Meissonier t
ei vollem Bewusstsein, in un-
geschwächter Schaffenskraft,
von leidenschaftlicher Theil-
nahmefür die Kunstangelegen-
heiten seines Landes erfüllt,
ist am 31. Jänner zu Paris, als
Achtzigjähriger, Ernst Meis-
sonier gestorben, der ge-
schätzteste und berühmteste unter den zeitgenös-
sischen Malern Frankreichs. Unter den zahllosen
Kränzen, welche auf seinen Sarg niedergelegt
wurden, befand sich auch einer von der Genossen-
schaft der bildenden Künstler Wiens. Dieselbe
hat damit nur einer einfachen Dankespflicht ge-
nügt, da der französische Meister gegen unsere
Künstler stets große Freundlichkeit an den Tag
gelegt und als Besucher unserer Weltausstellung
1873 in ihrem Kreise manche persönlichen Be-
ziehungen angeknüpft hatte. Für die Bedeutung
unseres Makart hatte er zwar nie Verständnis
gehabt, und als dessen „Todsünden" zur Aus-
stellung im Industriepalaste der Elysäischen Felder
ankamen, ließ er die kaum geöffnete Kiste
wieder schließen mit den Worten: „Das ist keine
Malerei." Um so höher wusste er jedoch, wie den
Berliner Menzel, unseren Pettenkofen zu schätzen,
in dessen Nachlasse wir ein Blatt Meissonier's ge-
sehen haben mit der Widmung: „Meinem lieben
Freunde Pettenkofen." Für den Anwert, den der
französische Meister auch in unserer Mitte fand,
zeugt die Thatsache, dass er auch in hiesigen Ge-
mäldesammlungen mit hervorragenden Werken ver-
treten ist. Zwei derselben sahen wir erst kürzlich
in der Liechtenstein-Sammlung, zwei andere hatte
uns Freiherr v. Königswarter in seiner Sammlung
vor einem Jahre sehen lassen, und auch Freiherr von
Springer besitzt deren aus dem Erbe seines Vaters.
Meissonier ist am 21. Februar 1811 zu Lyon
als Sohn eines Spezereihändlers geboren, in dessen
Geschäft er auch eintreten sollte. Allein die Neigung
zum Malen ließ ihn die Wünsche der Eltern über-
hören und Jahre der größten Entbehrungen über-
dauern, während deren er Tag und Nacht zeichnete.
Er arbeitete damals vorzugsweise für Illustrations-
werke — wie Pettenkofen machte er auch Zeich-
nungen für den Gilblas. Die Kunsthändler wollten
damals von seinen Zeichnungen nichts wissen, und
Meissonier, dessen letztes Bild bekanntlich mit mehr
als 800.000 Frcs. bezahlt wurde, hat aus Groll
hierüber sein Leben lang nie mehr mit einem Kunst-
händler zu thun gehabt. Obwol noch nicht zwanzig-
jährig, hatte er schon mit dem Klassizismus zu
brechen gewagt, gegen welchen im Beginne der
Dreißigerjahre der große Sturm der Romantiker
losging. Das erste Bild, das er im „Salon" aus-
stellte, war 1834 se'n „Besuch beim Bürgermeister",
dem nun fast Jahr für Jahr nachfolgte die „Schach-
partie", „Nonnen einen Kranken tröstend", der
„Englische Doktor", „St. Paulus und Jesaias", „Der
Lesende", „Ein Hellebardier", „Schachpartie",
„Maler im Atelier", „Corps de Garde", „Junger
Mann, Zeichnungen betrachtend", „Partie Piquet",
„Violonzellist", „Kupferstichliebhaber",„Raucher",
„Incroyable" ; dann die berühmten Napoleonbilder,
1805, 1807, 1814. Auf der Weltausstellung von
1867 sahen wir von ihm „Vorlesung bei Diderot",
„Reiter, die sich einschenken lassen", „Bildnis",
„Eine Vorlesung", „Eine Ordonnanz", „General
Desaix bei der Rheinarmee", „Das Bekenntnis",
„Ein Maler", „Die Erwartung", „Der Bilderlieb-
haber", „Ein Mann an seinem Fenster", „Unter der
Regentschaft". Auf der Weltausstellung von 1878
hatte er „1805", „Venezianischer Maler", „Auf der
Treppe", „Philosoph", „Bildnis A. Dumas' Sohn",