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Unter der GrasNarbe
Landschaftsarchitekten versuchten zu beweisen, dass
die germanischen Stämme einegenetische Veranlagung
für die Wahrnehmung von Landschaftsschönheit be-
sessen hätten, das heißt für etwas, das erst im Verlauf
der Romantik mehr und mehr als ästhetisches Ideal
der gehobenen Mittelschichten entwickelt wurde.
Die Anlage von alten germanischen Grabanlagen und
Thingplätzen wurde mit besonderem Engagement
untersucht. Natürliches Design wurde als wirklich
germanisch hervorgehoben, während formale Land-
schaftsgestaltung als auf niedrigerer kultureller Stufe
stehend und als charakteristisch für sogenannte
„südalpine Rassen" abqualifiziert wurde. Hierbei tat
sich besonders Willy Lange mit der Herleitung seines
Naturgartens als charakteristisch für den .nordischen'
Menschen hervor.
Lange war für den Bereich der Gartenarchitektur ein
wichtiger Wegbereiter nationalsozialistischer Ideo-
logie. Er forderte als Ziel deutscher Gartenkultur
„die Betonung des Eigenvölkischen - im Gegensatz
zur Verherrlichung des Internationalen, in Wahrheit
Unnationalen".21 Langes Vorstellungen zum Natur-
garten basierten auf der Überzeugung, dass diese
höchste Stufe der Gartenkunst ein Rassemerkmal
der germanischen oder nordischen Völker war und
aus ihrer engen Verbindung zum Boden und zur
Heimatlandschaft herrühre. Entsprechend der Blut-
und Boden-Ideologie, der zufolge die Deutschen die
ihnen entsprechenden Heimatlandschaften benö-
tigten, brauchten sie, so Lange, auch die diesen
Landschaften entsprechenden Gärten. Die Gegensätze
zwischen dem regelmäßigen französischen und dem
englischen Gartenstil sah er in „verschiedenartigen
Weltanschauungen und diese wieder in verschiedenen
Rassenseelen" begründet. Für Lange war der nor-
dische Mensch „im architektonischen Garten [...]
geistig untergegangen im Rassensumpf des Sü-
dens". 22„Jahrtausendelang sahen Herrenvölker, Her-
renmenschen ihre Freude im gebauten, im Archi-
tekturgarten".23
Von besonderer Bedeutung für die Propagierung
entsprechender rassistischer Vorstellungen über Land-
schaftsgestaltung war auch Heinrich Wiepking, einer
der führenden Landschaftsarchitekten im National-
sozialismus und für den Nationalsozialismus. Wiep-
king war überzeugt, dass die Deutschen von Anfang
an ein natürliches Wahrnehmungsempfinden für
landschaftliche Schönheit besessen hätten. Die zahl-
reichen Grabhügel der alten germanischen Stämme
interpretierte er als Beweis,
„dass die Grabhügel unserer Ahnen die größte
Menschenleistung darstellen, die uns vom Leben
der eigenen Vorväter überliefert worden ist [...]
