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Allgemeine Kunstchronik: ill. Zeitschr. für Kunst, Kunstgewerbe, Musik, Theater u. Litteratur — 15.1891

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Allgemeine Kunst-Chronik. XV. Band Nr. 20
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https://doi.org/10.11588/diglit.73795#0585
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Der Theaterbesuch vor 1891 Jahren.
Eine kulturhistorische Studie von Dr. Fr. Xaver Ess.


s war im Jahre 63 v.
Chr., am 5. Februar,
als zum erstenmale
' die Stadt Pompeji in
Italien von einem mit
} tödtlichen Erdaus-
hauchungen beglei-
teten Erdbeben heim-
gesucht wurde. Die
Stadt wurde, soweit
sie in Trümmern lag,
wieder aufgebaut,
.aber schon am 24.
August des Jahres 79, Mittags I Uhr, wiederholte
sich das Erdbeben, und in wenigen Stunden war von
der Stadt nichts mehr zu sehen ; ein Lavastrom hatte
sie zugedeckt. Bulwer hat in dem Roman „Die letz-
ten Tage von Pompeji" die Szenen der Verschüttung
anschaulich geschildert. — Kaiser Titus versuchte
vergebens, Pompeji und Herkulanum auszugraben ;
erst 1748 stießen Bauern bei der Bearbeitung eines
Weinberges auf altes Gemäuer, was die Aufmerksam-
keit der Behörde erregte. In demselben Jahre noch be-
gann man dann die Ausgrabung des Amphitheaters ;
1825 wurden jährlich 7000 Ducati (= 24.600 Mark)
angewiesen, um die Ausgrabungen zu fördern, und
bis in die neueste Zeit herein hat man diese fort-
geführt. Uns interessiren hier nur die aufgefundenen
Theater, deren Pompeji zwei besaß, und zwar
nebeneinander am südlichen Abhange des Stadt-
hügels. Das größere war für dramatische Auffüh-
rungen bestimmt, das kleinere, bedeckte, für musi-
kalische und kleinere dramatische. Die Anlehnung
der Theater an einen Hügelabhang scheint dafür
zu sprechen, dass sie griechischen Ursprungs sind;

denn die Theater in Rom erhoben sich frei vom
Boden. Allein der ganze Bau ist römisch, und sogar
der Name des Baumeisters ist in einer Inschrift ver-
ewigt.
Das griechische Drama, Tragödie wie Komö-
die, ist aus einer religiösen Feier hervorgegangen,
nämlich aus der Festfeier zu Ehren des Weingottes.
Zur Zeit der Weinlese schweifte ein Chor umher
und sang unter Tanz bald lustige, bald ernste Lieder
zu Ehren des Gottes. Um besser gehört zu werden,
stellte sich der Chor auf eine Erhöhung (Thespis
spielte auf einem Karren); dies that später der
Redende, der die Chorlieder unterbrach. So war
die Dreitheilung des griechischen Theaters ge-
geben : die Bühne (Skene) für den Redner, der
Tanzplatz ^Orchestra) für den Chor und der um
diesen Halbkreis geschlossene Zuschauerraum
(Theatron). Dieser war öfters auch ein etwas
größerer Kreisausschnitt, dessen Schenkel bei un-
serem Theater hufeisenförmig in einer fast geraden
Linie gegen die Bühne verlängert sind. Der Kreis-
ausschnitt ist in eine Reihe ganz umlaufender
Sitze eingetheilt, welche im griechischen Theater
an den Abhang des Hügels angelehnt wurden, wäh-
rend das römische Theater sie auf mächtigen Bogen
und Gewölben anlegte. Sämmtliche Sitzstufen waren
in doppelter Weise zerfällt: einmal durch eine An-
zahl breiter Umgänge {diazoma, praecinctio) im
Sinne unserer „Ränge", und dann durch eine An-
zahl kleiner Treppen, die von der Orchestra bis zu
der Höhe der Sitzreihen emporliefen und diese
wieder in sogenannte Keile (kerkis, cuneus) theilten.
Durch diese Eintheilung konnte man seinen Platz
leicht finden und in der Eile, z. B. bei Regenschauern,
das Theater ohne Gefahr schnell verlassen. Jeder
 
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