Die Pfaueninsel bei Potsdam
Denkmalpflegerische Erhaltungs- und Instandsetzungskonzepte und Möglichkeiten ihrer Durchsetzung
durch öffentlichkeitswirksame Überzeugungsarbeit
Michael Seiler
Kurze Beschreibung der Geschichte und
des Zustandes des Gartens
Vor nahezu 200 Jahren, am 12. November 1793, erweiterte der
Neffe und Nachfolger Friedrichs des Großen, Friedrich Wilhelm II.,
den an den Ufern des heiligen Sees in Potsdam gelegenen Neuen
Garten durch Kabinettsorder um die in vier Kilometer Entfernung
in der Havel gelegene Pfaueninsel, damals noch Kaninchenwerder
genannt, eine 67 ha große Insel, die zum Muttergarten in Sicht-
beziehung steht. Die Entdeckung der Südseeinseln und die dort
in Natur und Gesellschaft vorgefundenen paradiesischen Verhält-
nisse inspirierten die Vorstellungswelt des ausgehenden 18. Jahr-
hunderts. Daß sich mit der Pfaueninsel solche Sehnsüchte und
Träume verbanden, beweist das Otaheitische Kabinett im Schlöß-
chen Pfaueninsel (Abb. 1). Maxime der ersten Inselgestaltung war
die Bewahrung des Wildnishaften. Ihr Kern mit etwa 400 Uralt-
Eichen blieb, sieht man von einer Scheune und einem Wegekreuz
ab, unberührt, gleichsam Wildnis. Nur die dem Neuen Garten
zugewandte Westspitze (Abb. 2) und das sumpfig-flache Nord-
ostende der Insel wurden mit Bauwerken versehen. Der Fach-
werkbau des Schlosses wurde im Frühjahr 1794 begonnen, und,
mit Ausnahme der Türme, war das Gebäude im Herbst desselben
Jahres einschließlich der Deckenmalereien fertiggestellt. Die Wahl
des Bauplatzes erklärt sich aus dem Wunsch, das „römische
Landhaus" als ferne Vedute von der Umgebung des Marmorpa-
lais' aus erleben zu können und der Insel von dieser Seite her ein
unverwechselbares Attribut zu verleihen. Die Anregung, ein zwei-
türmiges, durch eine Brücke verbundenes Gebäude auf dem
hohen Ufer der Insel zu errichten, scheint durch eine Ansicht der
Insel Capri im 3. Band der Voyage pittoresque ou description des
Royaumes de Neaples et Sicile des Abbe Richard de Saint-Non
inspiriert zu sein. So mag man in der Pfaueninsel zugleich mit
Tahiti einen Abglanz des schönen Capri gesehen haben. Zu den
römischen Motiven zählt auch der ursprünglich im Zentrum einer
regelmäßig angelegten Baumschule stehende Brunnen (seit Lenne
nach 1816 die Baumschule aufhob, begrenzt der Brunnen den
Rand der „Großen Sicht"). Er wurde mit der Maske einer Ruinen-
architektur verkleidet, den Resten des Tempels des Sol (heute als
Serapistempel identifiziert). Möglicherweise sollte mit dieser
mythischen Verbindung von Wasser und Sonne das Gedeihen der
Baumschule gefördert werden. Gleichzeitig mit dem „römischen
Landhaus" entstand am Ostufer in 1,5 Kilometer Entfernung jen-
seits des wilden Eichenwaldes auf feuchtem Wiesenland die Mei-
erei. Sie imitiert die damals in der Mark Brandenburg häufig
anzutreffende Situation, daß in den teilweise ruinösen Gebäuden
einer säkularisierten Klosteranlage eine Domäne oder Bauernwirt-
schaft Einzug gehalten hat. Am Landungssteg entstand 1796 das
Wohnhaus des Kastellans. Von der Höhe des anderen Ufers gese-
hen ergänzt das ockerfarbene Haus das weiß darüber thronende
Schloß zu einer bühnenbildhaften Komposition des Themas Burg
und Dorf. Durch den hohen Baumwuchs ist dieses später noch
durch das Fährhaus und das Schweizer Haus bereicherte Bild
heute nur noch im Winter erlebbar.
