Allgemeine Kunst-Chronik.
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vollsten macht, ist die große Zahl gut erhaltener Wagen-
reste und die Reste von Kleidern, Teppichen u. s. w.,
die nur durch das Wasser erhalten wurden. Da die Grab-
kammer nahezu in der Höhe der Erdoberfläche liegt, ist
man zu der Annahme berechtigt, dass das Wasser seiner-
zeit vor Schließung der Grabkammer in dieselbe gebracht
wurde, um die Leichen vor Beraubung zu schützen.
Baden-Baden. Am II. d. M. wurde im Abonne-
ments-Konzert im großen Saale des Konversationshauses
J. Rosenhain's jüngste Komposition, „Am Abend",
Stimmungsbilder für Streichorchester, op. 99, aufgeführt
und dem greisen Künstler stürmische Beifallshuldigungen
dafür dargebracht.
Frankfurt. Nach dem Preisausschreiben für das
Denkmal Kaiser Wilhelms I. dahier sind für die
drei hervorragendsten Entwürfe Preise von je 4000 Mark
ausgesetzt. Das Preisgericht (Bildhauer Robert Dietz-
Dresden, Ferd. v. Miller-München, Professor F. Schaper-
Berlin, Architekt Franz v. Hoven und Professor Eugen
Klimsch) bezeichnete die Nummern 9 (Motto: „München
1890"), II („Palatium") und 20 („Siegesbahn") als die
drei besten. Als Verfasser ergaben sich: Nr. 9 Rudolf
Maison, Bildhauer, und Leonhard Romeis, Architekt,
München; Nr. II Clemens Buscher, Bildhauer in
Düsseldorf; Nr. 20 Werner Stein, Bildhauer in Leipzig.
Berlin. Am 21. d. M. ist Professor August W re-
dow, der Nestor der deutschen Bildhauer, ein Schüler
Rauch's, im Alter von 86 Jahren gestorben. Sein be-
kanntestes Werk ist die Marmorgruppe auf der Berliner
Schlossbrücke: „Die Siegesgöttin, den gefallenen Helden
zum Olymp emportragend".
Leipzig. Die hiesige „Kunst-Chronik" erhebt
den Nothschrei: „Der altehrwürdige Dom zu Magde-
burg soll verunglimpft werden! Das herrliche, stolze
Bauwerk, der nördlichste Vertreter des gothischen Stils in
Sandstein, soll längs seiner Südfront verkleistert werden
mit einer Bureaukaserne! — Tilly hat ihn vor 259 Jahren
geschont, heutzutage soll ein lutherisches Konsistorium
den Dom von Magdeburg respektiren !" Es ist zu hoffen,
dass noch in letzter Stunde dieser Nothschrei zu Berlin
am gehörigen Orte Gehör finde.
Paris. Die französische Kunst hat in diesem
Monate schwere Verluste erlitten. Im 54. Lebensjahre
ist Bildhauer Eug. Delaplanche, der Schüler Durets
und Genosse eines P. Dubois, Saint-Marceaux, Antonin
Mercie und Falguiere, gestorben Er hatte 1858 den
zweiten Rom-Preis mit seinem „Achilleus" davonge-
tragen; 1866 im „Salon" eine erste Auszeichnung mit
seinem „Knaben auf einer Schildkröte"; eine zweite
1868 mit einem „Pecoraro", eine dritte 1870 mit einer
„Eva nach dem Sündenfalle", die sich im Luxembourg
befindet; 1878 erhielt er die Ehrenmedaille und das
Ehrenlegions-Kreuz. Er war mit P. Dubois, Falguiere
und Ant. Mercie einer von Denjenigen, welche die Be-
wegung der französischen Bildhauerschule von einem
engherzigen Klassizismus hinweg zu der wiederauf-
lebenden Natürlichkeit, der lebendigen Formengebung
und richtigen Charakterisirung beschleunigten.