Wo immer wir ein Grab aus der jüngeren Steinzeit
oder aus der Bronzezeit im germanischen Ur-
raum finden, stets ist es Mittelpunkt einer wun-
dervollen, meist tief gestaffelten und einer einst
bewohnten, bewirtschafteten und gestalteten
Kulturlandschaft gewesen [...] Wer sich einmal
vertieft hat in den Hochstand unserer Kultur
während der germanischen Bronzezeit, wer
einmal den Geist der Kunstwerke dieser Zeit
erfasst hat, wird leicht herausfinden, dass diese
Zeit eine Blütezeit war mit einer so hohen Kultur,
wie sie selten wieder erreicht worden ist. Die
Grabhügel jener Zeit sind Meisterwerke der
Landschaftsgestaltung, Dokumente, die unsere
Liebe und unsere höchste Verehrung fordern
[...] Die Grabhügel liegen nicht irgendwo im
Lande. Sie sind Mittel- und Erlebnispunkte der
irdischen Schönheit, meisterhaft ausgesucht und
gestaltet".24
Das Studium frühgeschichtlicher Grabanlagen wur-
de zu einem wichtigen Bestandteil von Wiepkings
Lehrplan. Mehrere seiner Studenten schrieben Exa-
mensarbeiten über entsprechende Fragestellun-
gen. Einer dieser Studenten war Werner Lendholt
(1912-1980). Wiepking stellte Lendholts Arbeit der
Leserschaft der Zeitschrift „Die Gartenkunst", der
wichtigsten deutschsprachigen Fachzeitschrift in den
1920er und 1930er Jahren, folgendermaßen vor:
„Herr Lendholt hatte den Auftrag, an Hand des
Meßtischblattes Hohenzieritz zu beweisen, dass
unsere Vorfahren schon zur Bronzezeit einen
hohen Sinn für die landschaftliche Schönheit
besaßen und daß sie bereits Landschaftsgestalter
waren [...] Seine Arbeit erbrachte wundervolle
Bestätigungen".25
Es ist bemerkenswert, dass Wiepking nicht die Auf-
gabe stellte, zu untersuchen, ob die „Vorfahren"
schon damals „hohen Sinn für die landschaftliche
Schönheit" besessen hätten, vielmehr wurde Lendholt
zur Aufgabe gemacht, nachzuweisen, dass sie über
einen entsprechenden Sinn verfügt hatten. Ein Schei-
tern dieser Beweisführung hätte voraussichtlich zum
Scheitern des Kandidaten bei der Examensarbeit ge-
führt.
Dies ist der ideologische Hintergrund, vor dem die
Gestaltung der Ahnenstätten Seelenfeld, Hilligenloh
und auch Conneforde zu sehen ist und der ein
Verständnis der diesen zugrundeliegenden Design-
ideologie ermöglicht.
Unter der GrasNarbe
Landschaftsarchitekten versuchten zu beweisen, dass
die germanischen Stämme einegenetische Veranlagung
für die Wahrnehmung von Landschaftsschönheit be-
sessen hätten, das heißt für etwas, das erst im Verlauf
der Romantik mehr und mehr als ästhetisches Ideal
der gehobenen Mittelschichten entwickelt wurde.
Die Anlage von alten germanischen Grabanlagen und
Thingplätzen wurde mit besonderem Engagement
untersucht. Natürliches Design wurde als wirklich
germanisch hervorgehoben, während formale Land-
schaftsgestaltung als auf niedrigerer kultureller Stufe
stehend und als charakteristisch für sogenannte
„südalpine Rassen" abqualifiziert wurde. Hierbei tat
sich besonders Willy Lange mit der Herleitung seines
Naturgartens als charakteristisch für den .nordischen'
Menschen hervor.
Lange war für den Bereich der Gartenarchitektur ein
wichtiger Wegbereiter nationalsozialistischer Ideo-
logie. Er forderte als Ziel deutscher Gartenkultur
„die Betonung des Eigenvölkischen - im Gegensatz
zur Verherrlichung des Internationalen, in Wahrheit
Unnationalen".21 Langes Vorstellungen zum Natur-
garten basierten auf der Überzeugung, dass diese
höchste Stufe der Gartenkunst ein Rassemerkmal
der germanischen oder nordischen Völker war und
aus ihrer engen Verbindung zum Boden und zur
Heimatlandschaft herrühre. Entsprechend der Blut-
und Boden-Ideologie, der zufolge die Deutschen die
ihnen entsprechenden Heimatlandschaften benö-
tigten, brauchten sie, so Lange, auch die diesen
Landschaften entsprechenden Gärten. Die Gegensätze
zwischen dem regelmäßigen französischen und dem
englischen Gartenstil sah er in „verschiedenartigen
Weltanschauungen und diese wieder in verschiedenen
Rassenseelen" begründet. Für Lange war der nor-
dische Mensch „im architektonischen Garten [...]
