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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 23.1912

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Haupt, Richard: Die Kunst in Gotland
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5954#0117

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211

Nekrologe""—

Personalien

212

mit Kapitellen und mit Eckblattbasen, die sozusagen ins
12. gehören.

Nicht genug aber konnten sich diese ländlichen Künstler
tun in Gestaltung der Portale. Ihre Hauptzierde, die Füllung
des Bogens, war aus Platten des schönen Marmorgesteins
auszuschneiden und es ergab sich, in beschränktem Kreise
der Erfindungskraft, ein wundersames Spiel der Erfindungen
und Gestaltungen. Besonders interessant ist nicht nur bei
diesen Leistungen, daß der Baustoff hier wirklich die Kunst
mit bedingt und bestimmt, ihre Entwicklung und ihre
Stockung erklärt. Die Insel lag, mit ihren Steinbrüchen
und den Gilden ihrer Steinhauer, mitten im Meere. An
den Küsten allüberall hatte sich seit dem 12. Jahrhundert
der Ziegelbau ausgebreitet und zur Höhe wunderbarer
Leistungen aufgeschwungen. Am und vom Ziegelbau
hatte man aber auf der Insel nichts zu lernen und wollte
nichts davon annehmen. Wie seltsam auch würden sich
wismarische Dombauten ausnehmen, emporgetrieben in
schwindelnde Höhen, unter den Gotteshäusern dieser
Bauern. Nur hie und da hat man sich überhaupt einiger
Ziegel bedient, um daraus Bogen herzustellen. Selbst für
die Gewölbe bot ja der plattenartig brechende Kalkstein
den bequemsten Stoff.

Unter den Meistern, die sich abmühten, einander zu
übertreffen, und besonders den Portalformen Neues ab-
zugewinnen, nennt sich einer in Runenschrift: Mag. Lafrans
Botvidarsson; andere Namen hat die hie und da etwas
wunderlich ausschweifende Phantasie Herrn Roosvals, »be-
gattet und geschwängert« von dem Geiste seiner wissen-
schaftlichen Erkenntnis, uns ergänzt; wir lernen die Namen
und Schulen der ehrsamen Meister Elastikus, Ronensis,
Neo-Ikonikus, Fabulator und Egyptikus kennen und nach
ihren Verdiensten achten.

Roosval lehrt uns, fast nach Vollständigkeit des An-
schauungsstoffes strebend, die Kirchen kennen, indem er
sie, und einiges zur Vergleichung, in nicht weniger als 220
neuen Aufnahmen vorführt. Daneben hat er uns alles
sehr ausführlich dargestellt und zergliedert, in einer Syste-
matik, die freilich nicht gerade immer bequem an das
Verständnis zum Teil bedeutende Ansprüche stellt. Er ist
in dem Bereiche, den er zu behandeln sich vorgenommen
hat, höchst ausgiebig und vollständig; wie seinem großen
Landsmann Linnäus die Staubfäden und Pistille, so haben
es ihm aber die Portale angetan, ihnen das höchste Ge-
wicht beizulegen1). Andere Eigenzüge, z. B. Entwicklung
der Sockel, der Gesimse treten vielleicht zu sehr zurück.
Die Darstellung ist unterstützt durch eine Fülle von sehr
nützlichen und zweckentsprechenden Zeichnungen und
Plänen, im ganzen achtzig.

Da die Kirchen auf Gotland nur zu ganz kleinem Teile
und mit kleinen Teilen ins 12. Jahrhundert reichen, und
da die Überbleibsel dieser älteren Zeit fast nur als neben-
sächliche Erscheinungen zu den Bauwerken gehören, die den
eigentlichen Gegenstand des Studiums und der Darstellung
des Verfassers bilden, so ist in dem uns vorliegenden
Werke nur ein Teil von dem berücksichtigt, was den
ganzen Kreis der über die gotländische Baukunst zu ge-
winnenden und zu erstrebenden Kenntnis angeht. Roosval
hat indes in dem »synthetischen Teile« vorläufig auch auf
die älteren Schichten der Baukunst einen Blick geworfen.
Er deutet uns an, daß die Abrundung zum Ganzen von
ihm noch zu erwarten ist. Diese wird uns die Erklärung
zu geben haben für jene reichen Beziehungen zwischen

1) Unter ihnen begegnen wir denn auch den Ebenbildern
jenes Lübecker Portals am hl. Geist (das übrigens auch
nicht, wie gewöhnlich behauptet wird, aus Sand- sondern
aus gotländischem Kalkslein ist).

