Die Erhaltung von Stadtplätzen, Villen- und Landhausgärten.
Arbeitsschwerpunkte der Gartendenkmalpflege in Berlin
Klaus von Krosigk
Gartenkultur als Teil der Stadtkultur
Geschichte und Kultur von Stadt und Land sind nicht allein in Kir-
chen, Schlössern, Burgen, Bürgerbauten oder in Denkmälern der
Industrie und der Technik anschaulich, sondern auch in den histo-
rischen Gärten und Grünanlagen. Oft entstanden sie in untrenn-
barer Einheit mit der Architektur. In der „Charta von Florenz"
(1981) heißt es in Artikel 2 dazu: „Der historische Garten ist ein
Bauwerk, das vornehmlich aus Pflanzen, also aus lebendem
Material, besteht, folglich vergänglich und erneuerbar ist. Sein
Aussehen resultiert aus einem ständigen Kräftespiel zwischen jah-
reszeitlichem Wechsel, natürlicher Entwicklung und naturgegebe-
nem Verfall einerseits, und künstlerischem sowie handwerklichem
Wollen andererseits, die darauf abzielen, einen bestimmten
Zustand zu erhalten." Mit ihren Denkmalschutzgesetzen tragen
viele deutsche Bundesländer dieser Überlegung Rechnung, indem
sie von einem erweiterten Denkmalbegriff ausgehen und erstma-
lig auch den historischen Garten/Freiraum als ein den Baudenk-
mälern gleichrangiges und selbständiges Kunst- und Kulturdenk-
mal anerkennen, und zwar unabhängig davon, ob es sich um
ehemals fürstliche Parkanlagen, städtische Parks oder Plätze, ehe-
malige Gutsparks, Dorfauen, Friedhöfe, Siedlungs- und Innenhof-
gärten, Villen- oder Landhausgärten handelt.
Bis zu diesem Zeitpunkt war der historische Garten als Denk-
mal eigener Kunstkategorie ein vernachlässigter, von der Verwal-
tung kaum behandelter und im öffentlichen Bewußtsein bis auf
wenige Ausnahmen weitgehend nicht mehr existierender Teil des
historischen Erbes. Die Eigenständigkeit historischer Anlagen, ihre
Denkmaleigenschaft sui generis, ist im übrigen heute herrschende
fachliche Auffassung.
Der historische Garten veranschaulicht nicht nur das zeittypi-
sche Verhältnis des Menschen zur Natur; er ist ebenso Teil der
Identität der Stadt und ihrer Unverwechselbarkeit. Wie ein histori-
sches Bauwerk ist er erlebbarer Teil ihrer geschichtlichen Entwick-
lung, Dokument ihrer gesellschaftlichen und politischen Verhält-
nisse, Erinnerungs- und Informationsstätte. Vielfach ist er reprä-
sentativer Teil der Stadt, dabei auch touristisches Ziel, über die
Stadt hinaus bekannter Merkpunkt. Er ist zugleich erlebnisreich
gestalteter Erholungs- und Bildungsraum und nicht zuletzt im
engeren Lebensumfeld ortstypische grüne Mitte, mit der sich der
Bürger zu identifizieren vermag. Damit ist er notwendiger
Bestandteil eines vielseitigen städtischen Beziehungsgefüges und
sichtbarer Ausdruck einer organisch gewachsenen Stadtkultur.
Der historische Garten fasziniert durch seine Individualität und
provoziert dadurch in einer Zeit, in der Banalisierung, reines
Zweckdenken und Uniformität regieren, die Frage nach der
Gestalt- und damit Lebensqualität unseres heutigen und künfti-
gen städtischen Lebensraumes.