Charakteristisch für die landschaftliche Gestaltung war die
Erhaltung der etwa 400 Wipfel zählenden altehrwürdigen, teil-
weise bereits ruinösen Eichen. Dies macht der erste Gartenplan
mit der individuellen Darstellung dieser Bäume deutlich. Nach
dem Tod Friedrich Wilhelms II. im Jahre 1797 wurde die Insel zum
Lieblingsaufenthalt Friedrich Wilhelms III. und der Königin Luise,
bot sie doch die ländliche Zurückgezogenheit, die das Paar an
seinem Gut Paretz so liebte. Die Insel erfuhr nun nach Paretzer
Vorbild ihre Umwandlung in eine ästhetisch geprägte Landwirt-
schaft, eine ferme ornee. Diese Umgestaltung vollzog Joachim
Anton Ferdinand Fintelmann, der seit 1804 Hofgärtner auf der
nun eigenständigen Pfaueninsel war. Fintelmanns Feldbestellungs-
plan von 1810 zeigt sechs nach landschaftsgärtnerischen Vorstel-
lungen aus dem bisherigen Waldgelände herausgehauene Felder,
die, ohne Brache in Fruchtwechselwirtschaft bestellt, ein königli-
1 Schloß Pfaueninsel, Otaheitisches Kabinett, P. L. Lütke, 1795: Darstellung
der Westspitze der Insel mit tropischer Vegetation.
ches Muster der Thaerschen Landwirtschaftsreformen darstellen.
Durchsetzt sind diese Felder mit den wohlbekannten Eichenvete-
ranen, die sämtlich erhalten blieben. Mit dieser Gestaltung nähert
sich die Insel dem Vorbild Wörlitz mit seiner engen Verzahnung
von Park und landwirtschaftlicher Nutzfläche.
1816 erhielt Hofgärtner Fintelmann den Auftrag, unter Hinzu-
ziehung des erst in jenem Jahr vom Rhein nach Potsdam berufe-
nen Garteningenieurs Lenne, die Insel als Landschaftspark zu
gestalten. Der als Reformer herbeigeholte Lenne wurde in den
Potsdamer Hofgärtnerkreisen durchaus nicht mit Begeisterung
und Wohlwollen aufgenommen. Fintelmann, der Hofgärtner der
Pfaueninsel, selbst ein fähiger Landschaftsgärtner, war entgegen-
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Denkmalpflegerische Erhaltungs- und Instandsetzungskonzepte und Möglichkeiten ihrer Durchsetzung
durch öffentlichkeitswirksame Überzeugungsarbeit
Michael Seiler
Kurze Beschreibung der Geschichte und
des Zustandes des Gartens
Vor nahezu 200 Jahren, am 12. November 1793, erweiterte der
Neffe und Nachfolger Friedrichs des Großen, Friedrich Wilhelm II.,
den an den Ufern des heiligen Sees in Potsdam gelegenen Neuen
Garten durch Kabinettsorder um die in vier Kilometer Entfernung
in der Havel gelegene Pfaueninsel, damals noch Kaninchenwerder
genannt, eine 67 ha große Insel, die zum Muttergarten in Sicht-
beziehung steht. Die Entdeckung der Südseeinseln und die dort
in Natur und Gesellschaft vorgefundenen paradiesischen Verhält-
nisse inspirierten die Vorstellungswelt des ausgehenden 18. Jahr-
hunderts. Daß sich mit der Pfaueninsel solche Sehnsüchte und
Träume verbanden, beweist das Otaheitische Kabinett im Schlöß-
chen Pfaueninsel (Abb. 1). Maxime der ersten Inselgestaltung war
die Bewahrung des Wildnishaften. Ihr Kern mit etwa 400 Uralt-
Eichen blieb, sieht man von einer Scheune und einem Wegekreuz
ab, unberührt, gleichsam Wildnis. Nur die dem Neuen Garten
zugewandte Westspitze (Abb. 2) und das sumpfig-flache Nord-
ostende der Insel wurden mit Bauwerken versehen. Der Fach-
werkbau des Schlosses wurde im Frühjahr 1794 begonnen, und,
mit Ausnahme der Türme, war das Gebäude im Herbst desselben
Jahres einschließlich der Deckenmalereien fertiggestellt. Die Wahl
des Bauplatzes erklärt sich aus dem Wunsch, das „römische
Landhaus" als ferne Vedute von der Umgebung des Marmorpa-
lais' aus erleben zu können und der Insel von dieser Seite her ein
