XV. Bd, Nr, 10.
ALLGEMEINE
Herausgeber:
Wilhelm Lauser,
WIEN.
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1891
Erstes Mailieft
St, Paul in Kärnten.
(1. Mai 1091 bis 1. Mai 1891.)
euer bringt der ein-
ziehende Lenz dem
„Paradiese Kärn-
tens", dem reizen-
den Lavantthale,
eine selten schöne
Feier mit dem auf
den I. Mai fal-
lenden 8oojäbrigen
Jubiläum der Bene-
diktiner-Abtei St.
Paul. Und da dieses
altberühmte Stift
dem Besucher eine
Fülle kunsthistorischer Denkmäler bietet, so ist
es wol gerechtfertigt, wenn wir aus Anlass des
genannten Gedächtnistages unsere Leser im Geiste
in jene denk- und merkwürdigen Klosterhallen
führen und an ihnen die Schätze dieses auch durch
Geschichte und Kunst geweihten Hauses vorbei-
ziehen lassen.
Stift St. Paul vom Grafen Engelbert von La-
vant-Sponheim unter dem I. Mai 1091 gegründet
und an Stelle einer alten Burg des Grafen von La-
vant am Eingänge in das fruchtbare Lavantthal
erbaut, liegt auf einem mäßigen Hügel, der an
seinem Fuße seit 1631 mit einer aus Bruchsteinen
aufgeführten Mauer umgeben erscheint. Dieselbe
wird nur südlich durch einen mächtigen der Rund-
form des Hügels folgenden Bau unterbrochen, der
das mit Säulen gezierte hohe Eingangsthor zu dem
höher gelegenen Stiftsgebäude und zur Stifts-
kirche enthält und in seinen übrigen Theilen
theils zu ärarischen Kanzleien, theils zu wirth-
schaftlichen Zwecken verwendet wird. Die Abhänge
des Stiftshügels innerhalb der Gartenmauer sind
auf drei Seiten in einen Baumgarten verwandelt,
während der südliche Theil in drei Absätzen
terrassenförmig geebnet ist, auf dem Blumen-,
Gemüse- und versuchsweise auch Weinkultur
getrieben wird; das Warmhaus birgt der exotischen
Gewächse duftenden Wald.
Über breit angelegte, hellschimmernde Stein-
treppen erklimmt man die letzte Terrasse und steht
auf der sogenannten Südpromenade angesichts
der einen Längsseite der Stiftskirche, deren Neubau
nach Abbruch der ersten 1093 durch die aus Hir-
sau in Schwaben hereingekommenen Mönche ge-
weihten Kirche etwa in die zweite Hälfte des
XII. Jahrhundertes zurückreicht.
In dieser reich angelegten Kirche kommt allein
(in Kärnten) das Schema einer romanischen Kreuz-
basilika mit vortretendem Querschiffe, zwei West-
thürmen, Chorquadrat und drei Ostapsiden voll-
ständig zur Durchführung. Die Schiffe sind durch
breite Pfeiler geschieden, welchen Halbsäulen in
der Längsrichtung vorgelegt sind. Ein Gurtbogen
vor dem eigentlichen Querhause trennt das jüngere
einfachere Länghaus von dem mit großer Eleganz
und reicher Formschönheit ausgeführten Querschiff
und Chor. Wunderliche Werkstücke vom ursprüng-
lichen Baue sind an den jüngeren Westthürmen
verwendet worden. Was dem wolerhaltenen und gut-
gepflegten Bau zum besonderen Vortheile gereicht,
ist seine hohe Lage auf einem terrassenförmigen
Unterbaue, sein wolgegliederter Sockel, der nur
einmal durch den edlen Portalvorbau durchbrochen
wird. Die Details an diesem Kirchenbaue sind sehr
mannigfaltig gebildet. Vom dekorirten Würfelkapitäl
bis zum fast gothisch stilisii ten Blattkapitäl erblickt