Gotland und den Ostseeländern, von denen wir aus-
gegangen sind. Von den künftig zu erwartenden Ergeb-
nissen der Forschung eines so fleißigen und eindringenden
Geistes dürfen wir uns Schönes erhoffen.

Es ist erfreulich und dankenswert, daß Roosval uns
das Werk in deutscher Sprache darbietet, einem alt-
bewährten, leider namentlich bei den Dänen neuerdings
in Abgang gekommenen guten Gebrauche folgend. Übrigens
geht der Gegenstand gerade die deutsche Forschung, wie
gezeigt, aufs nächste an. Der Verfasser beherrscht unsere
schwierige und von ihren eigenen Söhnen vielfach so übel
verstandene und behandelte Muttersprache in einer Weise,
die im ganzen genommen erstaunlich ist; über einzelnes zu
rechten hat der keinen Anlaß, der nicht kleinlich sein will.
Auf wirklich gute und ausgiebige Register müssen wir
einstweilen noch hoffen. Unsere nordgermanischen Stammes-
genossen kennen deren ganze Nützlichkeit noch nicht;
sonst ließen sie sicher die Gelegenheiten nicht meist
vorüber, uns auch durch deren Darbietung zu erfreuen.

richard haupt.

NEKROLOGE

Am 5. Januar verschied völlig unerwartet in Madrid
der Maler und Kunsthistoriker D. Aureliano de Beruete
infolge eines Herzschlags (geb. 1845 'n Madrid). Beruete
war einer der bedeutendsten Landschaftsmaler Spaniens, er
hat wie wenig andere den eigenartigen Reiz spanischer
Städte und kleiner malerisch gelegener Plätze wie Toledo,
Segovia und Cuenca zu schildern gewußt. Er war ein
Schüler von Carlos Haes und Martin Rico. Die Malweise
seiner Bilder bis zum Jahre 1890 etwa ist noch etwas alter-
tümlich. Dann erfolgte aber dank dem Einfluß der fran-
zösischen Impressionisten ein völliger Umschwung. Der
Vortrag wurde leichter und freier, das Kolorit bedeutend
lichter. Namentlich Monet hat auf Beruete stark einge-
wirkt. Charakteristische Werke von Beruete besitzen die
Museen von Madrid, Sevilla, Pau, Paris (Luxembourg),
München und Amsterdam. Noch bekannter vielleicht wie
durch seine Gemälde ist Beruete durch sein großes Werk
über Velazquez geworden, 1898 in französischer Sprache
erschienen, 1906 in englischer und 1908 in einer deutschen
von V. von Loga besorgten Übertragung. Enthält dieses
Werk auch nicht »das letzte Wort über Velazquez«, wie
L. Bonnat gemeint hat, so ist es doch eine überaus be-
deutende kunsthistorische Arbeit, deren Hauptverdienst vor
allem in der Ausscheidung der nun mit Recht Mazo zu-
gewiesenen Gemälde aus dem Oeuvre des Velazquez be-
ruht Beruetes letzte literarische Arbeit war eine Einleitung,
die für die im Druck befindliche farbige Publikation von
Gemälden des Madrider Pradomuseums bestimmt ist, die
bei E. A. Seemann erscheinen wird. Beruete besaß auch
eine bedeutende Sammlung von Gemälden älterer spanischer
Meister. Er hinterläßt einen Sohn, der bereits mehrere
kunsthistorische Arbeiten veröffentlicht hat. Das plötzliche
Hinscheiden dieses überaus liebenswürdigen, hochgebildeten
Menschen wird wohl von allen, die ihn näher gekannt
haben, aufs tiefste bedauert werden. a. l. m.

PERSONALIEN

Geheimrat Dr. Oskar Eisenmann, der frühere Leiter
der Kasseler Gemäldegalerie, beging am 14. Januar in
Karlsruhe in voller Rüstigkeit seinen 70. Geburtstag.

X Prof. Dr. Hans Mackowsky ist zurzeit aushilfs-
weise, an Stelle des beurlaubten Direktorialassistenten Dr.
J. Kern, von der Direktion der Nationalgalerie zur Mit-
arbeit bei der Einrichtung der historischen und Porträt-
galerie in der alten Bauakademie herangezogen worden.
 
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