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"Unter der GrasNarbe" <Veranstaltung, 2014, Hannover>; Schomann, Rainer [Editor]; Schormann, Michael Heinrich [Editor]; Wolschke-Bulmahn, Joachim [Editor]; Winghart, Stefan [Editor]; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; VGH-Stiftung [Editor]; Zentrum für Gartenkunst und Landschaftsarchitektur [Editor]; Michael Imhof Verlag GmbH & Co. KG [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Unter der GrasNarbe: Freiraumgestaltungen in Niedersachsen während der NS-Diktatur als denkmalpflegerisches Thema : Dokumentation der Tagung vom 26.-29. März 2014 in Hannover — Petersberg: Michael Imhof Verlag GmbH & Co. KG, Heft 45.2015

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Wolschke-Bulmahn, Joachim: „Ahnenstätten" - eine besondere Kategorie von Friedhöfen in Norddeutschland: ideologische Zusammenhänge und Fragen des Denkmalschutzes
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https://doi.org/10.11588/diglit.51271#0185
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„Ahnenstätten" - eine besondere Kategorie von Friedhöfen in Norddeutschland.
Ideologische Zusammenhänge und Fragen des Denkmalschutzes

Dorfspaziergang Seelenfeld


?HbnenJtätte Seelenfelö


Aufgrund behördlicher Vorgaben musste nach dem 2. Weltkrieg
eine Totenkammer vorgehalten werden, die 1957 im Ehrenhügel so
eingelassen wurde, dass der Vorhof nicht beeinträchtigt wurde. Der
Vorhof dient der jeweiligen Trauergemeinde zu gemeinsamer
Begräbnisfeierlichkeit für Urnen- und Sargbestattungen. Die
Ausgestaltung einer Beerdigungsfeierlichkeit obliegt dem nächsten
Angehörigen, der Vorstellungen und Wünsche des Verstorbenen
erfüllt. Der bis dahin allgemein unbedeutende, im ackerbaulichem
Bereich als störend und hinderlich befundene Findling, der in der
näheren Umgebung, häufig auftauchte, erfuhr nun eine ungeahnte
Aufwertung und Würdigung als weiteres Element des Naturform-
Gartens: Heidelandschaftliche Ahnenstätte.
Im wenig bearbeitetem Naturzustand dient er als Grabstein und als
naturgegebene Einmaligkeit der Saale - Eiszeit (vor 200000 Jahren)
steht.er seit 1964 (Kreis 'Minden-Lübbecke) unter Naturdenk-
malschutz.



Weitere Informationen enthält
eine Tafel am Nordeingang.

Aufgrund laufender und erhöhter Nachfrage konnte der
Trägerverein in den 90er Jahren nach Westen hin ein
Erweiterungsgelände erschließen, das dem Wesen der
Heidelandschaft entspricht und die Zukunftsbezogenheit der
Begräbnisstätte unterstreicht. (Erste Einmessungen von
Grabstellen sowie des Parkplatzes erfolgen im Herbst 2008).
Diese Erweiterungen bringen deutlich zum Ausdruck, welch hohe
Wertschätzung dem Heidedorf Seelenfeld von den Freunden der
Ahnenstätte entgegengebracht wird; denn der Ahnenstätten-
Verein Niedersachsen e. V. unterhält die Anlage ausschließlich aus
freiwilligen Einsätzen, Beiträgen und Spenden. Er ist kein
öffentlich-rechtliches oder gewinnorientiertes, gewerbliches
Unternehmen, sondern ' eine Gemeinschaft, die kulturelles,
landschaftserhaltendes und dorfbildprägendes Erbe späteren
Generationen unbeschadet hinterlassen möchte.

