Mobile Mikrobereichsanalyse -
Service für die denkmalpflegerische Eingangsdiagnose
Rochus Blaschke / Herbert Juling
Die mikroskopische Vorortanalyse
Der rasch fortschreitende Verfall von Baudenkmälern und Ma-
lereien zwingt die Verantwortlichen zum Handeln. Es häufen
sich leider die Fälle, daß sorgfältig und in fachlich anerkannter
Weise durchgeführte Sanierungsmaßnahmen bereits nach
wenigen Jahren irreparable Schäden erkennen lassen.
Während bei Natursteinbauten immer noch der Materialaus-
tausch als letzte Möglichkeit erhalten bleibt, gilt für Wandmale-
reien der absolute Vorrang von Konservierung vor Restaurie-
rung. Daraus resultiert die Forderung nach einer Minimalisie-
rung der Substanzentnahme und ihrer maximalen analyti-
schen Ausnutzung. Die folgenden Ausführungen sind für die
Praktiker gedacht; sie stellen an nur einem einzigen Proben-
splitter die vielseitigen Möglichkeiten des BMFT-Labormobils
dar.
Am Anfang entscheidet der für die Malerei verantwortliche
Konservator oder Kunsthistoriker über den zu beprobenden
Bereich der Malerei. Bei Probennahme am Objekt sollte der
Mikroskopiker mit seinen Erfahrungen behilflich sein, damit
die anschließende Mikrobereichsanalyse zu den gewünschten
Ergebnissen führen kann. Wichtig ist dabei die genaue Foto-
dokumentation der Probenstelle. Bereits bei der Entnahme
wird die Mikroprobe, ohne sie mit den Fingern zu berühren
(Kontamination durch Fingerschweiß), in einen sauberen Be-
hälter gebracht. Anschließend wird unter einem Stereomikro-
skop die Probe von allen Seiten betrachtet, um die günstigste
Präparatlage für alle folgenden Untersuchungsgänge mittels
Licht- und Raster-Elektronenmikroskop zu bestimmen. Da
nicht vorausgesetzt werden kann, daß alle Leser über ausrei-
chende Kenntnisse vom Aufbau und der Funktionsweise eines
analytischen Raster-Elektronenmikroskops verfügen, sei der
folgende Abschnitt dieser Methode gewidmet.
Analyse von Mikroproben mit dem Raster-
Elektronenmikroskop und energiedispersi-
ver Röntgenmikroanalyse
Die Idee, ein Raster-Elektronenmikroskop (REM) zum Denk-
mal zu bringen, kam beim Einsatz des ersten Labormobils
des BMFT, das anfangs nur mit einem Stereo-Lichtmikroskop
ausgestattet war, um den Probenzustand bis zur umfassen-
den Untersuchung im Heimlabor zu erhalten. Es fehlte aber
vor Ort die Möglichkeit, chemische Punktanalysen an den
zum Teil sehr kleinen Proben, z.B. durch energiedispersive
Röntgenmikroanalyse (EDX) durchführen zu können. Auch der
zuverlässige Nachweis von Mikroorganismen machte ein REM
vor Ort wünschenswert, wenn auch die umfassende mikrobio-
logische Bestimmung im Expertenlabor erfolgen muß.
Das Prinzip des REM (Abb. 1) basiert auf der Wechselwirkung
eines Elektronenstrahls mit der zu untersuchenden Proben-
oberfläche. Dabei wird ein fein gebündelter in einer Elektro-
nenkanone erzeugter Elektronenstrahl auf die Oberfläche der
Probe beschleunigt und durch eine Ablenkeinheit zeilenweise
über die Probenoberfläche gerastert. An den Auftreffpunkten
dieses Strahls werden verschiedene Signale erzeugt, die in
geeigneten Detektoren erfaßt und in für elektronische Weiter-
verarbeitung verwendbare elektrische Gleichspannungsim-
pulse umgewandelt werden. Synchron zur Abrasterung des
Primärelektronenstrahls (PE) auf der Probenoberfläche wird
auch der Elektronenstrahl einer Bildröhre gesteuert. Mit den
Gleichspannungssignalen der Detektoren wird die Helligkeit
eines jeden Bildpunktes auf dieser Bildröhre bestimmt, so
daß ähnlich wie beim Fernseher ein durch Einzelpunkte zu-
sammengesetztes Bild der abgerasterten Probenoberfläche
entsteht. Das am häufigsten verwendete Signal zur Abbildung
der Oberflächentopografie sind die Sekundärelektronen
(SE), die aus der Oberfläche in Abhängigkeit vom örtlichen
Auftreffwinkel herausgeschlagen werden und ein plastisches
Bild liefern.
