140
Allgemeine Kunst-Chronik.
sollten die Künstler nicht dem guten Beispiele folgen,
welches ihnen die Männer der Heilkunde und Volkswirth-
schaft durch ihre Anwesenheit in Berlin gegeben haben?
London. Außer der deutschen Ausstellung sind
jetzt noch zwei andere in Vorbereitung. Die Gesellschaft
der schönen Künste (Fine arts Society) plant die Aus-
stellung der Werke des Humoristen Charles Keene;
der Burlington-Club eine solche der zeitgenössischen
französischen Radirer und Kupferstecher mit Werken
von Gaillard, Millet, Meissonier u. A.
*
Kunst-Versteigerungen.
Wien. Im Vordergrund steht die Versteigerung
der „Gschnas"-Kunstwerke aus der „Vierten Di-
mension" im Künst1erhaus. Wie alljährig gab sich
aucli heuer rege Kauflust kund und wurden mitunter
recht stattliche Preise erzielt. Der Gesammterlös beträgt
über sechstausend Gulden.
— Anfangs April wird der Nachlass des im März
vorigen Jahres in Hochleuten bei Wien verstorbenen
Malers Franz Heinrich durch die Kunsthandlung
Hirschler zur Versteigerung gelangen. Der Nachlass besteht
in einer Sammlung von Aquarellen : Architektur-, Interieur-
und Landschaftsaufnahmen.
Frankfurt a. M. Bei Rud. Bangel findet am 9.
und 10. März eine Versteigerung von Gemälden und
Kunstblättern meist moderner Meister statt, u. A. die
künstlerische Hinterlassenschaft des am 19. Dezember
1887 zu Düsseldorf verstorbenen Landschaftsmalers Prof.
Aug. Becker. Der Katalog weist 536 Nummern auf. —
Am II. März Versteigerung von Antiquitäten und Kunst-
gegenständen, worunter interessante Miniaturen, Elfen-
bein, Silber, Gold und Juwelen, Bronzen, orientalische
Gegenstände, Töpferwaaren, Möbel und eine kleine Münz-
sammlung, darunter Frankofurtensien.
Paris. Die hiesigen Versteigerungen im Hotel
Drouot, als: Gemälde von Lapostolet mit einem Gesammt-
erlös von etwas über 20.00 Francs; Pastelle, Zeichnungen
u. s. w. aus der Sammlung von D. de B. mit 10.000;
Möbel, Kunstwerke etc. mit 65.000; ein Theil der Samm-
lung Dupont-Auberville mit einem ähnlichen Ergebnis ;
selbst die Sammlung Noel, welche 334.000 Fres, brachte —
wie winzig nimmt sich dies aus gegenüber der Ver-
steigerung G. J. Seney in New-York, bei welcher
während der drei Tage (ll. bis 13. Februar) 306 Bilder
für drei und ein halb Millionen Francs verkauft wurden.
Knaus' „Eine Rose vom Land" brachte 85.000, dessen
„Kokette" über 13.000, „Erinnerungen aus bessern Tagen"
26.500, „Die alte Hexe" 63.000; zwei Corot brachten
je 17.500, ein anderer („Badende Jungen") 23.000,
„Tanzende Nymphen" 35.100; Meissonier's „Joueurs de
Boules", aus der Sammlung Secretan herrührend, 75.000,
dessen „Deliböration" 38.000 ; „L'attente" von Millet
202.500, „Das Begräbnis eines Kindes" von demselben
50.000; „Landmädchen" von H. Lerolle 65 000; Delacroix
35.000 und 20.000; Troyon 19.500, 35.000, 55.000 und
60.000; Diaz 43.000 und 21.750; Daubigny 63.500 und
23.500; J. Dupre's „Sonnenuntergang" 45.500, „Herbst"
12.500; Charlemont's „Im Atelier,, brachte 10.000 Francs.
Wiener Theater.
Das Burgtheater hat den Grillparzer-
Zyklus am 14. d. M. mit den Bruchstücken „Hannibal
und Szipio" und „Esther" und mit einem szenischen
Epiloge: „Ein Traumbild" von Alfred Freiherrn von
Berger abgeschlossen. Lewinsky gab den genialen
Heerführer, der kühn sein eigenes Ich an die Stelle
Karthagos setzt, Reimers den pflichttreuen Szipio,
der nichts Anderes kennt als die Diensttreue für das
Vaterland, mit aller Wirkung, die aus dem einzelnen
Auftritte herauszuarbeiten war. Warum die Rolle des
Heerführers Mag® einem lächerlichen Statisten übergeben,
die Ebene von Zama, so recht auserlesen zur Entwick-
lung von Reitermassen, in eine Gebirgslandschaft ver-
wandelt, und warum nicht, zur Erhöhung des welt-
geschichtlichen Eindrucks jenes Vorgangs, wenigstens in
der Entfernung die beiderseitigen Heeresmassen sichtbar ge-
macht wurden, ist geradezu räthselhaft. Die zwei „Esther"-
Aufzüge haben wir seinerzeit bei den Meiningern in präch-
tigerer Ausstattung und mit besseren Kostümen gesehen.
