Allgemeine Kunst-Chronik:
133
heutige Jugend! Zu meiner Zeit war das
anders!" Hören wir doch einmal wieder
Abraham a Santa Clara: „Die Kinder
kommen kaum aus der Wiegen, so werden
sie gleich geschmiert, geschniert, ge-
schmückt, gedruckt, und hat die Seel in
ihrem Leib gar ein hartes Quartier . . .
Da wird der kleine Frantzl instruirt in
dem Tantzl, die Jungfrau Gretl tanzt ein
Menuetl, die Mariandl ein Sarabandl, und
einen Bouree die junge Dorothee; sie
bucken sich weit tiefer im Tantzen, als
in der Kirchen vor der Monstrantzen. So-
dann meldet sich auch der Sprachmeister
an, da müssen sie schon Frantzösisch pla-
perln, wie die Paperln, schrein oui, oui,
oui, wie die Schwein, dieses geht ihnen
weit besser als das Vatter-Unser ein . . ."
u. s. w.
Was ansonsten die Moral betrifft, so
erfahren wir, dass es schon zu Anfang des
18. Jahrhunderts keine Kinder mehr ge-
geben hat und dass die Frauen schon da-
mals in Ohnmacht fielen oder Weinkrämpfe
bekamen, wenn sie bei ihrem Manne keine
Toilette durchsetzen konnten. Folgendes
Zwiegespräch aus der Komödie Quasi
Vero ist bezeichnend: Dame: „Herr,
sperre er sich nicht viel. Schulden hin,
Schulden her; der Staat muss gehalten
sein. Wer bei dieser Zeit getrauet, eine
Dame von Extraktion zu nehmen, muss
keine Spesen scheuen. — Herr: Mon
coeur, denke doch, unsere beede Patri-
monia seynd ausgeflogen, Kapitalia haben
wir aufgenommen, das Interesse schwellet
auf, der Kredit schwindet. Woher nehmen?
- — Dame: O Du Hasen Hertz! Willst Du
denn kein großer Herr werden ? Je größer
die Schulden, je größer der Herr!...."
Man sieht, es hat sich im Ganzen wenig ge-
ändert, und das treffliche Buch Dr. Alwin Schultz',
das wegen seiner anziehenden Schreibweise und
wegen des in demselben entwickelten kompilatori-
schen Fleißes gleich zu rühmen ist, ist wie ein
Spiegel, der unserer Zeit, unseren Frauen vor-
gehalten zu werden scheint.
Doch wir müssen vorsichtig sein. Heutzutage
gibt es emanzipirte Frauen, die es damals noch
nicht gab, und sie schreiben Bücher, — die meisten
schlechte, einige aber gute, — und wie leicht könnte
es Einer einfallen, das,, Alltagsleben eines deutschen
Mannes" zu schildern. Da kämen schöne Dinge zu
Tage. Darum wollen wir unsere Zeitgenossinnen nicht
weiter reizen. Wir haben ein schlechtes Gewissen,
und wer in einem Glashause sitzt, soll nicht mit
Steinen werfen., H.v.L
£im t@#n^fl^r frou -
g)na {Donna di c^orwnborya. -
Une Femme de Nirenibeg,
Aus dem Leben eines fahrenden Wiener
Malers,*)
Meine Unthat auf der Kunstausstellung.
Der Frühling des Jahres 1837 brachte endlich die
sehnlich erwartete Kunstausstellung. Sehnlichst erwartet,
denn sie sollte mein Renommee begründen. Was ich in
den wenigen Jahren meines Strebens erreicht hatte, war
dazu angethan, meine Erwartungen hoch und höher zu
steigern. Von allen Seiten sagte man mir, ich besäße ein
schönes Talent, in der Gesellschaft war ich sehr wol
aufgenommen, einflussreiche Männer zeichneten mich aus,
die Frauen waren liebenswürdig gegen mich — kurz,
ich zweifelte keinen Augenblick, auf dem besten Wege
zu sein, mir einen glänzenden Namen zu machen. Weicher
23jährige Künstler zweifelt daran ?
Die Ausstellung wurde eröffnet. Ich hatte diesen
Tag erwartet, wie einen, der mir Glück bringen musste,
ja mit einer Art Siegessicherheit; jetzt, da er endlich da
*) S. Heft 3 und 4.
