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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 9.1914

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284 BESPRECHUNGEN.

zwischen dem Geschmack der Führer und demjenigen ihrer Zeit. Die gegenwärtige
Entartung, die Verirrung zum Kubismus und Futurismus wird als eine Folge der
Vorspiegelung falscher Ideale hingestellt. Auch die Photographie, insofern sie rich-
tige Zeichnung zum Gemeingut und somit banal gemacht hat, habe dazu mit-
gewirkt.

Man sieht, die Disposition läßt zu wünschen übrig; und manche der aufge-
stellten Sätze, die die Kunst zu einer Art von Sport herabzuwürdigen scheinen, sind
wohl unschwer zu widerlegen. Aber im ganzen ist in diesem Buch ein scharfer
Beobachter und ein seiner Kunst kundiger Maler zum Wort gekommen.

Heidelberg.

Adolf Mayer.

Henri Bergson, Das Lachen. (Übersetzt von J. Franken-Berger und W. Fränzel.)
Diederichs, Jena 1914. 134 S.

Das vorliegende Buch gibt nicht, wie vielleicht mancher nach dem Titel ver-
muten könnte, eine Plauderei über das Lachen, sondern gibt gründliche wissen-
schaftliche Arbeit über die soziale Funktion des Lachens, über die »wichtigsten
,Kategorien' des Komischen« — wie das Vorwort selbst ergänzend sagt — und
über das Lustspiel insonderheit. Ja, es dürfte die in methodischer und inhaltlicher
Hinsicht bedeutsamste Bearbeitung dieser Gegenstände sein und noch darüber
hinaus interessante Streiflichter auf Tragödie und Kunst überhaupt werfen.

Das methodisch Bedeutsame liegt darin, daß Bergson nicht in erster Linie auf
eine möglichst einfache Erklärung des Komischen oder gar eine schlichte Definition
desselben ausgeht, sondern darauf: in möglichster Vollständigkeit allen Arten
des Komischen gerecht zu werden, und daß er nach dem Auffinden des fruchtbarsten
Ausgangspunktes auch solche Fälle, die sich nicht ohne weiteres unter die dort zu
gewinnende Charakterisierung des Komischen »subsumieren« lassen, auf einem
indirekten Wege auf denselben zurückzuführen weiß, indem er die assoziative Über-
tragung dieses Charakters der Komik von einer Erscheinungsform auf eine nächst-
verwandte und so fort als das Prinzip aufweist, das die Vermittlung zu über-
nehmen hat.

Die »leitende Idee« seiner Untersuchung ist es: die soziale Funktion des
Lachens zu bestimmen, da die Voruntersuchung lehrt, daß Komik nur in der
»menschlichen Sphäre«, und zwar nur vorkommt, wenn der »Intellekt« unter »zeit-
weiliger Anästhesie des Herzens« »mit fremden Intellekten kommuniziert«, »wenn
eine Anzahl als Gruppe zusammengehöriger Menschen ihre Aufmerksamkeit alle
auf einen lenken, ihr Gefühl beiseite schieben und lediglich ihren Intellekt spielen
lassen«.

Als Prototyp aber für alle Komik und daher als geeignetster Ausgangspunkt
erscheint ihm der Zerstreute, d.h. derjenige, der in unsozialer Weise unfähig ist,
sich den wechselnden Ansprüchen des Lebens anzupassen, weil seine Gedanken,
wie bei dem Gelehrten und Verliebten, einer perseverierenden, »fixen« Idee nach-
hängen, gleichgültig ob sich diese Zerstreutheit in Stolpern über Hindernisse, An-
rennen von Personen und anderen körperlichen Ungeschicklichkeiten, oder in
verkehrten Antworten, unbemerkten Zweideutigkeiten, Verwechslung von Personen
und derartigen mehr geistigen Versehen äußert.

In allen diesen Fällen verdankt das Lachen nach Bergson dem (meist unbe-
wußten) Bedürfnis seinen Ursprung: diese sonst nicht strafbaren und der Gesell-
schaft doch nicht ungefährlichen Einzelverfehlungen und Absonderungstendenzen
origineller Individuen oder eigenartiger Berufsklassen auf harmlose und doch emp-
 
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