d'Orleans, et de
S. A. S. et eminentissime Monseigneur le Cardinal
Prince de Rohan etc. fait le portrait en miniature, en
camee et en Silhouette, d'un nouveau genre, grandeur
de bague et autres, il fait aussi des chiffres en cheveux.
Les amateurs de peinture pourront trouver chez-lui
des miniatures peu communes par leur grandeur,
d'apres differens grands maitres, de la gallerie de
Mgr. le Duc d'Orleans; il demeure place du Broglio,
No. 18, chez le Buraliste, au premier.
1790. Le Sieur Perignon, peintre en miniature,
vient d'arriver en cette ville, apres avoir travaille avec
succes en d'autres; il peint le portrait avec la plus
parfaite ressemblance; le dit Sieur previent que le
portrait n'etant pas d'une exacte ressemblance, il
s'oblige ä le reprendre; il a des ouvrages ä montrer,
qui doivent inspirer la plus grande confiance ä ceux
qui desireront employer ses talens. II y a du meine
chez lui une piece de mecanique composee de 18 fi-
gures mouvantes, ä vendre ä juste prix; il est löge
chez M. Riedlin, Chirurgien, sur le pont de Corbeau.
Einen Monat später zeigt Perignon seinen Woh-
nungswechsel an:
Le Sieur Perignon, peintre en miniature, demeure
actuellement chez le Sr. Bertauld, maitre de musique,
rue de la Nuee bleue.
1790. Le Sr. Oonord, peintre en miniature ci-
devant au Palais royal ä Paris tres connu par la
ressemblance de ses portraits, avertit MM. les amateurs
qu'ils pourront faire faire leurs portraits peints sur
yvoir en miniature pour 6 Livres, il ne faut qu'une
demie-heure de seance; il demeure chez le Sr. Schauer,
Marchand-Peiletier sur le marche-aux-Poissons, No. 76.
(Vgl. seine Anzeige im Jahr 1791.)