133
heutige Jugend! Zu meiner Zeit war das
anders!" Hören wir doch einmal wieder
Abraham a Santa Clara: „Die Kinder
kommen kaum aus der Wiegen, so werden
sie gleich geschmiert, geschniert, ge-
schmückt, gedruckt, und hat die Seel in
ihrem Leib gar ein hartes Quartier . . .
Da wird der kleine Frantzl instruirt in
dem Tantzl, die Jungfrau Gretl tanzt ein
Menuetl, die Mariandl ein Sarabandl, und
einen Bouree die junge Dorothee; sie
bucken sich weit tiefer im Tantzen, als
in der Kirchen vor der Monstrantzen. So-
dann meldet sich auch der Sprachmeister
an, da müssen sie schon Frantzösisch pla-
perln, wie die Paperln, schrein oui, oui,
oui, wie die Schwein, dieses geht ihnen
weit besser als das Vatter-Unser ein . . ."
u. s. w.
Was ansonsten die Moral betrifft, so
erfahren wir, dass es schon zu Anfang des
18. Jahrhunderts keine Kinder mehr ge-
geben hat und dass die Frauen schon da-
mals in Ohnmacht fielen oder Weinkrämpfe
bekamen, wenn sie bei ihrem Manne keine
Toilette durchsetzen konnten. Folgendes
Zwiegespräch aus der Komödie Quasi
Vero ist bezeichnend: Dame: „Herr,
sperre er sich nicht viel. Schulden hin,
Schulden her; der Staat muss gehalten
sein. Wer bei dieser Zeit getrauet, eine
Dame von Extraktion zu nehmen, muss
keine Spesen scheuen. — Herr: Mon
coeur, denke doch, unsere beede Patri-
monia seynd ausgeflogen, Kapitalia haben
wir aufgenommen, das Interesse schwellet
auf, der Kredit schwindet. Woher nehmen?
- — Dame: O Du Hasen Hertz! Willst Du
denn kein großer Herr werden ? Je größer
die Schulden, je größer der Herr!...."
Man sieht, es hat sich im Ganzen wenig ge-
ändert, und das treffliche Buch Dr. Alwin Schultz',
das wegen seiner anziehenden Schreibweise und
wegen des in demselben entwickelten kompilatori-
schen Fleißes gleich zu rühmen ist, ist wie ein
Spiegel, der unserer Zeit, unseren Frauen vor-
gehalten zu werden scheint.
Doch wir müssen vorsichtig sein. Heutzutage
gibt es emanzipirte Frauen, die es damals noch
nicht gab, und sie schreiben Bücher, — die meisten
schlechte, einige aber gute, — und wie leicht könnte
es Einer einfallen, das,, Alltagsleben eines deutschen
Mannes" zu schildern. Da kämen schöne Dinge zu
Tage. Darum wollen wir unsere Zeitgenossinnen nicht
weiter reizen. Wir haben ein schlechtes Gewissen,
und wer in einem Glashause sitzt, soll nicht mit
Steinen werfen., H.v.L
£im t@#n^fl^r frou -
g)na {Donna di c^orwnborya. -
Une Femme de Nirenibeg,
Aus dem Leben eines fahrenden Wiener
Malers,*)
Meine Unthat auf der Kunstausstellung.
Der Frühling des Jahres 1837 brachte endlich die
sehnlich erwartete Kunstausstellung. Sehnlichst erwartet,
denn sie sollte mein Renommee begründen. Was ich in
den wenigen Jahren meines Strebens erreicht hatte, war
dazu angethan, meine Erwartungen hoch und höher zu
steigern. Von allen Seiten sagte man mir, ich besäße ein
schönes Talent, in der Gesellschaft war ich sehr wol
aufgenommen, einflussreiche Männer zeichneten mich aus,
die Frauen waren liebenswürdig gegen mich — kurz,
ich zweifelte keinen Augenblick, auf dem besten Wege
zu sein, mir einen glänzenden Namen zu machen. Weicher
23jährige Künstler zweifelt daran ?
Die Ausstellung wurde eröffnet. Ich hatte diesen
Tag erwartet, wie einen, der mir Glück bringen musste,
ja mit einer Art Siegessicherheit; jetzt, da er endlich da
*) S. Heft 3 und 4.