unverwechselbares Attribut zu verleihen. Die Anregung, ein zwei-
türmiges, durch eine Brücke verbundenes Gebäude auf dem
hohen Ufer der Insel zu errichten, scheint durch eine Ansicht der
Insel Capri im 3. Band der Voyage pittoresque ou description des
Royaumes de Neaples et Sicile des Abbe Richard de Saint-Non
inspiriert zu sein. So mag man in der Pfaueninsel zugleich mit
Tahiti einen Abglanz des schönen Capri gesehen haben. Zu den
römischen Motiven zählt auch der ursprünglich im Zentrum einer
regelmäßig angelegten Baumschule stehende Brunnen (seit Lenne
nach 1816 die Baumschule aufhob, begrenzt der Brunnen den
Rand der „Großen Sicht"). Er wurde mit der Maske einer Ruinen-
architektur verkleidet, den Resten des Tempels des Sol (heute als
Serapistempel identifiziert). Möglicherweise sollte mit dieser
mythischen Verbindung von Wasser und Sonne das Gedeihen der
Baumschule gefördert werden. Gleichzeitig mit dem „römischen
Landhaus" entstand am Ostufer in 1,5 Kilometer Entfernung jen-
seits des wilden Eichenwaldes auf feuchtem Wiesenland die Mei-
erei. Sie imitiert die damals in der Mark Brandenburg häufig
anzutreffende Situation, daß in den teilweise ruinösen Gebäuden
einer säkularisierten Klosteranlage eine Domäne oder Bauernwirt-
schaft Einzug gehalten hat. Am Landungssteg entstand 1796 das
Wohnhaus des Kastellans. Von der Höhe des anderen Ufers gese-
hen ergänzt das ockerfarbene Haus das weiß darüber thronende
Schloß zu einer bühnenbildhaften Komposition des Themas Burg
und Dorf. Durch den hohen Baumwuchs ist dieses später noch
durch das Fährhaus und das Schweizer Haus bereicherte Bild
heute nur noch im Winter erlebbar.
Charakteristisch für die landschaftliche Gestaltung war die
Erhaltung der etwa 400 Wipfel zählenden altehrwürdigen, teil-
weise bereits ruinösen Eichen. Dies macht der erste Gartenplan
mit der individuellen Darstellung dieser Bäume deutlich. Nach
dem Tod Friedrich Wilhelms II. im Jahre 1797 wurde die Insel zum
Lieblingsaufenthalt Friedrich Wilhelms III. und der Königin Luise,
bot sie doch die ländliche Zurückgezogenheit, die das Paar an
seinem Gut Paretz so liebte. Die Insel erfuhr nun nach Paretzer
Vorbild ihre Umwandlung in eine ästhetisch geprägte Landwirt-
schaft, eine ferme ornee. Diese Umgestaltung vollzog Joachim
Anton Ferdinand Fintelmann, der seit 1804 Hofgärtner auf der
nun eigenständigen Pfaueninsel war. Fintelmanns Feldbestellungs-
plan von 1810 zeigt sechs nach landschaftsgärtnerischen Vorstel-
lungen aus dem bisherigen Waldgelände herausgehauene Felder,
die, ohne Brache in Fruchtwechselwirtschaft bestellt, ein königli-
1 Schloß Pfaueninsel, Otaheitisches Kabinett, P. L. Lütke, 1795: Darstellung
der Westspitze der Insel mit tropischer Vegetation.
ches Muster der Thaerschen Landwirtschaftsreformen darstellen.
Durchsetzt sind diese Felder mit den wohlbekannten Eichenvete-
ranen, die sämtlich erhalten blieben. Mit dieser Gestaltung nähert
sich die Insel dem Vorbild Wörlitz mit seiner engen Verzahnung
von Park und landwirtschaftlicher Nutzfläche.
1816 erhielt Hofgärtner Fintelmann den Auftrag, unter Hinzu-
ziehung des erst in jenem Jahr vom Rhein nach Potsdam berufe-
nen Garteningenieurs Lenne, die Insel als Landschaftspark zu
gestalten. Der als Reformer herbeigeholte Lenne wurde in den
Potsdamer Hofgärtnerkreisen durchaus nicht mit Begeisterung
und Wohlwollen aufgenommen. Fintelmann, der Hofgärtner der
Pfaueninsel, selbst ein fähiger Landschaftsgärtner, war entgegen-
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