Ihm folgte im Tode der Bildhauer Aime Millet,
75 Jahre alt. Derselbe machte seine Studien im Malen
und in der Bildhauerei bei David und stellte im Salon
von 1842 zum ersten Male drei Zeichnungen aus.
Seine erste Statue war eine Bacchantin. 1857 stellte er
eine „Ariadne" aus, die sich jetzt im Luxembourg-Museum
befindet. Sein „Vercingetorix" in Bronze steht in Alise-
Ste.-Reine (Cote d'Or). Ferner erwähnen wir „Cassandra
stellt sich unter den Schutz der Pallas", einen „Merkur"
und „Die bürgerliche Gerechtigkeit".
Noch einen weiteren Verlust hat die französische
Bildhauerei zu beklagen durch den Tod Ch. Gauthier's,
Professors an der Nationalschule der dekorativen Künste.
Derselbe hatte im „Salon" drei Medaillen davongetragen,
eine silberne bei der Weltausstellung von 1889 für seine
Standbilder „Jouffroy", „d'Albans" und „Kleopatra".
Ein schwerer Verlust traf auch die Musikwelt
durch den Tod Leo Delibes'. Derselbe war 1836 zu
St. Germain du Val (Sarthe) geboren, wurde 1848 Schüler
des Pariser Konservatoriums, 1853 auf Adams Em-
pfehlung Akkompagnateur am Theätre lyrique und später
Organist an der Kirche St. Jean et St. Francois. 1855
kam seine erste einaktige Operette: „Deux sacs de char-
bon" auf dem Theätre des Folies-Nouvelles zur Auf-
führung, welcher bald andere in den Bouffes parisiens
folgten. Das Theätre lyrique brachte zwei einaktige ko-
mische Opern: „Maitre Griffard" (1857) und „Le jar-
dinier et son maitre" (1863). Mehr und mehr zeigte sich
Delibes' Talent für eine feine, graziöse, heitere Musik,
doch kam derselbe erst in sein eigentliches Element, als
sich ihm die Pforten der großen Oper öffneten, an
welcher er 1865 als zweiter Chordirektor angestellt wurde.
1866 brachte diese das Ballet „La source" (in Wien als
„Naila, die Quellenfee" gegeben), zu dem Delibes in Ge-
meinschaft mit Minkus die Musik geschrieben hatte;
der Erfolg der von Delibes komponirten Nummern war
ein entscheidender. 1870 folgte das Ballet „Coppölia" das
seinen Ruf als Komponist endgiltig feststellte, 1876
das Ballet „Sylvie, ou la nymphe de Diane". Inzwischen
war auch die komische Oper „Le roi l'a dit" 1873 mit
großem Erfolg zur Aufführung gelangt und ist seitdem
auch über deutsche Bühnen gegangen. Für Delibes'
bestes Werk gilt „Coppelia"; bei den übrigen schädigt
nicht selten das mangelhafte Libretto den Erfolg der
Musik. Delibes hat späterhin seine Chordirektorstelle auf-
gegeben und war seit 1880 Professor der Komposition
am Pariser Konservatorium.
Die Budget-Kommission hat den Entwurf in Betreff
der Bewilligung eines Kredits von 500.000 Franks für
Ausgrabungen in Delphi angenommen.
London. Die königliche Akademie der Künste
wählte an Stelle des verstorbenen Bildhauers Sir Edgar
Böhm und des wegen vorgerückten Alters ausgetretenen
Malers Calder Marshall den Bildhauer Brock und den
Maler Gow zu Mitgliedern, und an Stelle des zum Mit-
glied aufgerückten Malers Hubert Herkomer den Land-
schaftsmaler David Murray zum Beigeordneten.
Bern. Der Bundesrath beauftragte den Wiener
Architekten Auer mit der Ausarbeitung des Projektes
für das eidgenössische Parlamentsgebäude. — Der bekannte
Berner Maler und Bildhauer Karl Stauffer ist in Florenz
gestorben.
Zürich. Die Herren Kautzky und Rottonara
in Wien erhielten den Auftrag, den Hauptvorhang für
das neue Stadttheater auszuführen.
