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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Der Rammelsberg — Hannover: Inst. für Denkmalpflege, Heft 9.1992

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Geschichtlicher Abriß
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https://doi.org/10.11588/diglit.51149#0011
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Geschichtlicher Abriß

Der 30. Juni des Jahres 1988 brachte für die
Stadt Goslar einen tiefen Einschnitt in ihrer
mehr als tausendjährigen Geschichte. Der
Rammeisberg, Ursache und Gewähr für die
Existenz und ständige Weiterentwicklung der
Stadt, war leer. Um 13.37 Uhr wurde der letzte
erzbeladene Förderwagen im Rammeisberg-
schacht gehoben und auf der Rasenhänge-
bank von der ehemaligen Belegschaft mit ver-
steinerten Gesichtern empfangen. Vom Gru-
benhof aus wurde der Förderwagen zur Fran-
kenberger Kirche und nach einem Dankgottes-
dienst, gerahmt von den ehemaligen Bergleu-
ten und den Repräsentanten von Stadt und
Land, in einer Bergparade durch die Straßen
der Altstadt zum Marktplatz gebracht, wo zum
letzten Male symbolisch der Zehnte an die
Oberen abgeführt wurde. Die Betroffenheit, die
an diesem Tag überall zu spüren war, hatte tiefe
Ursachen, und so recht konnte sich kaum je-
mand vorstellen, daß am Rammeisberg tat-
sächlich niemals wieder Erz gefördert werden
sollte - nach fast zweitausendjähriger Förde-
rung!
Die gesicherte Erkenntnis über dieses hohe
Alter des Bergwerkes ist noch relativ jung. Erst
im Jahr 1986, als Ergebnis archäologischer Un-
tersuchungen, die das Institut für Denkmal-
pflege im Niedersächsischen Landesverwal-
tungsamt in der Wüstung Düna durchgeführt
hat , konnte sicher nachgewiesen werden,
daß bereits in der römischen Kaiserzeit, also
lange vor der Gründung der Stadt Goslar, am
Rammeisberg Bergbau umgegangen ist. Um-
fangreiche Erz- und Schlackenfunde, die auf-
grund archäometrischer Untersuchungen ein-
deutig der Erzlagerstätte Rammeisberg zuzu-
ordnen sind, konnten bis in das 3. Jahrhundert
datiert werden. Bis zu diesem Zeitpunkt galt
das Jahr 968 als frühester Zeitpunkt für die Auf-
nahme eines geordneten Bergbaubetriebes. In
diesem Jahr wurde der Rammeisberg erstmals
schriftlich erwähnt. In der Chronik des Cor-
veyer Mönchs Widukind wird innerhalb der
Schilderungen der Feldzüge Kaiser Ottos I.
über „venas argenti“, also Silberadern, berich-
tet, die in „Saxonia“ erschlossen worden seien
und die nach Meinung der Fachwelt zum Ram-
melsberg gehören3.
Es ist davon auszugehen, daß der älteste Berg-
bau am Rammeisberg noch durch unkoordi-

niertes Graben an den weichen, zutage austre-
tenden Stellen des Erzkörpers erfolgte. Nach
Abarbeiten dieser Partien konnte das Erz nur
noch mit Schlägel und Eisen gewonnen wer-
den, da der Erzkörper nunmehr im Gegensatz
zur verwitterten Oberfläche hart war. Dieses
war zugleich der Beginn des untertägigen
Bergbaus. Mit zunehmender Teufe (bergmän-
nischer Ausdruck für Tiefe) konnte das in den
Gruben anstehende Wasser mit den einfachen
technischen Hilfsmitteln derzeit nicht mehr ge-
hoben werden, was dazu führte, daß um das
Jahr 1150 der Rathstiefste Stollen als Wasser-
lösungsstollen aufgefahren (hergestellt) wurde.
Die durch Kaiser Lothar von Süpplingenburg
im frühen 12. Jahrhundert in Goslar eingeführte
Reichsvogtei stellte die Stadt in den Mittel-
punkt machtpolitischer Auseinandersetzun-
gen, die ihren Höhepunkt im Jahr 1176 fanden,
als in Chiavenna Heinrich der Löwe als Gegen-
leistung für die militärische Unterstützung des
Kaisers in Italien die Vogteirechte über die
Stadt Goslar forderte. Nachdem Kaiser Fried-
rich I. Barbarossa dieses als Erpressung abge-
lehnt hatte, zerstörte Heinrich im Jahr 1180
die zum Rammeisberg gehörenden Goslarer
Metallhütten. Erst 1209 konnte der Bergbau
wieder aufgenommen werden.
Infolge der nicht mehr zu lösenden Wasserpro-
bleme wurden jedoch bald darauf in den be-
reits abgebauten, höhergelegenen Lagerberei-
chen die aus Sicherheitsgründen stehengelas-
senen Erzpfeiler weiter abgebaut. Durch die-
sen Raubbau wurde das Grubengebäude so
geschwächt, daß große Teile zusammenbra-
chen. Die im Jahr 1348 auch Goslar errei-
chende Pest, die weitere Schwächung der Erz-
pfeiler und die anhaltenden Wasserprobleme
führten schließlich um 1360 zum vollständigen
Zusammenbruch der Gruben und zum Erlie-
gen des Betriebes. In der Folgezeit erwarb die
Stadt Goslar den Pfandbesitz an der Berg-
hoheit, am Zehnten sowie am Vorkaufsrecht.
Nach vielen erfolglosen Versuchen erfahrener
auswärtiger Bergleute gelang es schließlich
dem herbeigeholten Claus von Gotha, durch
den Einbau von sogenannten Heinzenkünsten
(lederne Bälle, die an einer endlosen, durch ein
Wasserrad betriebenen Kette durch hölzerne
Rohre gezogen wurden und dabei das Wasser

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