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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 12.1901

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Kurzwelly, Albrecht: Die Erwerbungen des Leipziger Kunstgewerbe-Museums auf der Pariser Weltausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.4878#0134

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DIE ERWERBUNGEN DES LEIPZIGER KUNSTGEWERBE-
MUSEUMS AUF DER PARISER WELTAUSSTELLUNG

Von Albrecht Kurzwelly.

HEISSER noch als auf früheren Weltausstellungen
entbrannte auf der jüngsten der Wettkampf
der deutschen Museen um die hervorragenden
Schöpfungen des Kunsthandwerkes. Imponierend
geradezu trat dieser Wettbewerb in die Erscheinung,
nicht am wenigsten für die Franzosen, die allerdings
die gross angelegte und mit feinem Geschmack
waltende Sammelthätigkeit der Union Centrale des
arts decoratifs dagegen ins Feld führen konnten.
Selbst dem Laien musste unsere Kauflust auffallen.
Fand er doch in einzelnen Abteilungen der Palais
auf/der Invalidenesplanade beinahe Schritt für Schritt
denyjNamen eines deutschen Museums auf den die
Neugierde weckenden weissen Zetteln mit dem stolzen
»Vendu«. Und sah er doch neben den allenthalben
bekannten grossen Kunstgewerbemuseen, wie dem
Berliner und dem Hamburger, auch solche, die erst
neuerdings eine lebhaftere Thätigkeit entfaltet haben,
als eifrige Käufer auftreten.

Zum grössten Teil haben unsere Museen in-
zwischen die in Paris eingeheimsten Schätze geborgen
und dem Urteil des Publikums unterbreitet, das mit
Entzücken so gut wie mit Befremden die Dinge be-
staunt, die die verflossenen Wunder des Pariser
Weltjahrmarkts ahnen lassen. Für Freunde wie für
Kenner der Kunst ist es von grossem Interesse, diese
bleibenden Erinnerungen an den internationalen Wett-
bewerb der Jahrhundertwende auf die Art ihrer Zu-
sammenstellung und ihre Qualität hin ins Auge zu
fassen, zuzusehen, von welchen Gesichtspunkten aus
und in welcher Richtung unsere Museen in Paris
gesammelt haben. Von besonderem Interesse ist es
aber, die Pariser Ankäufe der jüngeren Gewerbe-
museen in den grossen Handels- und Industriecentren,
wo eine unmittelbare künstlerische Förderung ein-
heimischer Produktion denkbar ist, und wo es sich
mehr als anderswo darum handelt, dem künstlerischen
Fortschritt im Publikum und in der Praxis die Wege
zu bahnen, auf ihre Art und Qualität zu prüfen.
In diesem Sinne darf die Auswahl des Leipziger
Kunstgewerbemuseums, auf die im folgenden durch
Wort und Bild hingewiesen werden soll, mit in erster

Linie Beachtung beanspruchen. Wenn auch nur
von massigem Umfang, hat sie doch ein mehr als
lokales Interesse. Unter den etwa 120 Gegenständen,
die sie enthält, befinden sich eine ganze Anzahl
Dinge, die auch ausserhalb der Mauern Leipzigs die
Aufmerksamkeit auf sich lenken würden, Arbeiten,
die zu den auffallenden und vielbegehrten Er-
scheinungen der kunstgewerblichen Paläste der Aus-
stellung gehörten. Allein nicht nur in einzelnen
Stücken vermag sie einer anspruchsvollen Beurteilung
der Kenner stand zu halten. Das »PAUC1S MULTA«,
das auf einem zierlichen Zinnbecher von Brateau zu
lesen ist, der mit in ihr enthalten ist, passt auf die
gesamte Auswahl, die das Leipziger Museum in Paris
getroffen hat. Sie zeigt das moderne Sammel-
prinzip, an erster Stelle die künstlerische Qualität,
den absoluten künstlerischen Wert entscheiden zu
lassen, den freilich nur fachmännisches Urteil und
ein in der Anschauung des Besten geschultes Auge
erkennt, in konsequentester Durchführung. Nirgends
macht sich jene kleinliche Rücksicht auf das nächste
praktische Bedürfnis bemerkbar, die im Kunstwerk
nur ein Vorbild sucht, das sich bequem nachahmen
lässt, und auf diese Weise der kurzsichtigen Scheu
vor Modellspesen und vor selbständigem Denken und
Erfinden Vorschub leistet.

Die deutschen Kunstgewerbemuseen hatten umso-
mehr Anlass, bei der Ausnutzung der jüngsten Welt-
ausstellung ihre Ansprüche so hoch wie möglich zu
schrauben, als sie die Erfahrungen, die sie mit den
Erwerbungen auf früheren Welt- und Fachausstel-
lungen gemacht hatten, zur Vorsicht mahnten. Das
Leipziger Museum hat nach dieser Seite hin keine
besseren Erfahrungen gemacht als die Schwesteranstalten.
Das, was es an neuen Arbeiten den Weltausstellungen
von 1873 und 1878 und der Münchener Kunst-
gewerbeausstellung von 1876 entnommen hat, — es
sind u. a. verschiedene bazarmässige Erzeugnisse des
Orients, chinesische und japanische Porzellane und
Metallsachen, überdekorierte englische und französische
Kunsttöpfereien, Bauerntöpfereien und venezianische
und Wiener Gläser —, das hat heute zum grössten
 
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