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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Der Rammelsberg — Hannover: Inst. für Denkmalpflege, Heft 9.1992

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Der Rammelsberg als Denkmallandschaft
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https://doi.org/10.11588/diglit.51149#0037
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Der Rammeisberg als Denkmallandschaft

Die Erkenntnis, daß die Vermittlung von Ge-
schichte nicht eindimensional möglich ist und
daß dingliche Geschichtsobjekte isoliert be-
trachtet, nur in wenigen Bedeutungsebenen
erschließbar sind, hat dazu geführt, daß neben
den Einzeldenkmalen und kleineren Denkmal-
ensembles seit den 70er Jahren des 20. Jahr-
hunderts ganze Altstädte als Denkmale be-
trachtet und auch behandelt werden. Der Be-
griff des Stadtdenkmals wurde geprägt. Daß
sich eine derartige, in die Fläche gehende Be-
trachtungsweise nicht nur auf den städtischen
Raum beziehen kann, sondern darüber hinaus
gerade auch in die Landschaft gehen muß, wo
nötig unter Einbeziehung von Städten oder
Dörfern, ist nur konsequent. Das System der
Bedeutungszusammenhänge kann dort unter
Umständen noch erheblich vielschichtiger
sein.
Handelt es sich nun um eine Landschaft, die
durch visuell erfahrbare geschichtliche Zusam-
menhänge geprägt ist und die an menschliche
Leistungen von allgemeiner Bedeutung erin-
nert, so ist diese als Denkmallandschaft zu be-
zeichnen.33 Tilmann Breuer, der die theoreti-
schen Grundlagen zur Abgrenzung dieser
Denkmalkategorie gelegt hat, charakterisiert
die Denkmallandschaft als „Interaktion von Ge-
schichte und Geographie“.34
Da die historische Gesamtschau ihr besonde-
res Kennzeichen ist, kann unter einer Denkmal-
landschaft keine bloße Aneinanderreihung von
Einzeldenkmalen oder Ensembles gemeint
sein. Jedoch ist der erkennbare Zusammen-
hang zwischen einem klassischen Denkmal
und der Landschaft zwingende Voraussetzung
für die Existenz einer Denkmallandschaft, in
welcher ferner räumliche Verknüpfungsele-
mente vorhanden sein müssen sowie ein von
einer Leitnutzung abhängiges, dieses ergän-
zendes Nutzungssystem. Die Landschaft
selbst muß dabei in jedem Fall durch mensch-
liche Tätigkeiten formiert oder deformiert
sein.35
Auf den Rammeisberg bezogen, stellt sich die
Situation demnach wie folgt dar: Hat dort zu-
nächst die Natur durch die großen Erzvorräte
die bergbauliche Tätigkeit provoziert, so wurde
durch die Abbautätigkeit einerseits und durch
die notwendigen Zusatzeinrichtungen anderer-

seits das Bild der Landschaft gegen die Natur
geformt (Abb. 146).
Der immense Holzbedarf, bedingt durch die im
Mittelalter noch in den umliegenden Wäldern
betriebene Verhüttung der Erze, durch die Ver-
arbeitung als Grubenholz zum Ausbau von
Schächten und Strecken und schließlich auch
durch die spezielle Erzgewinnungsmethode im
Rammeisberg, das sogenannte Feuersetzen,
hat zu einer völligen Entwaldung sowohl des
Rammeisberges selbst als auch der umliegen-
den Wälder geführt. Im 18. Jahrhundert wur-
den deshalb, analog dem Oberharz, umfang-
reiche Aufforstungsmaßnahmen mit schnell
und vor allen Dingen auch geradewachsenden
Fichten begonnen, die den Unterharz bei Gos-
lar und den Oberharz in die heute bestehende
Fichtenlandschaft verwandelt haben (Abb.
147).
Doch nicht überall konnten die hinterlassenen
Kahlflächen wieder bewaldet werden, weil die
ausgedehnten Abraumhalden des Rammeis-
berges für die Fichten keinen guten Nährbo-
den boten (Abb. 2, 4). So sind diese Land-
schaftselemente heute signifikante Bestand-
teile des Rammeisberges, die auf seine mon-
tane Vergangenheit hinweisen.
Fälschlicherweise werden diese nicht bewal-
deten Flächen heute vielfach für öde oder tot
gehalten und Aufforstungsmaßnahmen mit
hochwachsenden Pflanzen angestrebt, um die
Landschaft „attraktiver“ zu gestalten. Es wird
verkannt, daß sich gerade auf diesen Flächen
vielfältige andere Pflanzen auf natürliche Weise
angesiedelt haben. Es handelt sich bei diesen
Flächen folglich nicht um Landschaftsschä-
den, sondern um neue, typische, erhaltens-
werte Landschaftsformationen, die durch den
Bergbau bewirkt wurden.
Auf Böden mit hohem Schwermetallgehalt
wachsen neben lückigem Magerrasen an Pflan-
zen mit hoher Schwermetallresistenz, zum Bei-
spiel Heidekraut, Hallers Grasnelke oder die
Frühlings-Miere, die nur noch an wenigen Stel-
len im Mittel- und Hochgebirge vorkommt36
(Abb. 148, 149).
Hinzu kommt, bislang weitestgehend unbe-
achtet, eine Pflanzengesellschaft von äußer-

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