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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Gartendenkmalpflege in Niedersachsen — Hannover: Niedersächsisches Landesverwaltungsamt, Heft 13.1994

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Ditfurth, Wilhelm-Hattorf von: Der Garten des Rittergutes Lemmie
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https://doi.org/10.11588/diglit.51144#0064
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Der Garten des Rittergutes Lemmie

Wilhelm-Hattorf von Ditfurth

Seit 1949 bin ich Eigentümer des kleinen Rittergutes Lemmie im
Dorf Lemmie, das heute zur Stadt Gehrden (Landkreis Hannover)
gehört. Das Hof- und Gartengrundstück umfaßt 2,94 Hektar und
steht insgesamt unter Denkmalschutz.
Das Gut ist aus einem Meierhof hervorgegangen, der als
Adelssitz damals von allen Abgaben befreit war. Wegen der Nähe
zur Residenzstadt Hannover und der schönen Aussicht über das
weite Calenberger Land war der Hof ein attraktiver Sommersitz.
Von 1670 bis 1852 sind sechs verschiedene Familien als Eigentü-
mer bekannt, darunter mehrere geschichtlich bedeutende Män-
ner. 1852 erwarb mein Urgroßvater diesen und weitere Höfe, die
nun das Rittergut Lemmie bilden. Unsere Familie ist der 7. Eigen-
tümer. In den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts hat das Gut
durch Landverkäufe Einbußen hinnehmen müssen. 1943 wurde
das Haus durch Bomben sehr beschädigt und die Wirtschaftsge-
bäude brannten ab. Die zugehörigen Felder sind heute an drei
Landwirte sowie als Kleingärten, Fußballplatz und Reitanlagen
verpachtet.
Ich habe es mir zum Ziel gesetzt, das Gut, das sich seit 141
Jahren im Besitz meiner Familie befindet, zu erhalten und die Tra-
dition zu pflegen. Die Finanzierung der Unterhaltung von Haus
und Garten habe ich durch meine anderweitige Berufstätigkeit
ermöglicht, von der Gartenarbeit verstehe ich nur wenig. Die
praktische Pflege des Gartens wird überwiegend von meiner Frau
geleistet.
Geschichte des Gartens
Wann und von wem der ursprüngliche Garten des befreiten Mei-
erhofes angelegt wurde, bleibt dunkel. Die Richtung der Garten-
Hauptachse zeigt dorthin, wo früher das Schloß gestanden haben
soll, von dem noch Kellergewölbe erhalten sind (jetziger Pferde-
stall). Als unsere Vorbesitzer ihren Wohnsitz von dort in ein
Gebäude an anderer Stelle, an dem Platz des heutigen Gutshau-
ses verlegten, war diese Beziehung zum alten Garten verloren.
Vielleicht waren es auch Käufer, die bei den Ruinen des alten
Schlosses einen wohl auch verwahrlosten Garten vorfanden. Dem
Grundriß nach kann es ein barocker Ziergarten gewesen sein.
Nun lag dieser Teil des Gartens seitab zum neuen Wohnhaus.
Was lag näher, als die rechteckigen Flächen umzupflügen und
zum Nutzgarten zu machen, während südlich vom neuen Guts-
haus ein neuer kleiner Ziergarten entstand? Dies sind nur Ver-
mutungen, für die jedoch eine gewisse Wahrscheinlichkeit
spricht.
Mein Urgroßvater, der Eigentümer 1852-1899, hat sehr
genaue Zeichnungen hinterlassen, so daß belegt ist, wann und
wo der Garten später von ihm erweitert worden ist. Die Pläne
zeigen, daß der Garten im 19. Jahrhundert in großen Teilen Nutz-
garten war; die Lemmier Äpfel waren berühmt und ließen sich
gut verkaufen. Es gab viele hundert Meter Rabatten, gerade
Wege in den Hauptachsen und kleine geschwungene Wege zum
Lustwandeln. Im Randgürtel des Gartens wuchsen einige Zierge-
hölze. Hierüber sagen die Pläne wenig, während Obstbäume in
einer Zeichnung von 1898 genau erfaßt und von 1 bis 472 durch-
numeriert sind.
Schon 1852 waren zwei Aussichtshügel im Garten vorhanden,
nämlich der Lindenberg nach Osten und der Berg mit der später
gebauten Grotte in Form einer Turmruine beim jetzigen Ausblick