Bereits Ende der sechziger Jahre, verstärkt seit Mitte der sieb-
ziger Jahre, wuchs die Erkenntnis, daß man sich der vernachläs-
sigten Innenstadt zuwenden müsse, nicht mehr im Sinne von
totalem Abriß und Neuaufbau, sondern durch „Reparatur" der so
lange pauschal verdammten Stadt des 19. Jahrhunderts. Der
geschichtlichen Entwicklung der Stadt und ihrem Wert für das
heutige Leben wurde ein entschieden höherer Wert beigemessen,
wobei die Frage der Kontinuität und Authentizität ebenfalls
außerordentlich an Bedeutung gewonnen hat. Es wuchs zugleich
die Erkenntnis, daß der Schutz des einzelnen Baudenkmals ohne
Beachtung des Umgebungsschutzes zur Maßstabslosigkeit und
teilweise zu erheblichem Werteverlust führt. Die wissenschaftlich-
konservatorisch begründete städtebauliche Denkmalpflege weiß
sich zunehmend dem Ensembleschutz verpflichtet, so daß wich-
tige Fragestellungen, Wettbewerbe und konkrete städtebauliche
Aufgaben heute nicht mehr ohne den völlig gleichberechtigt
agierenden Gartendenkmalpfleger bearbeitet werden. Dieser
Erkenntnisprozeß spiegelt sich nicht nur in einer inzwischen weit-
gehend anerkannten, differenzierten konservatorischen Arbeitstei-
lung wider, sondern auch in der allgemeinen staatlichen Zuwen-
dung, das heißt, im Rahmen der Städtebauförderung wird
immerhin außer den traditionellen Dächern, Fenstern, Fassaden...
auch „die Wiederherstellung von Straßen, Wegen und Plätzen"
gefördert.
Da der historische Freiraum nicht rein innenbezogen gesehen
werden kann, sondern in sein städtisches und landschaftliches
Umfeld eingebunden ist, nimmt die Gartendenkmalpflege Einfluß
auf die Stadt-, Regional-, Landschafts- und sonstigen Fachplanun-
gen. Die Arbeit der Gartendenkmalpflege ist stets im städtebauli-
chen Kontext zu sehen und umfaßt auch: fachlich-denkmalpfle-
gerische Beurteilung von Bebauungs- und Landschaftsplänen und
sonstigen Fachplanungen und Bauanträgen; Berücksichtigung
gartendenkmalpflegerischer Belange in Erhaltungsgebieten und
schützenswerten Baubereichen sowie Prüfung und fachliche Wer-
tung von Eingriffen bei Objekten, die zugleich unter Naturschutz
stehen.
Pflege und Entwicklung
Schutz und Pflege von Werken der Baukunst sind als gesellschaft-
liche Verpflichtung seit dem 19. Jahrhundert anerkannt. Die Aus-
einandersetzung um die Denkmaleigenschaft und die Erhaltung
historischer Freiräume setzte dagegen erst viel später ein: Um die
Jahrhundertwende nahm das Interesse zumindest an dem archi-
tektonischen Garten stark zu. Das Verständnis für seine Erhaltung
wuchs, unter anderem auch durch die Bemühungen der Natur-
und Heimatschutzbewegung. Der überwiegende Teil des garten-
kulturellen Erbes blieb jedoch ohne Schutz und Pflege. Man-
gelnde Zuwendung der breiten Öffentlichkeit zu historischen Gär-
ten bedingte einen schrittweisen Verfall der in Jahrhunderten
gewachsenen Gartenkultur. Seit den sechziger Jahren, insbeson-
dere aber nach dem Zweiten Weltkrieg, hatte eine rigorose Sanie-
rungs-, Neubau- und Verkehrspolitik einen nie dagewesenen Ver-
lust von historischen Freiflächen zur Folge; Bauwünsche hatten
absolute Priorität, der Straßenbau durchschnitt Gärten und Parks,
historisches Grün wurde als Baugelände parzelliert.
Die Einbeziehung historischer Gärten und Grünanlagen in die
in den siebziger Jahren erlassenen Denkmalschutzgesetze der
Bundesländer brachte die Grundlage für eine generelle Neuorien-
tierung.
