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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 12.1901

DOI Artikel:
Schmidt, Karl Eugen: Das Kunstgewerbe in den Pariser Salons
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https://doi.org/10.11588/diglit.4878#0234

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DAS KUNSTGEWERBE
IN DEN PARISER SALONS

ICHT viel Neues
auf dem Gebiete
der Malerei und
Skulptur sowenig
wie auf dem des
Kunsthandwerkes
haben die beiden
grossen Kunst-
ausstellungen die-
ses Jahres eigent-
lich gebracht.
Vielleicht wäre zu
Gunsten der Ball-
robe von Victor
Prouve eine Aus-
nahmezu machen,
die wenigstens insofern eine
Neuerung bedeutet, als es zum
erstenmale ist, dass eine Toilette
im Salon ausgestellt wird, —
selbstverständlich abgesehen von
den durch ihre Trägerinnen vor-
geführten Toiletten, die beim
Vernissagepublikum die Haupt-
sehenswürdigkeiten der ganzen
Ausstellung bilden. Vermutlich
werden sich von nun an die
Damenkleider auch in Schau-
kästen eindrängen, und bei
Licht besehen, haben sie dazu ebenso gutes Recht
wie viele andere Dinge, die uns hier gezeigt werden.
Jedenfalls kann man dies von der Toilette Prouve's
sagen, die ein geschmackvolles Kunstwerk der Stickerei
ist. Der Künstler hat das ganze Kleid gewissennassen
in eine Landschaft oder wenigstens in eine Stimmung
verwandelt, in die Stimmung nämlich, die im Frühling
den Lustwandelnden am Ufer eines blumigen Flusses
besucht. Der untere Saum stellt Wasserlilien, Schilf
und Rohr dar in geschmackvoll angeordneten sanften
grünen, gelben und blauen Farben, während wellige
Silberlinien das Wasser andeuten. Die Schleppe ist

INITIAL
VON
H. SCHULTZE
BERLIN

ganz zur sanft belebten Silberwelle geworden, auf der
ein paar Blätter schwimmen, während buntschillernde
Libellen nachflattern. Ebenso ist an der Brust vorn
eine grosse Libelle befestigt, umgeben von rankenden
Blättern. Das Ganze ist wirklich recht duftig und
schön und verdient seinen Platz in einer Kunstaus-
stellung so gut wie die schon lange eingebürgerten
Schmucksachen. Gehen wir nun gleich zu diesen
über, so thun wir am besten, den Salon der Societe
nationale, wo sich die geschilderte Toilette befindet,
zu verlassen und den anstossenden Salon der Artistes
francais aufzusuchen, wo Lalique ausstellt. Der durch
die Weltausstellung in ganz Europa bekannt gewordene
Künstler bringt uns eine Überraschung: er hat das
farbige Email, das er mit Gold und edeln Steinen so
entzückend zu verbinden weiss, ganz aufgegeben und
sich dafür einem Material zugewandt, das seit gut
hundert Jahren sehr aus der Mode gekommen ist:
dem Achat. Diese neue Phase in der interessanten
Thätigkeit Lalique's verdient gerade in Deutschland
die allergrösste Aufmerksamkeit, denn in Deutschland
liegt der Mittelpunkt der Achatschleiferei und des
Achathandels der ganzen Welt. Leider machen die
Leute in Idar und Oberstein, deren Werkstätten und
Museen ich im vorigen Jahre besuchte, im allgemeinen
recht plumpe und unschöne Sachen, und es that mir
bei meinem Besuche leid, dass sich kein deutscher
Künstler dieser schönen Materie annehmen und damit
einem bedeutenden Erwerbszweige, der eine ganze
Gegend unseres Vaterlandes nährt, aufhelfen will.
Lalique zeigt jetzt den Weg, und ich hoffe sehr, dass
die Idarer, die wie in aller Welt, so auch in Paris
ihre Niederlagen und ihre Vertreter haben, seine Aus-
stellung gründlich beschauen und sich das dabei Ge-
lernte zu Nutzen machen. Lalique verwendet den
Achat nur in ganz dünnen transparenten Blättchen,
von feinen Goldäderchen durchzogen und eingefasst.
Bald benutzt er die graue Naturschicht und bringt
damit und mit weissen Perlen die zartesten und de-
likatesten Harmonien zu stände, bald ist sein Achat
ganz zart grün oder blau gefärbt. Seine Motive sucht

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