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vollsten macht, ist die große Zahl gut erhaltener Wagen-
reste und die Reste von Kleidern, Teppichen u. s. w.,
die nur durch das Wasser erhalten wurden. Da die Grab-
kammer nahezu in der Höhe der Erdoberfläche liegt, ist
man zu der Annahme berechtigt, dass das Wasser seiner-
zeit vor Schließung der Grabkammer in dieselbe gebracht
wurde, um die Leichen vor Beraubung zu schützen.
Baden-Baden. Am II. d. M. wurde im Abonne-
ments-Konzert im großen Saale des Konversationshauses
J. Rosenhain's jüngste Komposition, „Am Abend",
Stimmungsbilder für Streichorchester, op. 99, aufgeführt
und dem greisen Künstler stürmische Beifallshuldigungen
dafür dargebracht.
Frankfurt. Nach dem Preisausschreiben für das
Denkmal Kaiser Wilhelms I. dahier sind für die
drei hervorragendsten Entwürfe Preise von je 4000 Mark
ausgesetzt. Das Preisgericht (Bildhauer Robert Dietz-
Dresden, Ferd. v. Miller-München, Professor F. Schaper-
Berlin, Architekt Franz v. Hoven und Professor Eugen
Klimsch) bezeichnete die Nummern 9 (Motto: „München
1890"), II („Palatium") und 20 („Siegesbahn") als die
drei besten. Als Verfasser ergaben sich: Nr. 9 Rudolf
Maison, Bildhauer, und Leonhard Romeis, Architekt,
München; Nr. II Clemens Buscher, Bildhauer in
Düsseldorf; Nr. 20 Werner Stein, Bildhauer in Leipzig.
Berlin. Am 21. d. M. ist Professor August W re-
dow, der Nestor der deutschen Bildhauer, ein Schüler
Rauch's, im Alter von 86 Jahren gestorben. Sein be-
kanntestes Werk ist die Marmorgruppe auf der Berliner
Schlossbrücke: „Die Siegesgöttin, den gefallenen Helden
zum Olymp emportragend".
Leipzig. Die hiesige „Kunst-Chronik" erhebt
den Nothschrei: „Der altehrwürdige Dom zu Magde-
burg soll verunglimpft werden! Das herrliche, stolze
Bauwerk, der nördlichste Vertreter des gothischen Stils in
Sandstein, soll längs seiner Südfront verkleistert werden
mit einer Bureaukaserne! — Tilly hat ihn vor 259 Jahren
geschont, heutzutage soll ein lutherisches Konsistorium
den Dom von Magdeburg respektiren !" Es ist zu hoffen,
dass noch in letzter Stunde dieser Nothschrei zu Berlin
am gehörigen Orte Gehör finde.
Paris. Die französische Kunst hat in diesem
Monate schwere Verluste erlitten. Im 54. Lebensjahre
ist Bildhauer Eug. Delaplanche, der Schüler Durets
und Genosse eines P. Dubois, Saint-Marceaux, Antonin
Mercie und Falguiere, gestorben Er hatte 1858 den
zweiten Rom-Preis mit seinem „Achilleus" davonge-
tragen; 1866 im „Salon" eine erste Auszeichnung mit
seinem „Knaben auf einer Schildkröte"; eine zweite
1868 mit einem „Pecoraro", eine dritte 1870 mit einer
„Eva nach dem Sündenfalle", die sich im Luxembourg
befindet; 1878 erhielt er die Ehrenmedaille und das
Ehrenlegions-Kreuz. Er war mit P. Dubois, Falguiere
und Ant. Mercie einer von Denjenigen, welche die Be-
wegung der französischen Bildhauerschule von einem
engherzigen Klassizismus hinweg zu der wiederauf-
lebenden Natürlichkeit, der lebendigen Formengebung
und richtigen Charakterisirung beschleunigten.
Ihm folgte im Tode der Bildhauer Aime Millet,
75 Jahre alt. Derselbe machte seine Studien im Malen
und in der Bildhauerei bei David und stellte im Salon
von 1842 zum ersten Male drei Zeichnungen aus.