Der historische Garten ist in seiner künstlerischen, geschichtli-
chen und städtebaulichen Entwicklung und Aussagekraft zu wer-
ten sowie daraus der Umgang mit dem Gartendenkmal abzulei-
ten. Da das Schutzgut sowohl aus weitgehend stabilen Elemen-
ten, wie Relief, Wegen, Mauern, Treppen, künstlerischen und son-
stigen Ausstattungsstücken, als auch aus vegetabilischen, den
Wachstumsprozessen unterworfenen Strukturen besteht, ist die
Umgehensweise in jedem Einzelfall neu zu definieren. Substanz-
schutz und Schutz des Erscheinungsbildes, aber auch die sorgfäl-
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Arbeitsschwerpunkte der Gartendenkmalpflege in Berlin
Klaus von Krosigk
Gartenkultur als Teil der Stadtkultur
Geschichte und Kultur von Stadt und Land sind nicht allein in Kir-
chen, Schlössern, Burgen, Bürgerbauten oder in Denkmälern der
Industrie und der Technik anschaulich, sondern auch in den histo-
rischen Gärten und Grünanlagen. Oft entstanden sie in untrenn-
barer Einheit mit der Architektur. In der „Charta von Florenz"
(1981) heißt es in Artikel 2 dazu: „Der historische Garten ist ein
Bauwerk, das vornehmlich aus Pflanzen, also aus lebendem
Material, besteht, folglich vergänglich und erneuerbar ist. Sein
Aussehen resultiert aus einem ständigen Kräftespiel zwischen jah-
reszeitlichem Wechsel, natürlicher Entwicklung und naturgegebe-
nem Verfall einerseits, und künstlerischem sowie handwerklichem
Wollen andererseits, die darauf abzielen, einen bestimmten
Zustand zu erhalten." Mit ihren Denkmalschutzgesetzen tragen
viele deutsche Bundesländer dieser Überlegung Rechnung, indem
sie von einem erweiterten Denkmalbegriff ausgehen und erstma-
lig auch den historischen Garten/Freiraum als ein den Baudenk-
mälern gleichrangiges und selbständiges Kunst- und Kulturdenk-
mal anerkennen, und zwar unabhängig davon, ob es sich um
ehemals fürstliche Parkanlagen, städtische Parks oder Plätze, ehe-
malige Gutsparks, Dorfauen, Friedhöfe, Siedlungs- und Innenhof-
gärten, Villen- oder Landhausgärten handelt.
Bis zu diesem Zeitpunkt war der historische Garten als Denk-
mal eigener Kunstkategorie ein vernachlässigter, von der Verwal-
tung kaum behandelter und im öffentlichen Bewußtsein bis auf
wenige Ausnahmen weitgehend nicht mehr existierender Teil des
historischen Erbes. Die Eigenständigkeit historischer Anlagen, ihre
Denkmaleigenschaft sui generis, ist im übrigen heute herrschende
fachliche Auffassung.
Der historische Garten veranschaulicht nicht nur das zeittypi-
sche Verhältnis des Menschen zur Natur; er ist ebenso Teil der
Identität der Stadt und ihrer Unverwechselbarkeit. Wie ein histori-
sches Bauwerk ist er erlebbarer Teil ihrer geschichtlichen Entwick-
lung, Dokument ihrer gesellschaftlichen und politischen Verhält-
nisse, Erinnerungs- und Informationsstätte. Vielfach ist er reprä-
sentativer Teil der Stadt, dabei auch touristisches Ziel, über die
Stadt hinaus bekannter Merkpunkt. Er ist zugleich erlebnisreich
gestalteter Erholungs- und Bildungsraum und nicht zuletzt im
engeren Lebensumfeld ortstypische grüne Mitte, mit der sich der
Bürger zu identifizieren vermag. Damit ist er notwendiger
Bestandteil eines vielseitigen städtischen Beziehungsgefüges und
sichtbarer Ausdruck einer organisch gewachsenen Stadtkultur.
Der historische Garten fasziniert durch seine Individualität und
provoziert dadurch in einer Zeit, in der Banalisierung, reines
Zweckdenken und Uniformität regieren, die Frage nach der
Gestalt- und damit Lebensqualität unseres heutigen und künfti-
gen städtischen Lebensraumes.
