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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 12.1901

DOI Artikel:
Joel, Eduard: Kunstgewerbliche Synagogenschätze
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https://doi.org/10.11588/diglit.4878#0149

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OTTO QEERKC JJ.

KUNSTGEWERBLICHE

DIE Kunst im Dienste der Religion ist
ein so oft und so gern behandeltes
Thema, dass es Erstaunen erwecken
muss, auch in ausführlichsten Spezialwerken
keine Andeutung zu finden, wie sich Kunst
und Kunsthandwerk in den letzten Jahrhun-
derten zum jüdischen Kultus stellten.

Freilich, die Synagogenbauten der letzten
Jahrzehnte'werden erwähnt, über den Tempel
Salomo's kam erst vor einigen Jahren ein
Prachtwerk in Paris heraus, aber sonst herrscht
Schweigen überall, höchstens lässt sich der
Stossseufzer vernehmen, die jüdische Religion
verbiete ihren Bekennern, sich in den bildenden
Künsten praktisch zu bethätigen.

Es ist wahr, in keinerlei Stoff durfte ein
Gott darstellendes Bildnis hergestellt werden.
Wie herrlich war aber dennoch der Tempel
Salomo's geschmückt! Denn so wenig das
gleiche Verbot in den islamitischen Gottes-
häusern die Entwickelung einer reichen De-
korationskunst beeinträchtigt hat, so auch bei
dem Salomonischen Tempel, über dessen Aus-
schmückung sich die Bibel in ausführlichen,
beinahe phantastischen Beschreibungen er-
geht. Zwei, mehr als zehn Meter hohe,
kupferne Säulen standen zu jeder Seite des
Einganges; Schaft und Kapital reich mit Schnü-
ren, Granatäpfeln und Blattwerk verziert, ver-
einigten sie sich oben zu einer gleichfalls aus
Kupfer getriebenen, mächtigen Rosenlaube,
unter welcher man den Tempel betrat. Waren
die massigen Steinquader an der Aussenseite
ganz mit Cedernholz belegt, in welches von
Rosetten gehaltene Gehänge von offenen Blu-
men geschnitzt waren, so boten die Cedern-
holzwände der inneren Halle einen blendenden

Kunstjtewerbeblatt. N. F. XII. H. 8.

SYNAGOGENSCHATZE

Anblick durch die Belegung mit Goldplatten.
Von Gold waren Fussboden und Thüren, reiche
Friese von Blumengehängen, Engelsgestalten
und Palmen zogen sich an allen Wänden umher.

Heute giebt es nur schwache Versuche,
die dem Gottesdienst geweihten Räume zu
schmücken, und doch liegen gar manche Schätze
in den Hallen der sehr oft hinter versteckt
liegenden, unschönen Häusern befindlichen Bet-
häuser. Dieses ängstliche Versteckthalten, nicht
etwa schlechter Wille ist der Hauptgrund, dass
die kunstgewerblichen Gegenstände der Syna-
gogen unbeobachtet blieben. Betrat selbst ein
Unberufener zufällig den Betsaal, dann sah es
in demselben so unansehnlich, fast ärmlich aus,
wie nur Aschenbrödel in der Herdasche aus-
sehen konnte. Aber wenn der König ein Fest
giebt, dann schmückt sich Aschenbrödel; kost-
bare Wandbehänge, silberne Leuchter und
Kronen, Kannen und Becken kommen zum Vor-
schein, Gehänge von frischen Blumen duften er-
frischend, an Stellederärmlichen Decken kommen
reichgestickte auf kurze Zeit ans Licht, um mit
dem Ausgang des Festes wieder zu verschwinden.

Doch wem verdankt das Aschenbrödel im
Märchen seinen Glanz? Dem Bäumchen, das
es auf der Mutter Grab gepflanzt und mit
seinen Thränen begossen hat. Ähnlich verdankt
auch das jüdische Volk seinen Ruhm und
Schmuck der Pietät und der Pflege des ihm
anvertrauten Gesetzbuches, und eine Abschrift
desselben ist auch der Mittelpunkt, um welchen
sich ein sehr grosser Teil der Kunstbethätigung
in der Synagoge dreht.

An bevorzugtester Stelle wird diese auf
Pergament geschriebene Gesetzesabschrift, Tora-
Rolle genannt, aufbewahrt. An der dem Ein-

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