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"Unter der GrasNarbe" <Veranstaltung, 2014, Hannover>; Schomann, Rainer [Editor]; Schormann, Michael Heinrich [Editor]; Wolschke-Bulmahn, Joachim [Editor]; Winghart, Stefan [Editor]; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; VGH-Stiftung [Editor]; Zentrum für Gartenkunst und Landschaftsarchitektur [Editor]; Michael Imhof Verlag GmbH & Co. KG [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Unter der GrasNarbe: Freiraumgestaltungen in Niedersachsen während der NS-Diktatur als denkmalpflegerisches Thema : Dokumentation der Tagung vom 26.-29. März 2014 in Hannover — Petersberg: Michael Imhof Verlag GmbH & Co. KG, Heft 45.2015

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Zittlau, Reiner: Die Gedenkstätte Bergen-Belsen aus Sicht der Denkmalpflege
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51271#0075
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3 SS-Schwimmbecken, 2002. Foto: Reiner Zittlau, Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege.

hier zehntausende weitere an Mangelerscheinungen,
Krankheiten und den Lagertorturen gestorbene Men-
schen begraben. Schließlich ist die letzte Lagererwei-
terung, genannt Neben-KZ Belsen II, im nördlich gele-
genen Kasernenareal, die Anfang April 1945 erfolgte,
als geschichtliches Zeugnis mit einem Schutzanspruch
versehen. Die für das Nebenlager benutzten Mann-
schaftsgebäude, in denen die britischen Truppen nach
der Befreiung das Displaced Persons Camp einrichte-
ten, erhielten durch ihre neue Funktion als Stätten zu-
rückkehrender Humanität einen neuen Wert.
Wenn wir das Schutzgut bestimmen, müssen wir als
Anwälte der historischen Zeugnisse unser Augenmerk
gleichwohl auf Orte der Täter richten. Zu diesen ge-
hört beispielsweise das außerhalb des Vorlagers fast
an der Landstraße zwischen Winsen und Bergen
einst stehende SS-Offiziersheim mit dem erhaltenen
Schwimmbecken, das durch seine Benutzung vor dem
Lagerzaun eine Vorstellung des niederträchtigen Den-
kens der SS gibt (Abb. 3). Zu diesen gehört auch die
Geschäftsbaracke 6 innerhalb des Kasernengeländes
am Memeler Weg, in der die Lagerkommandantur des
Neben-KZs Belsen II im März/April 1945 eingerichtet
worden war. Und schließlich gehört der kleine Fried-
hof auf dem Kasernengelände dazu, auf dem 140 von
befreiten Häftlingen erschlagene Kapos neben we-
nigen jüdischen Toten liegen. Voraussetzung für das
später weltbekannte Konzentrationslager war letzt-
endlich die ab 1936 errichtete Kaserne neben dem

kleinen Heideort Belsen, für deren Erbauung eine Ar-
beiterunterkunft südlich davon angelegt worden war:
die bauliche Keimzelle des Konzentrationslagers mit
Steinbaracken an geschwungenen Heidewaldwegen,
die ab 1940 für die Aufnahme sowjetischer Kriegs-
gefangener neu genutzt wurde und von hier aus die
Entrechtung der Menschen im Lager von Bergen-Bel-
sen in Gang setzte.
Aus den denkmalpflegerischen Dokumentationsme-
thoden, die sich in den letzten Jahrzehnten entwickelt
haben, ist die Notwendigkeit entstanden, im Schutz-
gut Entwicklungslinien und verschiedene Zeitschich-
ten aufzuzeigen sowie Gegensätze wie zum Beispiel
in der Gegenüberstellung von Opfer- und Täterorten
herauszuarbeiten. So gehören die Wachturm-, Zaun-
und Absperranlagen, sollten sie irgendwann einmal
archäologisch freigelegt werden, sowohl zu den Op-
fer- als auch zu den Täterbestandteilen des Lagers.
Eine eindeutige Zuordnung gibt es hierfür nicht. Aber
gerade die Sperranlagen zeigen, dass die Betrachtung
der Opferorte ohne die Betrachtung der vielfach als
heikel angesehenen Täterorte keinen Sinn ergibt, die
Bedeutung des einen nicht ohne die Bedeutung des
anderen auskommt. Geschichtszeugnisse erzählen
von Interessenlagen in ihrer Wechselwirkung, seien
sie legitim oder mörderisch wie hier in Bergen-Belsen.
Heute genutzte Gebäude wie die Belsener Kaserne
sind zur Kriegsvorbereitung in der NS-Diktatur errich-
tet worden. Alle Nachnutzer leben insofern mit einem
 
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