Das südlich angrenzende Flurstück - Tannenberger Grund - ist
dem Ahnenstätten - Verein als Einzelspende zur landschaftlichen
Umrahmung und Ausgestaltung der Begräbnisstätte überant-
wortet worden. Mit dem Kreis Minden-Lübbecke wurde hier eine
Umweltmaßnahme des Kalksandsteinwerkes Seelenfeld einver-
nehmlich so durchgeführt, dass nach standortgerechter Bepflan-
zung (2003) - Buschwaldsaum im Osten und Heidebewuchs in
Verlängerung der Erweiterungsfläche im Westen - diesem Stand-
ort (insgesamt ca. 4 ha) ein eigenständiges Gepräge zuwächst, das
eingebettet ist in die zukunftsorientierte, langfristige, groß;
räumliche Landschaftsplanung des Kreis Minden-Lübbecke von-
2003:


19 Schautafel auf der Ahnenstätte Seelenfeld, 2014. Foto: Joachim Wolschke-Bulmahn.

Dorfspaziergang Seelenfeld


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KULTURGEM einschia£*

Die Ahnenstätte Seelenfeld ist eine Begräbnisanlage in
privatrechtlicher Trägerschaft des Ahnenstätten-Vereins
Niedersachsen e. V.. Sie wurde 1929 von Seelenfelder Bürgern ins
Leben gerufen, als es rundum in den damals noch selbständigen
Dörfern noch keine kommunalen Friedhöfe gab. Ihre Anlage löste in'
Deutschland eine Bewegung aus, die vom NS-Staat am 23.09.1933
abrupt durch Verbotsverfügung beendet wurde.
Diese Anlage wurde auf einem kulturhistorisch bedeutsamen
Gelände eingerichtet: Seit Jahrhunderten wurde dieser Standort,
der zwischen dem Streitmoor und Pollhorn im Norden und dem
Reetmoor im Süden auf alten Karten als eine geschlossene
Heidelandschaft (Seelenfelder / Loccumer Heide) ausgewiesen
wird, von Seelenfelder und Dohrener Bauern in Allmende
(Allgemeinbesitz) zur Hütung (Schafe), Plaggendüngung und
Gewinnung von Stallstreu genutzt.


Als im Kriegsjahr 1915 zur ackerbaulichen Umnutzung die
geometrischen Parzellierungen erfolgen, entdeckte man auf diesem
west-östlichen Höhenzug (ca. 70müNN)das Bronze-zeitliche HügeF
Gräberfeld von überregionaler Bedeutung. Die archäologische
Erfassung und Auswertung unter Prof. Langewiesche (Bünde) ergab,
dass dieses Gräberfeld der Mittleren Bronzezeit = 1600 v. Ztr. -
zuzuordnen war. Mithin lebten unsere Vorfahren (Ahnen) schon vor 3,5
Jahrtausenden in und am < Sole - Velde > = Seelenfeld.
Für die Errichtung eines
Begräbnisplatzes fand der
Trägerverein 1929/30 in
dem Landschaftsgärtner
Rudolf Bergfeld (Bremen)
einen sachkundigen Ge-
stalter einer bis dahin
ungekannten Anlageform.
In der Literatur war mit
seiner Schrift "Der Natur-
formgarten" bekannt ge-
worden. Ihm gelang es.
aus einer länglich-schma-
len Ackerparzelle in leich-
ter Südhanglage einen
verbundenen vierstufigen Heide-Landschafts-Garten so einzurichten,
dass den behördlichen Auflagen und den Wünschen der Anleger
entsprochen wurde: 100 Erbbegräbnisstellen (Sippengrabstellen) und
gut 50 Einzel-Grabstellen wurden zur Nutzung eingeplant. Zur
Erinnerung an die vorherige Heidelandschaft sowie an das
bronzezeitliche Gräberfeld (auf dem Bestattungsgelände waren zwei
Grabhügel ausgewiesen) kommen die prägenden Elemente zur
Geltung: Gesamtflächiger Heidebewuchs und der künstliche Grab-


20 Schautafel auf der Ahnenstätte Seelenfeld, 2014. Foto: Joachim Wolschke-Bulmahn.
 
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