geistig untergegangen im Rassensumpf des Sü-
dens". 22„Jahrtausendelang sahen Herrenvölker, Her-
renmenschen ihre Freude im gebauten, im Archi-
tekturgarten".23
Von besonderer Bedeutung für die Propagierung
entsprechender rassistischer Vorstellungen über Land-
schaftsgestaltung war auch Heinrich Wiepking, einer
der führenden Landschaftsarchitekten im National-
sozialismus und für den Nationalsozialismus. Wiep-
king war überzeugt, dass die Deutschen von Anfang
an ein natürliches Wahrnehmungsempfinden für
landschaftliche Schönheit besessen hätten. Die zahl-
reichen Grabhügel der alten germanischen Stämme
interpretierte er als Beweis,
„dass die Grabhügel unserer Ahnen die größte
Menschenleistung darstellen, die uns vom Leben
der eigenen Vorväter überliefert worden ist [...]
Wo immer wir ein Grab aus der jüngeren Steinzeit
oder aus der Bronzezeit im germanischen Ur-
raum finden, stets ist es Mittelpunkt einer wun-
dervollen, meist tief gestaffelten und einer einst
bewohnten, bewirtschafteten und gestalteten
Kulturlandschaft gewesen [...] Wer sich einmal
vertieft hat in den Hochstand unserer Kultur
während der germanischen Bronzezeit, wer
einmal den Geist der Kunstwerke dieser Zeit
erfasst hat, wird leicht herausfinden, dass diese
Zeit eine Blütezeit war mit einer so hohen Kultur,
wie sie selten wieder erreicht worden ist. Die
Grabhügel jener Zeit sind Meisterwerke der
Landschaftsgestaltung, Dokumente, die unsere
Liebe und unsere höchste Verehrung fordern
[...] Die Grabhügel liegen nicht irgendwo im
Lande. Sie sind Mittel- und Erlebnispunkte der
irdischen Schönheit, meisterhaft ausgesucht und
gestaltet".24
Das Studium frühgeschichtlicher Grabanlagen wur-
de zu einem wichtigen Bestandteil von Wiepkings
Lehrplan. Mehrere seiner Studenten schrieben Exa-
mensarbeiten über entsprechende Fragestellun-
gen. Einer dieser Studenten war Werner Lendholt
(1912-1980). Wiepking stellte Lendholts Arbeit der
Leserschaft der Zeitschrift „Die Gartenkunst", der
wichtigsten deutschsprachigen Fachzeitschrift in den
1920er und 1930er Jahren, folgendermaßen vor:
„Herr Lendholt hatte den Auftrag, an Hand des
Meßtischblattes Hohenzieritz zu beweisen, dass
unsere Vorfahren schon zur Bronzezeit einen
hohen Sinn für die landschaftliche Schönheit
besaßen und daß sie bereits Landschaftsgestalter
waren [...] Seine Arbeit erbrachte wundervolle
Bestätigungen".25
Es ist bemerkenswert, dass Wiepking nicht die Auf-
gabe stellte, zu untersuchen, ob die „Vorfahren"
schon damals „hohen Sinn für die landschaftliche
Schönheit" besessen hätten, vielmehr wurde Lendholt
zur Aufgabe gemacht, nachzuweisen, dass sie über
einen entsprechenden Sinn verfügt hatten. Ein Schei-
tern dieser Beweisführung hätte voraussichtlich zum
Scheitern des Kandidaten bei der Examensarbeit ge-
führt.
Dies ist der ideologische Hintergrund, vor dem die
Gestaltung der Ahnenstätten Seelenfeld, Hilligenloh
und auch Conneforde zu sehen ist und der ein
Verständnis der diesen zugrundeliegenden Design-
ideologie ermöglicht.