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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 23.1912

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Burchard, Ludwig: Anmerkungen zu den Rubens-Bildern der alten Pinakothek in München
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https://doi.org/10.11588/diglit.5954#0140

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ACAD. LCSEH.
2iF£ß1912 •

KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13
Neue Folge. XXIII. Jahrgang 1911/1912 Nr. 17. 23. Februar 1912.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Künste monatlich dreimal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 40 Nummern.
Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende Künste erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt
eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E.A.Seemann,
Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen an.

ANMERKUNGEN ZU DEN RUBENS-BILDERN
DER ALTEN PINAKOTHEK IN MÜNCHEN

Von Ludwio Burchard
Der neue Katalog der Pinakothek zu München (11. Auf-
lage 1911) muß sich selber in der Vorrede als ein Provi-
sorium bezeichnen. Denn naturgemäß war die Kraft der
Beamten des Museums in den letzten Jahren derart von
der wichtigeren Aufgabe der Galerie-Neuordnung in An-
spruch genommen, daß für den Katalog nur wenig Zeit
übrig blieb. Die kritische Neubearbeitung aber eines
solchen Kataloges verlangt Reisen, Beschaffung von Photo-
graphien, Durchsicht von Inventaren u. a. m., eine Arbeit,
die nur in Jahren und nicht in wenigen Monaten, wie sie
hier zur Verfügung standen, bewältigt werden kann. Es
blieb also der Verwaltung der Pinakothek, wenn sie nicht
einfach den alten und durch die Neuordnung des Bilder-
bestandes veralteten Katalog einfach wieder abdrucken
wollte, nichts anderes übrig als eben ein Provisorium. —
Da jedermann aber wünscht, daß der Katatog in seiner
Weise der neugeordneten Galerie, so wie sie Tschudi
hinterlassen hat, würdig werde, so wird der Katalog noch
manche Änderung erfahren müssen, ehe er auf diesen Titel
Anspruch erheben kann. Es sei mir verstattet, zu dem
Hauptschatz der Pinakothek, der Rubenssammlung, einige
Anmerkungen zu machen, die als Vorschläge zu Ände-
rungen und Zusätzen im Münchener Kataloge gedacht
sind. Die Reihenfolge dieser Anmerkungen hält sich an
die Anordnung der betreffenden Bilder im Katalog.
724. Der sterbende Philosoph Seneca.

Das Bild scheint unter Beihilfe von Schülern ausgeführt
zu sein. — In der Gemäldegalerie zu Karlsruhe kam neuer-
dings eine Tafel zur Aufstellung, die den Seneca der Mün-
chener Komposition als Brustbild zeigt, und die, obschon
bloß von Schülerhand gemalt, doch mit Anstand neben
dem Münchener Bilde bestehen kann.
729. Der Blumenkranz. ». . . Rooses Nr. 198: um 1615
bis 1618 gemalt. Die Studie zu einem der Putten rechts
oben (Bildnis des zweiten Sohnes des Künstlers) im Ber-
liner Kaiser-Friedrich-Museum Nr. 763 ...»

Hier verzeichnet der Katalog die schon seit längerer
Zeit gemachte Beobachtung, daß der kleine Nicolas Rubens
zu dem Engel rechts oben (im Profil) das Modell abge-
geben hat. Man kann noch weiter gehen. Der aufwärts-
blickende Engel rechts in halber Höhe zeigt ebenfalls die
Züge des kleinen Nicolas. Und da dieser Kopf genau auf
dem Stücke des Medicizyklus, das die Vermählung Hein-
richs IV. darstellt, wiederkehrt, so darf es auch für diesen
Kopf als sicher gelten, daß er auf eine Studie des Rubens
nach dem lebenden Modell zurückgeht. Nun ist Nicolas
Rubens im März 1618 geboren. Auf der Münchener Ma-
donna (wie auch auf dem Medicibilde) erscheint Nicolas

als ein etwa dreijähriger Knabe. Der Schluß ist also
zwingend, daß die Münchener Tafel nicht um 1615—18
gemalt sein kann, sondern erst um 1622, in der selben
Zeit, in der, laut Urkunden, der Medicizyklus entworfen
worden ist. Die Münchener Madonna ist demnach nicht
früher, sondern eher später entstanden, als die im Motiv
verwandte Blumenkranz-Madonna des Louvre. — Ich glaube
übrigens, daß der porträtartige Charakter solcher Putten
bei Rubens noch in anderen Fällen zu einer Modifikation
der bisherigen Datierung führen kann. Allerdings wird
diese Handhabe jeweils nur einen terminus post quem
bieten können; denn Rubens hat oft in spätere Kompo-
sitionen Details aus früher entstandenen herübergenommen.
Ich nenne, um ein Beispiel aus der Pinakothek zu bringen,
den mit dem Schwert ausholenden Reiter der Löwenjagd,
der ziemlich genau den heiligen Georg der ganz frühen
Periode des Künstlers wiederholt [St. Georg. Madrid, Prado.
Um 1608 ca. gemalt]. Jedenfalls aber wird man ein Ge-
mälde, auf dem ein Kind des Rubens in einem bestimmten
Lebensalter porträtartig wiedergegeben ist, nicht vor die
Geburt des Kindes datieren dürfen, wie das bei der Mün-
chener Madonna geschehen ist. Vielleicht darf ich ein
paar Beispiele anführen. Zuvor sei nur erwähnt, daß
Rubens natürlich außer dem kleinen Nicolas auch seinen
erstgeborenen Sohn Albert als Modell verwendet hat. Das
vorhin genannte Bild des Medicizyklus zeigt zum Exempel
auf den beiden Löwen sitzend ganz deutlich das jugend-
liche Brüderpaar; hinten den blondlockigen Nicolas und
vorne den kleinen Albert, der an seinen dunklen Haaren
und den vom Vater ererbten etwas aufgeblähten Nasen-
flügeln klar zu erkennen ist. So weist auch die Münchener
Madonna außer dem blonden dreijährigen Engel einen
älteren dunkelhaarigen Engeltyp auf, den man ohne Ge-
waltsamkeit auf Studien nach Rubens' Erstgeborenem wird
zurückführen dürfen. — Nun die versprochenen Beispiele.
Der schon erwähnte aufwärtsblickende Puttenkopf findet
sich ähnlich auch auf dem Bilde der »Verbindung des
Wassers mit der Erde« in Petersburg, das demnach auch
nicht vor 1621 entstanden sein kann, zumal es neben dem
kleinen blonden noch den etwas älteren dunklen Kindertyp
zeigt. Reifer an Jahren kehren Albert und Nicolas auf
dem berühmten Früchtekranz der Pinakothek wieder. Nun
wird dieses Bild, ebenso wie die Blumenkranzmadonna
für ein Werk der Jahre 1615—18 gehalten. Es muß aber
um 1622—23 entstanden sein; denn der Junge, der am
rechten Ende im Profil steht, trägt die Züge des 1614 ge-
borenen, hier etwa sechsjährigen Albert Rubens.

730. Die schlafende Diana. ». . . Rooses Nr. 598: um
1620 entstanden.'

Das Bild wird, nach dem freien malerischen Stil zu
urteilen, nicht lange vor 1625, dem Todesjahre Breughels,
des Mitarbeiters, entstanden sein.
 
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