„Amalienruh" nach Süden und Westen. Es gibt noch zwei wei-
tere Grotten im Garten.
Mein dendrologisch interessierter Vater, der 1919 hier seinen
Wohnsitz nahm, begann anstelle abgängiger Obstbäume interes-
sante Parkbäume zu pflanzen. Er ließ im Süden und Westen die
Gartenmauer mit dem Eckturm am „Eisenbahnberg", dem über-
dachten Tor zum Bahnhof mit Sitzbänkchen, und mit dem Aus-
blick „Amalienruh" errichten. Für den alten Nachbarn, den
Urgroßvater des heutigen Besitzers, baute mein Vater einen Sitz-
platz in die Südwestecke unserer Mauer.
Heutiger Zustand, Probleme der Pflege
und Unterhaltung
Heute ist der Garten ein interessantes Arboretum mit einem
Überbestand an alten und uralten Bäumen. Angesichts meines
Alters möchte ich das schmerzliche Fällen alter Bäume der näch-
sten Generation überlassen. Der Pflegezustand des Gartens ist
schwach, jedoch sind die alte Gliederung und die Garten-
architektur sichtbar geblieben. Viele seltene Wildpflanzen haben
sich im Garten erhalten. Die Fauna ist uns etwas zu wild: Kanin-
chen, Fuchs und Dachs würden wir gerne abgeben! Auch der
Wildwuchs von Holunder und Brombeeren ist schwer zu bekämp-
fen.
Bei der Übernahme 1949 war der Garten trotz der damaligen
Notlage erheblich besser gepflegt als heute. Ein Gärtner und eine
Frau waren fest angestellt und weitere Kräfte arbeiteten stunden-
weise. Durch Obst- und Gemüseverkäufe sowie Kranzbinderei
war früher gewinnbringend gewirtschaftet worden. Als ich das
Gut übernahm, kostete die Pflege des Gartens jedoch bereits
mehr als eingenommen werden konnte. So habe ich dem Gärt-
ner sofort kündigen müssen. Er wohnte weiterhin auf dem Hof
und half bei Bedarf stundenweise. Der Garten mußte unseren
damals großen Haushalt mit Obst und Gemüse versorgen, weil
das Bargeld fehlte. In den folgenden Jahren stabilisierten sich
zwar meine Finanzen, da jedoch die Löhne stiegen, wurden im
Garten weitere Einsparungen erzwungen: Nach und nach gaben
wir Staudenbeete, Steingärten und Blumenrabatten auf. Kleine
Wege wurden eingeebnet und mit Gras eingesät, soweit sie ent-
behrlich waren, denn zum Lustwandeln hatte niemand mehr Zeit.
Erst als meine Frau sich unter Mithilfe des damals noch vorhande-
nen Hauspersonals und von Stundenkräften um den Garten küm-
mern konnte, gab es wieder Verbesserungen, zum Beispiel durch
Anlage von weniger arbeitsintensiven Rosenbeeten. Um das
Mähen brauchten wir uns damals nicht zu kümmern, denn es
gab genug Interessenten, die Futter für ihr Vieh brauchten und
dafür gratis mähten. So hatten wir natürlich keinen Parkrasen,
sondern eine Wiese.
Nur wenn man einige Jahrzehnte überblickt, erkennt man die
schleichenden, aber tiefgreifenden Veränderungen in unserer Kul-
tur. Sie sind durch den extremen Anstieg der Löhne verursacht.
Der Denkmalschützer sorgt sich dabei besonders um so lohnin-
tensive Kulturgüter wie das Erhalten privater Parkanlagen und
großer Privatwohnungen wie z. B. in alten Gutshäusern mit viel
Platz für ererbten Hausrat, wo jeder Gegenstand in einem Netz
von Beziehungen hängt. Sie sind auf längere Sicht äußerst
gefährdet. Wollte man solche Dinge verkaufen, erhält man nur
einen kleinen Bruchteil des Wertes, den sie für die eigene Familie

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