Seine erste Statue war eine Bacchantin. 1857 stellte er
eine „Ariadne" aus, die sich jetzt im Luxembourg-Museum
befindet. Sein „Vercingetorix" in Bronze steht in Alise-
Ste.-Reine (Cote d'Or). Ferner erwähnen wir „Cassandra
stellt sich unter den Schutz der Pallas", einen „Merkur"
und „Die bürgerliche Gerechtigkeit".
Noch einen weiteren Verlust hat die französische
Bildhauerei zu beklagen durch den Tod Ch. Gauthier's,
Professors an der Nationalschule der dekorativen Künste.
Derselbe hatte im „Salon" drei Medaillen davongetragen,
eine silberne bei der Weltausstellung von 1889 für seine
Standbilder „Jouffroy", „d'Albans" und „Kleopatra".
Ein schwerer Verlust traf auch die Musikwelt
durch den Tod Leo Delibes'. Derselbe war 1836 zu
St. Germain du Val (Sarthe) geboren, wurde 1848 Schüler
des Pariser Konservatoriums, 1853 auf Adams Em-
pfehlung Akkompagnateur am Theätre lyrique und später
Organist an der Kirche St. Jean et St. Francois. 1855
kam seine erste einaktige Operette: „Deux sacs de char-
bon" auf dem Theätre des Folies-Nouvelles zur Auf-
führung, welcher bald andere in den Bouffes parisiens
folgten. Das Theätre lyrique brachte zwei einaktige ko-
mische Opern: „Maitre Griffard" (1857) und „Le jar-
dinier et son maitre" (1863). Mehr und mehr zeigte sich
Delibes' Talent für eine feine, graziöse, heitere Musik,
doch kam derselbe erst in sein eigentliches Element, als
sich ihm die Pforten der großen Oper öffneten, an
welcher er 1865 als zweiter Chordirektor angestellt wurde.
1866 brachte diese das Ballet „La source" (in Wien als
„Naila, die Quellenfee" gegeben), zu dem Delibes in Ge-
meinschaft mit Minkus die Musik geschrieben hatte;
der Erfolg der von Delibes komponirten Nummern war
ein entscheidender. 1870 folgte das Ballet „Coppölia" das
seinen Ruf als Komponist endgiltig feststellte, 1876
das Ballet „Sylvie, ou la nymphe de Diane". Inzwischen
war auch die komische Oper „Le roi l'a dit" 1873 mit
großem Erfolg zur Aufführung gelangt und ist seitdem
auch über deutsche Bühnen gegangen. Für Delibes'
bestes Werk gilt „Coppelia"; bei den übrigen schädigt
nicht selten das mangelhafte Libretto den Erfolg der
Musik. Delibes hat späterhin seine Chordirektorstelle auf-
gegeben und war seit 1880 Professor der Komposition
am Pariser Konservatorium.
Die Budget-Kommission hat den Entwurf in Betreff
der Bewilligung eines Kredits von 500.000 Franks für
Ausgrabungen in Delphi angenommen.
London. Die königliche Akademie der Künste
wählte an Stelle des verstorbenen Bildhauers Sir Edgar
Böhm und des wegen vorgerückten Alters ausgetretenen
Malers Calder Marshall den Bildhauer Brock und den
Maler Gow zu Mitgliedern, und an Stelle des zum Mit-
glied aufgerückten Malers Hubert Herkomer den Land-
schaftsmaler David Murray zum Beigeordneten.
Bern. Der Bundesrath beauftragte den Wiener
Architekten Auer mit der Ausarbeitung des Projektes
für das eidgenössische Parlamentsgebäude. — Der bekannte
Berner Maler und Bildhauer Karl Stauffer ist in Florenz
gestorben.
Zürich. Die Herren Kautzky und Rottonara
in Wien erhielten den Auftrag, den Hauptvorhang für
das neue Stadttheater auszuführen.