Allgemeine Kunst-Chronik.
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Nachdruck verboten.
Etwas über Bücherzeichen.
(Ex libris.)
So lange, als es Bücher gibt, mag sie der Be-
sitzer oftmals durch ein Zeichen oder durch seinen
Namen als sein Eigenthum kenntlich gemacht haben,
und da ein gutes Buch jedem Menschen von Herz
und Bildung nicht als ein todtes Ding, sondern als
ein treuer Freund und Rathgeber erscheint, so lässt
sich das Bestreben erklären, dass man dies Zeichen
sinnvoll und künstlerisch gestaltet. Schrieben wir
doch als kleine Buben schon mit Sorgfalt und nach
Kräften verschnörkelt mit einer gewissen Wärme
in unser Märchenbuch den alten kindlichen Reim
Dieses Buch, das hab' ich lieb,
Wer es stiehlt, der ist ein Dieb.
Im Mittelalter, ehe man durch Holzschnitt
oder Kupferstich die Bücherzeichen vervielfältigen
konnte, zeichnete man mit der Hand das ent-
sprechende Signum, oft ein bunt bemaltes Wappen
mit Beischrift, ein. Derartige handschriftliche Ex
libris, so werden die Bücherzeichen nach ihrer in
früherer Zeit meist lateinischen Inschrift, als: „Ex
libris, ex libris bibliotheca" etc. genannt, finden sich
schon aus der ersten Hälfte des XIV. Jahrhunderts
in Italien. Aus viel früherer Zeit sind die diesen
selbstgewählten Zeichen verwandten Widmungs-
blätter kostbarer Pergamentbücher in Deutschland
bekannt. Auch müssen, wie Warnecke in seinem
Werke über die deutschen Bücherzeichen sagt, im
Mittelalter Liedersammlungen verbreitet gewesen
sein, die mit dem Wappen der Dichter geschmückt
waren. Aber an Stelle solcher Vorläufer, welche
die einzelnen und theueren Handschriften zeichneten,
trat, als die maschinelle Massenerzeugung von
Büchern durch entsprechende Erfindungen ermög-
licht wurde, Hand in Hand mit dieser das eigent-
liche, durch Reproduktion vervielfältigte Ex libris
auf. Kunstfreundliche Büchersammler beauftragten
oft berühmte Meister, ihnen eine sinnvolle Kom-
position zu entwerfen und sie entweder in Holz zu
schneiden oder in Kupfer zu stechen. Da finden
sich denn unter Anderen schöne und interessante,
jetzt sehr gesuchte und theuer bezahlte Blätter von
Bartholomäus Zeitblom, Dürer (der z. B. auch ein
wunderbares und berühmtes Blatt für die Bibliothek
seines Freundes Wilibald Pirckheimer schuf), Hans
Burgkmair, Hans Holbein d. J., Lukas Cranach,
Bartel Beliam, Matthias Zündt, Jost Amman u. A. m.
Vom Anfänge des XVI. Jahrhunderts an verbreitete
sich die Sitte der Bücherzeichen von Deutschland,
dem Stammlande desselben und eigentlichem Mutter-
lande aller graphischen Künste, immer weiter, so
auch nach Frankreich und England. Viel Kunst und
Erfindungsgabe wurde zu Zeichnung sowol, wie
zu dem das Zeichen oft begleitenden Spruch auf-
gewendet; auch die Originalität feierte vielfach ihre
Triumphe, wie das große Igelzeichen eines ge-
wissen Hans Knabenberg, alias Igler, bekundet, das
auf dem Spruchband über dem stachlichten Mäuse-
jäger den kitzlichen Wunsch ausspricht :
„Dass Dich ein Igel küss'."
Man blieb der Sitte Jahrhunderte lang treu,
und durchblättert man heute eine gut geordnete Ex
libris-Sammlung, so kann man die herrschenden
Stilarten fast in den Bücherzeichen verfolgen ; da
sieht man Blätter in Renaissance-, Barock-, Rokoko-,
Zopf- und Empirestil und findet gar oft Produkte
von hohem künstlerischen Werthe darunter. Dazu
gehört freilich das Ex libris nicht, welches der
große Goethe als Student demVater seines geliebten
Käthchens Schönkopf für dessen jedenfalls mäßige
Büchersammlungradirte und das in einer schlecht ge-
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Nachdruck verboten.