Für die Untersuchungen vor Ort ebenso wichtig ist die Abbil-
dung mit Hilfe der Rückstreuelektronen (RE). Dabei handelt
es sich um Primärelektronen (PE), die an den Atomkernen
gestreut werden und die Oberfläche wieder verlassen. Sie
bringen außer der topographischen Oberflächenabbildung
noch wichtige Informationen über die Zusammensetzung der
Probe durch den sogenannten Materialkontrast mit. Dieser
entsteht durch die Abhängigkeit des Rückstreukoeffizienten
von der Ordnungszahl der Elemente. Elemente mit höherer
Ordnungszahl, wie z. B. Blei (Z = 82) geben ein viel helleres
Signal auf der Bildröhre als z. B. Silizium (Z = 14). Eine genaue
Bestimmung der Zusammensetzung einzelner Probenstellen
ist durch die energiedispersive Röntgenmikroanalyse (EDX)
möglich. Sie nutzt die für das jeweilige Element charakteristi-
sche Röntgenstrahlung, die durch den Elektronenbeschuß an
der Probenoberfläche entsteht. Diese wird in einem geeigne-
ten Detektorsystem erfaßt und durch einen Rechner in Form
eines Röntgen-Energiespektrums auf einem Monitor sichtbar
gemacht.
1 Schematische Darstellung eines Raster-Elektronenmikroskops.
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Service für die denkmalpflegerische Eingangsdiagnose
Rochus Blaschke / Herbert Juling
Die mikroskopische Vorortanalyse
Der rasch fortschreitende Verfall von Baudenkmälern und Ma-
lereien zwingt die Verantwortlichen zum Handeln. Es häufen
sich leider die Fälle, daß sorgfältig und in fachlich anerkannter
Weise durchgeführte Sanierungsmaßnahmen bereits nach
wenigen Jahren irreparable Schäden erkennen lassen.
Während bei Natursteinbauten immer noch der Materialaus-
tausch als letzte Möglichkeit erhalten bleibt, gilt für Wandmale-
reien der absolute Vorrang von Konservierung vor Restaurie-
rung. Daraus resultiert die Forderung nach einer Minimalisie-
rung der Substanzentnahme und ihrer maximalen analyti-
schen Ausnutzung. Die folgenden Ausführungen sind für die
Praktiker gedacht; sie stellen an nur einem einzigen Proben-
splitter die vielseitigen Möglichkeiten des BMFT-Labormobils
dar.
Am Anfang entscheidet der für die Malerei verantwortliche
Konservator oder Kunsthistoriker über den zu beprobenden
Bereich der Malerei. Bei Probennahme am Objekt sollte der
Mikroskopiker mit seinen Erfahrungen behilflich sein, damit
die anschließende Mikrobereichsanalyse zu den gewünschten
Ergebnissen führen kann. Wichtig ist dabei die genaue Foto-
dokumentation der Probenstelle. Bereits bei der Entnahme
wird die Mikroprobe, ohne sie mit den Fingern zu berühren
(Kontamination durch Fingerschweiß), in einen sauberen Be-
hälter gebracht. Anschließend wird unter einem Stereomikro-
skop die Probe von allen Seiten betrachtet, um die günstigste
Präparatlage für alle folgenden Untersuchungsgänge mittels
Licht- und Raster-Elektronenmikroskop zu bestimmen. Da
nicht vorausgesetzt werden kann, daß alle Leser über ausrei-
chende Kenntnisse vom Aufbau und der Funktionsweise eines
analytischen Raster-Elektronenmikroskops verfügen, sei der
folgende Abschnitt dieser Methode gewidmet.
