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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 12.1901

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Luthmer, Ferdinand: Möbel und Zimmereinrichtungen auf der Pariser Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.4878#0157

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MÖBEL UND ZIMMEREINRICHTUNGEN AUF DER PARISER AUSSTELLUNG

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POSTAMENT, ENTWORFEN VON ED. SIEDLE,
BÜSTE VON JOH. SCHICHTMEYER

Franzosen beanspruchten Raumes hatte auch hier
die üble Folge gehabt, dass manches Minderwertige,
was man jahraus jahrein in den Magazinen des
Viertels um St. Germain sehen kann, in den an-
spruchsvollen Rahmen der Ausstellung hineingezogen
war. Daneben aber Leistungen ersten Ranges: die
Prunkmöbel von Linke im Louis-quinze-Stil, die
meist den Regence- und Louis-seize-Möbeln aus
Staatsbesitz treu nachgebildeten Arbeiten von Dämon
& Colin, Paul Sormani, Martin, H. Nelson, der durch
das Palais Soubise inspirierte Salon von P. H. Remon
waren jedes in seiner Art ebenso mustergültig, wie
die Empire-Einrichtungen von Gaittet, Ch. Jeanseime,
Jemont und Schmidt. Dieser reichen Produktion
gegenüber empfing man den Eindruck, dass die fran-
zösische Gesellschaft noch nicht daran denkt, ihre
Vorliebe für den vornehmen Louis-seize-Stil zu Gunsten
des »Art nouveau« aufzugeben.

Dass die in gleicher Richtung gehenden Versuche
unserer Berliner Ebenisten, die den Bestellungen des
kaiserlichen Hofes ihre erste Anregung verdankten,
sich neben den französischen Arbeiten wohl behaupteten,
sei hier mit voller Anerkennung ausgesprochen. Die
in den beiden Seitennischen des Ehrenhofs aufgestellten
Barock-MÖbel, an denen die Schreiner Zwiener, G. Olm,
der Bildhauer Taubert und Ad. Hoffmann, Ciseleur
Rohloff, Gürtler Preetz beteiligt waren, während die
Wandteppiche von Ziesch als erste grössere Be-
thätigung Berlins auf dem Gebiet der Bildwirkerei
angenehm überraschten, dürfen in ihrer Art als Lei-
stungen ersten Ranges bezeichnet werden. Nicht min-
dere Anerkennung verdienten die Zimmer im Deutschen
Hause, welche den französischen Kunstwerken aus
dem Besitze des Kaisers als stimmungsvoller Rahmen
dienten.

Charakteristisch für die Pariser Ausstellung war
das fast vollständige Verschwinden des so beliebten
»Deutschen Renaissance-Zimmers«, welches noch auf
den letztjährigen deutschen Lokalausstellungen seinen
seit einem Vierteljahrhundert gewohnten Platz be-
hauptete. Die vorzüglich ausgeführten Schmuck-
portale des Karlsruhers Himmelheber für das Heidel-
berger Schloss nach Entwurf des Baurats Schäfer
trugen ihre Berechtigung in ihrer Bestimmung. Sauer-
mann's Zimmer in niederdeutscher Renaissance fesselte
den Beschauer durch so viele feine, den alten
Vorbildern abgelauschte Züge, dass man es als ein-
zigen Vertreter einer verschwindenden Richtung gern
begrüsste und die ungenügende Beleuchtung bedauerte.
In Österreich boten das steyrische Zimmer und das
Salzburger Interieur Beispiele dieser historisch ge-
wordenen Geschmacksrichtung. Die von den öster-
reichischen Fachschulen mit bemerkenswertem Auf-
wand ausgeführten Kopien eines Rokoko-Raumes
aus Schönbrunn und eines Empire-Saales aus einem
Wiener Ministerium zeigten, mit den oben er-
wähnten deutschen Versuchen verglichen, eine ge-
wisse Trockenheit.

Eine eigene Stellung zu den historischen Stilen
nimmt München ein, auf der Ausstellung vertreten
durch die Räume der Brüder Emanuel und Gabriel
 
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