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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 23.1912

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Internationale Ausstellung für religiöse Kunst Brüssel 1912
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ACAO.LESEH.

KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Hospitalstraße IIa
Neue Folge. XXIII. Jahrgang 1911/1912 Nr. 32. 28. Juni 1912.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« monatlich dreimal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 40 Nummern.
Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt
eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Oewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E.A.Seemann,
Leipzig, Hospitalstraße IIa. Anzeigen 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen an.

INTERNATIONALE AUSSTELLUNG FÜR

RELIGIÖSE KUNST BRÜSSEL 1912.
Brüssel hat nun seine Internationale Ausstellung
für religiöse Kunst. Wien ging voran, Aachen folgte
1907, Düsseldorf 1909, Regensburg 1910, von den
Gruppen religiöser Kunst auf allgemeinen Ausstellungen
zu schweigen. Wer zuletzt ausstellt, hat es am leichtesten
und am schwersten. Am leichtesten, denn er kann
die Fehler seiner Vorgänger vermeiden, am schwersten,
sofern ihm selbst nichts Neues einfällt. Den Ver-
anstaltern der Brüsseler Ausstellung ist nichts Neues
eingefallen. Sie haben auch die Fehler der Früheren
nicht vermieden. Sie haben einfach das nachgemacht,
was schon besser vorgemacht war. Als man zum
ersten Male versuchte, eine Ausstellung für religiöse
Kunst zu veranstalten, mußte das Gebiet erst abge-
steckt, die Möglichkeiten erwogen werden. Damals
erschien es bedenklich, sich auf die kirchliche Kunst
im engeren Sinne zu beschränken, nur das auszu-
stellen, was Schmuck und Weihe des christlichen
Kirchenraumes beider Bekenntnisse bildete. Um über-
haupt eine Ausstellung füllen zu können, zog man
alles hinzu, was das Gebiet der religiösen Empfindung
streifte. Man wollte eben zunächst einmal das öffent-
liche Interesse wieder auf diese Dinge hinlenken.
Heute wäre es ein guter Gedanke gewesen, ganz
streng nur das zu geben, was ohne Widerspruch
und Bedenken in und an einem Gotteshaus angebracht
werden kann. Man hat sich in Brüssel diese Mög-
lichkeit, das Programm schärfer zu formulieren, ent-
gehen lassen. Im Interesse der kirchlichen Kunst
muß man das auf das lebhafteste bedauern. Überdies
hat Brüssel sich nicht die Mühe gegeben, die neueste
Phase der kirchlichen Kunst auszustellen. Man bringt
mit Seelenruhe alles das noch einmal, was von Wien
bis Regensburg schon ausgestellt war. Kaum ein
Stück, das nicht schon früher zu sehen gewesen wäre.
Da andererseits vieles vom Besten jener früheren Aus-
stellungen fehlt, so ist das Gesamtresultat wenig er-
freulich.

Eine Ausnahme sei hervorgehoben: Belgien, als
das einladende Land dieser internationalen Revue, ist
glänzend vertreten, d. h. glänzend, soweit es sich um
religiöse Kunst handelt. Von kirchlicher Kunst war
so gut wie gar nichts zu erblicken. Es bestätigte
sich, was ohnedies bekannt ist, daß die belgischen
Kirchenfürsten sich noch energischer als gewisse

deutsche wehren gegen eine Belebung der religiösen
Empfindung durch die moderne Kunst. Man macht
hier gar keinen Versuch, hirchliche Räume zu ge-
schlossener Wirkung zu bringen. Denn die kahle
Niesche, die Van de Voorde und Montald mit einem
Altar, einem Glasgemälde und ein paar Wandbildern
ausstatteten, kann unmöglich mit jenen stimmungsvollen
Kirchenräumen in Vergleich gezogen werden, die
einst Düsseldorf bot. Ob jemand die Kapellenfassade
von Creten und Vaes mit ihrer brutalen Christusmaske
ernst nimmt, vermag ich nicht zu sagen. Ausgezeichnet
sind dagegen die belgischen Ausstellungsbilder religi-
ösen Genres. Wie unbekümmert um alle Überlieferung
schildert uns Leon Frederic im Triptychon von 1892
die zwei derben, viamischen Engel, die das Schweiß-
tuch Christi durch die Welt tragen, während Blumen
unter dem heiligen Tau vom Gottesantlitz empor-
sprießen. Wundervoll altmeisterlich, groß und ernst,
dabei von einer gesunden bäuerischen Breite ist wieder
Jacob Smits. Spukhaft toll die zwei Zeichnungen von
Ensor: die Kreuzigung, um die der ganze Höllen-
zauber losgelassen ist und die fratzenhaft wilde und
doch große Anbetung der Könige, endlich das farben-
sprühende Gemälde »Christus auf dem See«. Von
einer neuen Seite lernen wir Alfred Delaunois kennen,
der seine figürlichen Studien ebenso großzügig formt,
wie seine bekannten kirchlichen Landschaften. Ein-
zelnes, wie die Rötelstudie der Madonna steht Smits
nahe, der wohl unwidersprochen als der einzige wahr-
haft religiös empfindende Meister unter diesen Belgiern
gelten darf, auch da, wo er nicht Altarbilder malt.
Auf zweifelhaften Wegen wandelt der sonst so talent-
volle Opsommer. In seiner »Seepredigt Christi« läßt
er mit längst überwundener Realistik in einer ganz
modernen Hafenstadt unter modernen kostümierten
Schiffern Christus in einem Kahne erscheinen. Diesen
falsch verstandenen Uhde hätte er sich und uns er-
sparen können. Mehr kirchlich wirken die linear
stilisierten Engelgruppen von Arthur Craco-Brüssel,
oder die Sgraffiti von Paul Cauchie. Ein eigenartiges
Talent kündigt sich in Auguste Donnay an. Für die
Kirche zu Hastiere hat er die Legende der hl. Walhere
in modernstem Historienmalerstil in lichten Teppich-
tönen komponiert. In seinen Skizzen zur Kreuzigung
und Flucht nach Ägypten aber zeigt er uns einen
stolzen, strengen und höchst malerischen Stil.

Mit dieser guten und lehrreichen belgischen Ab-
 
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