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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 23.1912

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Persische Miniaturen
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https://doi.org/10.11588/diglit.5954#0244

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ACAO. LE.SEH.

8-JUN.W2

KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

»asm«

Verlag vorf E. A. SEEMANN in Leipzig, Hospitalstraße 11 a
Neue Folge. XXIII. Jahrgang 1911/1912 Nr. 30. 7. Juni 1912.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« monatlich dreimal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 40 Nummern.
Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt
eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E.A.Seemann,
Leipzig^Hospitalstraße IIa. Anzeigen 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen an.

PERSISCHE MINIATUREN
Die Sammlerkreise wenden sich neuerdings mit Eifer
den orientalischen, namentlich den persischen Miniaturen
zu. So mag es interessieren, was eine Autorität in diesem
Gebiete, Wilhelm R. Valentiner, der Kurator der Abteilung
für dekorative Kunst in dem New Yorker Metropolitan-
Museum of Art, im Bulletin dieses großen Museums über
persische Miniaturen (meist im Anschluß an den Besitz
des Museums) zu sagen hat.

Die Ähnlichkeit, die für den oberflächlichen Betrachter
zwischen der Kunst des nahen und des fernen Ostens,
speziell zwischen der von Persien einerseits und von China
und Japan andererseits, zu herrschen scheint, ist mehr eine
augenscheinliche als eine wirkliche und beruht hauptsäch-
lich in gewissen, beiden Kunstgebieten gemeinsamen, ganz
äußerlichen Konventionen. Die hauptsächlichste dieser
Konventionen ist die Flächenkunst und die absichtlich un-
realistische Art, in welcher die ganze östliche Kunst sich
ausspricht. Ein fast ebenso wichtiger Punkt ist die nahe
Verwandtschaft zwischen der orientalischen Kalligraphie
und den mehr dekorativen und zeichnerischen Künsten.
Der östliche Künstler, der auf Kosten des Realismus Linie
und flachen Ton vor allem im Auge hat, steht in direktem
Kontrast mit dem typisch-europäischen Oedanken, daß die
darzustellenden Gegenstände als wirklich existierend in
Raum und Licht dargestellt werden müßten und daß ihrer
plastischen Modellierung und verschiedenartigen Farbe so
viel Realität und Greifbarkeit gegeben werden müsse, wie
überhaupt möglich ist. Deswegen ist der Osten, nament-
lich der nahe Osten, dem Westen in allen rein ornamenta-
len und dekorativen Künsten überlegen, bei denen gemäß
der Natur des Materials selbst eine flache Oberfläche eines
der ersten Requisite für den Erfolg ist, wie z. B. bei der
Teppichweberei, der eingelegten Arbeit, dem niederen
Schnitzrelief und ähnlichem. Abgesehen von solchen weit
verbreiteten Konventionen ist zwischen der Kunst Persiens
und Chinas und Japans nicht mehr Gemeinsames als zwi-
schen denen in zwei weit voneinander abgelegenen euro-
päischen Gebieten; die Wichtigkeit des chinesischen Ein-
flusses auf Persien, die wir so oft in gemeinsamen Motiven
wie dem Drachen, dem Phönix und dem Wolkenband
finden, ist viel zu viel übertrieben worden.

Die Miniaturen, mit denen die Perser ihre ausgearbei-
teten wundervollen Manuskripte illustrieren, entsprechen
in ihrer Bedeutung den Paneelen und Wandgemälden Eu-
ropas und den Kakemonos von Japan und China. Diese
Miniaturen sind die einzige Kunstübung des nahen Ostens,
in denen die Persönlichkeit des Künstlers wirklich hervortreten
konnte; und auch hier geschieht dies in einem weit gerin-
geren Maßstabe als in der europäischen Malerei, da der öst-
liche Künstler oder Handwerker durch den rein ornamentalen
Zweck des Werkes gebunden ist. Die persische Kunst

erhielt ihre Antriebe aus ganz anderen Motiven als die
chinesische. Der Perser illuminiert und illustriert nicht
religiöse Ideen wie der Chinese, sondern poetische und
historische Werke, namentlich die bedeutendsten Monu-
mente der persischen Literatur des la. und 13. Jahrhunderts,
d. h. des Zeitalters eines Firdusi, Omar Khayam, Sadi und
Hafiz. Es war ja doch verboten, den Koran mit irgend
einer Darstellung eines lebenden Gegenstandes auszu-
schmücken. Deswegen war der Künstler gezwungen, die
religiösen Schriften allein mit konventionellen Verzierungen
zu schmücken und seine malerische Tätigkeit auf weltliche
Bücher zu beschränken. Dasselbe Gesetz, das den Ge-
brauch menschlicher Figuren und von Tieren in der Illu-
mination des Koran verbot, wurde von einer großen
muhammedanischen Sekte so ausgelegt, als ob die Dar-
stellung eines lebenden Wesens in der Kunst überhaupt
auszuschließen sei. Die orthodoxeren Sunniten, zu welcher
muhammedanischen Glaubensrichtung die Türken gehören,
blieben fest bei dieser Ansicht, die Schiiten, zu denen die
Perser und Inder gehören, interpretierten in liberalerer
Weise, und so konnten dann die herrlichen Miniaturen zu-
stande kommen, hinter denen die europäischen und ameri-
kanischen Sammler jetzt so sehr her sind. Die türkische
Kunst aber hat eine rein ornamentale Dekoration zustande
bringen können, deren Konvention mit der natüilichen
Vorliebe des Türken für geometrische Formen durchaus
korrespondierte. Bei dieser natürlichen Tendenz des Tür-
ken zur formalen Zeichnung wurden realistische Pflanzen-
und Tiermotive, die man von Persien entlieh, in strenge, in
höchstem Maße konventionalisierte geometrische und dem
Leben fernstehende Motive verwandelt.

Die Malerei im nahen Osten entsprang dem orienta-
lischen Zweige der byzantinisch-ägyptischen Kunst, die
selbst aus der späteren griechischen Zivilisation herausge-
wachsen ist. Und auch die Wandmalereien des 7. und 8.
Jahrhunderts, die jüngst in Schlössern Syriens entdeckt
worden sind, zeigen eine starke Ähnlichkeit mit Fresken
in koptischen Kirchen Ägyptens, ein Beweis der nahen
Verwandtschaft der Kunst dieser beiden Gebiete. Dieser
byzantinische Einfluß ist noch stark zu erkennen in den
Buchillustrationen der ersten Periode einer unabhängigen
persischen Kunst, wie sie sich in den Manuskripten des
12. und 13. Jahrhunderts zeigen, die hauptsächlich in Zen-
tralmesopotamien, dem Sitze aller nahen östlichen Kunst
im Mittelalter entstanden. Ähnliche Motive finden sich in
gleichzeitigen Töpfereien aus Rhages und Veramin, wo
der byzantinische Einfluß mit von den Mongolen ent-
lehnten Formen sich verbindet, wodurch sich das Ganze
in einen ursprünglichen Stil von primitivem und schwerem
Charakter umwandelte. Die menschlichen dargestellten
Figuren dieser Zeit sind immer klein, mager und im Typ
durchaus mongolisch. Zu gleicher Zeit aber sind sie mit
 
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