Etwas über Bücherzeichen.
(Ex libris.)
So lange, als es Bücher gibt, mag sie der Be-
sitzer oftmals durch ein Zeichen oder durch seinen
Namen als sein Eigenthum kenntlich gemacht haben,
und da ein gutes Buch jedem Menschen von Herz
und Bildung nicht als ein todtes Ding, sondern als
ein treuer Freund und Rathgeber erscheint, so lässt
sich das Bestreben erklären, dass man dies Zeichen
sinnvoll und künstlerisch gestaltet. Schrieben wir
doch als kleine Buben schon mit Sorgfalt und nach
Kräften verschnörkelt mit einer gewissen Wärme
in unser Märchenbuch den alten kindlichen Reim
Dieses Buch, das hab' ich lieb,
Wer es stiehlt, der ist ein Dieb.
Im Mittelalter, ehe man durch Holzschnitt
oder Kupferstich die Bücherzeichen vervielfältigen
konnte, zeichnete man mit der Hand das ent-
sprechende Signum, oft ein bunt bemaltes Wappen
mit Beischrift, ein. Derartige handschriftliche Ex
libris, so werden die Bücherzeichen nach ihrer in
früherer Zeit meist lateinischen Inschrift, als: „Ex
libris, ex libris bibliotheca" etc. genannt, finden sich
schon aus der ersten Hälfte des XIV. Jahrhunderts
in Italien. Aus viel früherer Zeit sind die diesen
selbstgewählten Zeichen verwandten Widmungs-
blätter kostbarer Pergamentbücher in Deutschland
bekannt. Auch müssen, wie Warnecke in seinem
Werke über die deutschen Bücherzeichen sagt, im
Mittelalter Liedersammlungen verbreitet gewesen
sein, die mit dem Wappen der Dichter geschmückt
waren. Aber an Stelle solcher Vorläufer, welche
die einzelnen und theueren Handschriften zeichneten,
trat, als die maschinelle Massenerzeugung von
Büchern durch entsprechende Erfindungen ermög-
licht wurde, Hand in Hand mit dieser das eigent-
liche, durch Reproduktion vervielfältigte Ex libris
auf. Kunstfreundliche Büchersammler beauftragten
oft berühmte Meister, ihnen eine sinnvolle Kom-
position zu entwerfen und sie entweder in Holz zu
schneiden oder in Kupfer zu stechen. Da finden
sich denn unter Anderen schöne und interessante,
jetzt sehr gesuchte und theuer bezahlte Blätter von
Bartholomäus Zeitblom, Dürer (der z. B. auch ein
wunderbares und berühmtes Blatt für die Bibliothek
seines Freundes Wilibald Pirckheimer schuf), Hans
Burgkmair, Hans Holbein d. J., Lukas Cranach,
Bartel Beliam, Matthias Zündt, Jost Amman u. A. m.
Vom Anfänge des XVI. Jahrhunderts an verbreitete
sich die Sitte der Bücherzeichen von Deutschland,
dem Stammlande desselben und eigentlichem Mutter-
lande aller graphischen Künste, immer weiter, so
auch nach Frankreich und England. Viel Kunst und
Erfindungsgabe wurde zu Zeichnung sowol, wie
zu dem das Zeichen oft begleitenden Spruch auf-
gewendet; auch die Originalität feierte vielfach ihre
Triumphe, wie das große Igelzeichen eines ge-
wissen Hans Knabenberg, alias Igler, bekundet, das
auf dem Spruchband über dem stachlichten Mäuse-
jäger den kitzlichen Wunsch ausspricht :
„Dass Dich ein Igel küss'."
Man blieb der Sitte Jahrhunderte lang treu,
und durchblättert man heute eine gut geordnete Ex
libris-Sammlung, so kann man die herrschenden
Stilarten fast in den Bücherzeichen verfolgen ; da
sieht man Blätter in Renaissance-, Barock-, Rokoko-,
Zopf- und Empirestil und findet gar oft Produkte
von hohem künstlerischen Werthe darunter. Dazu
gehört freilich das Ex libris nicht, welches der
große Goethe als Student demVater seines geliebten
Käthchens Schönkopf für dessen jedenfalls mäßige
Büchersammlungradirte und das in einer schlecht ge-