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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 12.1901

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Luthmer, Ferdinand: Möbel und Zimmereinrichtungen auf der Pariser Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.4878#0156

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BAROCKOITTER, AUFGENOMMEN VON GEORG BÖTTICHER, LEIPZIG

MÖBEL UND ZIMMEREINRICHTUNGEN AUF DER

PARISER AUSSTELLUNG

DIE illustrierte kunstgewerbliche Fachliteratur
in deutscher, französischer und englischer
Sprache, die in dem letzten Jahre eine un-
vorhergesehene Ausdehnung gewonnen, hat uns
in den Stand gesetzt, dem Stilwechsel, der sich in
dieser Zeit vollzogen hat, so eingehend zu folgen,
dass wohl niemand von der Pariser Weltausstellung
grosse Überraschungen auf diesem Gebiete erwarten
durfte. Wenn uns eine solche vorbehalten war, so war
sie im wesentlichen negativer Natur. Belgien, von
dem man eine führende Rolle erwartet hatte, fehlte
gänzlich; die Vertretung der deutschen Dekorations-
geschäfte war eine lückenhafte: grosse Centren, wie
Stuttgart, Mainz, Breslau blieben unvertreten. Der
Gesamteindruck, mit dem der neue Stil auftrat, war
nichts weniger als ein sieghafter. Die bekannten
Führer in Österreich, Deutschland, Frankreich und
Holland waren mit interessanten Experimenten er-
schienen, die teilweise, was Gelingen betraf, hinter
dem zurückblieben, was man an früheren Leistungen
kannte, teilweise Kühnheiten zur Schau stellten, die
an zündender Wirkung auf das Publikum häufig
versagten. Daneben trat die Innendekoration, die
sich an historische Stile in strenger Nachfolge an-
schloss, und eine andere Gruppe, die eigene Wege
suchte, ohne in die Bahnen des »neuen Stils« ein-
zulenken, so bedeutend und künstlerisch vollendet
auf, dass eine Besprechung der Möbel und Innen-
einrichtungen nicht umhin kann, zunächst diesen
letzteren Gruppen eine eingehendere Beachtung zu
widmen.

Der strenge Anschluss an die historischen Stile
war besonders in der französischen Abteilung der
Invaliden-Esplanade vertreten. In diesem Anschluss
hat die französische Möbelindustrie bisher ihre

führende Stellung in Europa gewonnen und be-
hauptet: wird man sich wundern dürfen, dass sie
diese nicht ohne weiteres preisgeben will? Von den
Kunsthandwerker-Dynastien her, die unter Ludwig XIV.,
XV. und XVI. im Louvre ihre Staatswerkstätten inne
hatten, besitzt Frankreich ein Erbe technischen Könnens,
das die übrigen Nationen mit ehrlichstem Fleiss, mit
umsichtiger Staatsfürsorge und der den Franzosen
so imponierenden Fachschul-Ausbildung noch nicht
völlig haben erreichen können.

In den äusseren Galerien des kleinen Kunst-
palastes und in den Centennal-Ausstellungen waren
die Prachtstücke aus dem Gardemeuble, den ver-
schiedenen Schlössern und Staatspalästen in Menge
vorgeführt und forderten zum Vergleich mit den
modernen Nachfolgern der Riesener, Caffieri, Bene-
mann, Oeben, Schwertfeger u. s. w. heraus. Ein be-
merkenswerter Zug ist die Treue, mit welcher sich
die heutigen Ebenisten, wenn sie in historischem
Stile arbeiten, an ihre Vorbilder halten — kein Eklek-
tizismus, kein Bastardstil, der seine Motive bald hier,
bald dort entnimmt: Aber auch die feine Empfindung
für die farbige Zusammenstimmung der verschiedenen
Holzarten, der Vergoldung der Bronze, der Bezüge
hat man von den alten Meistern geerbt; ebenso wie
die unnachahmliche Vergoldung des Holzes und die
Ciselierung des reichlich verwendeten Metallschmucks.
In der Schnitzerei haben die Franzosen eine für
unser, an frischen, energischen Schnitt gewöhntes
Auge nicht immer verständliche Ausdrucksweise,
die weiche, schmiegsame, verschliffene Formen be-
vorzugt.

In beinahe erdrückender Menge folgten sich in
der französischen Abteilung die Kabinette der Möbel
in historischem Stil; die Übermenge des von den
 
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