Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Allgemeine Kunstchronik: ill. Zeitschr. für Kunst, Kunstgewerbe, Musik, Theater u. Litteratur — 15.1891

DOI issue:
Allgemeine Kunst-Chronik. XV. Band Nr. 5
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.73795#0153
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Allgemeine Kunst-Chronik.

131

Frau geworden. Nun, sie mag sich trösten
— hätte ein Anderer, ein Engländer oder
ein Franzose, ein Chinese oder ein Samo-
jede eine Abhandlung über die Frauen
seiner Nation geschrieben, er hätte ziem-
lich dasselbe zu sagen gehabt, sie bleiben
sich eben überall und zu allen] Zeiten in
den Grundzügen ihrer Natur gleich, die
lieben Frauen, und es trägt nicht zum
Wenigsten zu der Ergötzlichkeit des
Schultz'schen Buches bei, dass fast Alles,
was die von ihm angeführten Männer des
achtzehnten Jahrhunderts, wie Abraham
a Santa Clara, Amandus Sincerus, J.
Chr. Günther u. A. über die Frauen von
damals sagen, auch auf die Evastöchter
von heute anzuwenden wäre. Dr. Alwin
Schultz geht sehr genau auf das Leben
der deutschen Frau zu Anfang des acht-
zehnten Jahrhunderts ein. Wir erfahren
von ihm jedes Bändchen, jeden Strumpf,
jedes Hemd und jedes Häubchen, das die
Frau von damals anzulegen und zu ge-
brauchen pflegte. Diese Zeit stand voll-
ständig untr französischem Einflüsse, und
da ist es denn staunenswert, was eine
Dame von anno 17** zu ihren „noth-
wendigen Lebensbedürfnissen" zählte. Der
Vers unter dem beigegebenen, dem Werke
des Dr. Schultz entnommenen, Bild, Nürn-
berger Modetracht aus der zweiten Hälfte
des siebzehnten Jahrhunderts, ist ein
Stoßseufzer über die damalige Verrückt-
heit (der die heutige wenig nachgibt),
und Abraham a Santa Clara sagt in seiner
gewohnten drastischen Weise von der
Modewuth der eleganten Damen: „Sie
traget sich nach der Modi; das Klayd
stehet ihr inniglich schön an; sie ist recht
Gallant in dem Aufzug; sie gehet recht
sauber, alles ist Bizarr an ihr; die Tracht gibt
ihrer hübschen Gestalt erst recht einen Garbo;
es ist halt so schön, wenn man ehrlich aufizieht, und
nicht so schlampend, wie eine Tändler Butten,"
aber jetzt kommt, was ihn verdrießt: „Absonderlich
thun sie gern die Frembde beherbergen, aber nur,
verstehe mich wol, frembde Kleyder-Modi, wann
etwas Frembdes in die Stadt Wienn kommt, da will
ein jede die erste seyn, die frembde Modi, den
frembden Zeug in ihre Herberg auffzunemmen ; aber
es kost vil. ,Was schadet es,' sagt manche, ,ich will
es lieber am Maul erspahren, wenn ich nur kann
sauber dahergehen ; ich will lieber schlechte Brocken
genießen, wann ich nur einen schönen Procath kann
tragen; ich will lieber mit einer Wassersuppen vor-
lieb nehmen, wenn ich nur einen gewässerten Taffet
am Leibe habe, ich will lieber trockene Knödel
oder Knöpfle essen, wann ich nur einen sauberen
Rock kan haben."
Wenn man, um die zarteren Ohren unserer
reizenden Zeitgenossinnen nicht zu verletzen, die
klotzige Redeweise des ehrlichen Pater Abraham


Laden einer Modewaaren-Händlerin.

in eine glättere Sprache umsetzt, passt nicht Alles
ganz genau auf unsere Zeit? Und nicht weniger
mannigfaltig und erfindungsreich wie heute waren
unsere Ur-Urgroßmütter in den verschieden ge-
formten und den verschiedensten Zwecken dienenden
Kleidern, wie sich das auf dem Gedichtchen unter
dem zweiten hier wiedergegebenen Bilde, das wir
gleichfalls dem Werke des Dr. Schultz entnehmen,
ausdrückt. Abraham, dem das natürlich nicht ent-
geht, sagt: „Die Zahl deiner Klayder: ein Hauss-
klayd, ein Raissklayd, ein Sommerklayd, ein Winter-
klayd, ein Frühlingsklayd, ein Herbstklayd, ein Rath-
klayd, ein Kirchenklayd, ein Hochzeitklayd, ein
Galaklayd, ein Klagklayd, ein Feyrtagsklayd, ein
Werchtagsklayd, ein Oberklayd, ein Unterklayd,
ein Wetterklayd, ein Strapacirklayd, ein Spanier-
klayd; Holla! auch ein Narrenklayd für die Fasst-
nacht."
Natürlich ist es die Jugend, die sich ganz ab-
sonderlich und sorgfältig schmückt, und natürlich
thut sie das, um Eroberung zu machen. Darin wird
nun weiter nichts Schlechtes erblickt, gewiss nicht,
 
Annotationen