Bereits Ende der sechziger Jahre, verstärkt seit Mitte der sieb-
ziger Jahre, wuchs die Erkenntnis, daß man sich der vernachläs-
sigten Innenstadt zuwenden müsse, nicht mehr im Sinne von
totalem Abriß und Neuaufbau, sondern durch „Reparatur" der so
lange pauschal verdammten Stadt des 19. Jahrhunderts. Der
geschichtlichen Entwicklung der Stadt und ihrem Wert für das
heutige Leben wurde ein entschieden höherer Wert beigemessen,
wobei die Frage der Kontinuität und Authentizität ebenfalls
außerordentlich an Bedeutung gewonnen hat. Es wuchs zugleich
die Erkenntnis, daß der Schutz des einzelnen Baudenkmals ohne
Beachtung des Umgebungsschutzes zur Maßstabslosigkeit und
teilweise zu erheblichem Werteverlust führt. Die wissenschaftlich-
konservatorisch begründete städtebauliche Denkmalpflege weiß
sich zunehmend dem Ensembleschutz verpflichtet, so daß wich-
tige Fragestellungen, Wettbewerbe und konkrete städtebauliche
Aufgaben heute nicht mehr ohne den völlig gleichberechtigt
agierenden Gartendenkmalpfleger bearbeitet werden. Dieser
Erkenntnisprozeß spiegelt sich nicht nur in einer inzwischen weit-
gehend anerkannten, differenzierten konservatorischen Arbeitstei-
lung wider, sondern auch in der allgemeinen staatlichen Zuwen-
dung, das heißt, im Rahmen der Städtebauförderung wird
immerhin außer den traditionellen Dächern, Fenstern, Fassaden...
auch „die Wiederherstellung von Straßen, Wegen und Plätzen"
gefördert.
Da der historische Freiraum nicht rein innenbezogen gesehen
werden kann, sondern in sein städtisches und landschaftliches
Umfeld eingebunden ist, nimmt die Gartendenkmalpflege Einfluß
auf die Stadt-, Regional-, Landschafts- und sonstigen Fachplanun-
gen. Die Arbeit der Gartendenkmalpflege ist stets im städtebauli-
chen Kontext zu sehen und umfaßt auch: fachlich-denkmalpfle-
gerische Beurteilung von Bebauungs- und Landschaftsplänen und
sonstigen Fachplanungen und Bauanträgen; Berücksichtigung
gartendenkmalpflegerischer Belange in Erhaltungsgebieten und
schützenswerten Baubereichen sowie Prüfung und fachliche Wer-
tung von Eingriffen bei Objekten, die zugleich unter Naturschutz
stehen.
Pflege und Entwicklung
Schutz und Pflege von Werken der Baukunst sind als gesellschaft-
liche Verpflichtung seit dem 19. Jahrhundert anerkannt. Die Aus-
einandersetzung um die Denkmaleigenschaft und die Erhaltung
historischer Freiräume setzte dagegen erst viel später ein: Um die
Jahrhundertwende nahm das Interesse zumindest an dem archi-
tektonischen Garten stark zu. Das Verständnis für seine Erhaltung
wuchs, unter anderem auch durch die Bemühungen der Natur-
und Heimatschutzbewegung. Der überwiegende Teil des garten-
kulturellen Erbes blieb jedoch ohne Schutz und Pflege. Man-
gelnde Zuwendung der breiten Öffentlichkeit zu historischen Gär-
ten bedingte einen schrittweisen Verfall der in Jahrhunderten
gewachsenen Gartenkultur. Seit den sechziger Jahren, insbeson-
dere aber nach dem Zweiten Weltkrieg, hatte eine rigorose Sanie-
rungs-, Neubau- und Verkehrspolitik einen nie dagewesenen Ver-
lust von historischen Freiflächen zur Folge; Bauwünsche hatten
absolute Priorität, der Straßenbau durchschnitt Gärten und Parks,
historisches Grün wurde als Baugelände parzelliert.
Die Einbeziehung historischer Gärten und Grünanlagen in die
in den siebziger Jahren erlassenen Denkmalschutzgesetze der
Bundesländer brachte die Grundlage für eine generelle Neuorien-
tierung.
Der historische Garten ist in seiner künstlerischen, geschichtli-
chen und städtebaulichen Entwicklung und Aussagekraft zu wer-
ten sowie daraus der Umgang mit dem Gartendenkmal abzulei-
ten. Da das Schutzgut sowohl aus weitgehend stabilen Elemen-
ten, wie Relief, Wegen, Mauern, Treppen, künstlerischen und son-
stigen Ausstattungsstücken, als auch aus vegetabilischen, den
Wachstumsprozessen unterworfenen Strukturen besteht, ist die
Umgehensweise in jedem Einzelfall neu zu definieren. Substanz-
schutz und Schutz des Erscheinungsbildes, aber auch die sorgfäl-
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