Analyse von Mikroproben mit dem Raster-
Elektronenmikroskop und energiedispersi-
ver Röntgenmikroanalyse
Die Idee, ein Raster-Elektronenmikroskop (REM) zum Denk-
mal zu bringen, kam beim Einsatz des ersten Labormobils
des BMFT, das anfangs nur mit einem Stereo-Lichtmikroskop
ausgestattet war, um den Probenzustand bis zur umfassen-
den Untersuchung im Heimlabor zu erhalten. Es fehlte aber
vor Ort die Möglichkeit, chemische Punktanalysen an den
zum Teil sehr kleinen Proben, z.B. durch energiedispersive
Röntgenmikroanalyse (EDX) durchführen zu können. Auch der
zuverlässige Nachweis von Mikroorganismen machte ein REM
vor Ort wünschenswert, wenn auch die umfassende mikrobio-
logische Bestimmung im Expertenlabor erfolgen muß.
Das Prinzip des REM (Abb. 1) basiert auf der Wechselwirkung
eines Elektronenstrahls mit der zu untersuchenden Proben-
oberfläche. Dabei wird ein fein gebündelter in einer Elektro-
nenkanone erzeugter Elektronenstrahl auf die Oberfläche der
Probe beschleunigt und durch eine Ablenkeinheit zeilenweise
über die Probenoberfläche gerastert. An den Auftreffpunkten
dieses Strahls werden verschiedene Signale erzeugt, die in
geeigneten Detektoren erfaßt und in für elektronische Weiter-
verarbeitung verwendbare elektrische Gleichspannungsim-
pulse umgewandelt werden. Synchron zur Abrasterung des
Primärelektronenstrahls (PE) auf der Probenoberfläche wird
auch der Elektronenstrahl einer Bildröhre gesteuert. Mit den
Gleichspannungssignalen der Detektoren wird die Helligkeit
eines jeden Bildpunktes auf dieser Bildröhre bestimmt, so
daß ähnlich wie beim Fernseher ein durch Einzelpunkte zu-
sammengesetztes Bild der abgerasterten Probenoberfläche
entsteht. Das am häufigsten verwendete Signal zur Abbildung
der Oberflächentopografie sind die Sekundärelektronen
(SE), die aus der Oberfläche in Abhängigkeit vom örtlichen
Auftreffwinkel herausgeschlagen werden und ein plastisches
Bild liefern.
Für die Untersuchungen vor Ort ebenso wichtig ist die Abbil-
dung mit Hilfe der Rückstreuelektronen (RE). Dabei handelt
es sich um Primärelektronen (PE), die an den Atomkernen
gestreut werden und die Oberfläche wieder verlassen. Sie
bringen außer der topographischen Oberflächenabbildung
noch wichtige Informationen über die Zusammensetzung der
Probe durch den sogenannten Materialkontrast mit. Dieser
entsteht durch die Abhängigkeit des Rückstreukoeffizienten
von der Ordnungszahl der Elemente. Elemente mit höherer
Ordnungszahl, wie z. B. Blei (Z = 82) geben ein viel helleres
Signal auf der Bildröhre als z. B. Silizium (Z = 14). Eine genaue
Bestimmung der Zusammensetzung einzelner Probenstellen
ist durch die energiedispersive Röntgenmikroanalyse (EDX)
möglich. Sie nutzt die für das jeweilige Element charakteristi-
sche Röntgenstrahlung, die durch den Elektronenbeschuß an
der Probenoberfläche entsteht. Diese wird in einem geeigne-
ten Detektorsystem erfaßt und durch einen Rechner in Form
eines Röntgen-Energiespektrums auf einem Monitor sichtbar
gemacht.
1 Schematische Darstellung eines Raster-Elektronenmikroskops.
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