Sonnenthal, in der Erscheinung hinter Nesper bei den
Meiningern zurückstehend, spielte dafür mit ergreifen-
derer Innerlichkeit als dieser, und Frau Hohenfels
ersetzte, was andere an exotischer Schönheit vor ihr
voraus haben mochten, durch den Zauber des Geistes
und durch die Feinheit in der Schattirung des Gefühls-
ausdrucks. Der Haman Lewinsky's ist eine köstliche
Gestalt, — nur ist sehr die Frage, ob sich der Dichter
ihn wirklich als trottelhaft gewordenen Alten oder als
einen bei seinen grossen Sorgen gelegentlicli zerstreuten
Hofmann gedacht hat; der Mardochai Löwe's ist von über-
zeugender Wahrheit; sonst konnte man, wenn wir den Höf-
ling Stätter und Witte ausnehmen, Größen eines Provinz-
theaters vor sich zu haben glauben. — Wenn nicht am
Schlüsse der Radetzkymarsch und die Volkshymne als
Begleitung zum Vers: „In deinem Lager ist Österreich"
eingefallen wären, so wäre Freiherrn v. Berger's „Traum-
bild" wol ziemlich wirkungslos an uns vorübergegangen.
Man darf eben, wenn man die Muse ihren Dichter auf
der Bühne besuchen lässt, nicht über jenes Vorbild
hinausgehen, das Alfred de Müsset mit seiner „Nuit
d'Octobre" geschaffen und das seinerzeit Delaunay
und Fräulein Favart im Thöätre Francais mustergiltig
dargestellt haben. Die tragische Muse im antiken Gewand
und mit der Goldleier im Arme und vollends der
fackel-, sandalen- und flügeltragende Genius des Todes
passen nicht in das so dürftige, nüchterne Dichter-
stübchen mit dem Hausrath aus weichem Holze, der
ärmlichen Moderateurlampe und den staubigen Büchern
und Heften auf dem Schreibtische. Die Muse hätte nur
gleichsam als zweite Seele des Dichters selbst zu
sprechen, sie darf mit dem Dichter nicht, wie irgend
ein anderer weiblicher Besuch, ein langes, überlanges
Gespräch führen, indem sie sich gelegentlich an seinen
Pult lehnt oder die Hand auf seine Bücher stützt. Von
glücklicherem Wurfe als dieser Epilog war seinerzeit
Freiherrn v. Berger's Gelegenheitsgedicht zu Raimund's
Denkmal; der Verfasser selbst scheint die Mattheit
seines Werkes empfunden zu haben, und so griff er zu
rein äußerlich wirkenden Belebungsmitteln, wie den
Redensarten über Österreich, der Burgmusik, dem Grill-
Allgemeine Kunst-Chronik.
sollten die Künstler nicht dem guten Beispiele folgen,
welches ihnen die Männer der Heilkunde und Volkswirth-
schaft durch ihre Anwesenheit in Berlin gegeben haben?
London. Außer der deutschen Ausstellung sind
jetzt noch zwei andere in Vorbereitung. Die Gesellschaft
der schönen Künste (Fine arts Society) plant die Aus-
stellung der Werke des Humoristen Charles Keene;
der Burlington-Club eine solche der zeitgenössischen
französischen Radirer und Kupferstecher mit Werken
von Gaillard, Millet, Meissonier u. A.
*
Kunst-Versteigerungen.
Wien. Im Vordergrund steht die Versteigerung
der „Gschnas"-Kunstwerke aus der „Vierten Di-
mension" im Künst1erhaus. Wie alljährig gab sich
aucli heuer rege Kauflust kund und wurden mitunter
recht stattliche Preise erzielt. Der Gesammterlös beträgt
über sechstausend Gulden.
— Anfangs April wird der Nachlass des im März
vorigen Jahres in Hochleuten bei Wien verstorbenen
Malers Franz Heinrich durch die Kunsthandlung
Hirschler zur Versteigerung gelangen. Der Nachlass besteht
in einer Sammlung von Aquarellen : Architektur-, Interieur-
und Landschaftsaufnahmen.
Frankfurt a. M. Bei Rud. Bangel findet am 9.
und 10. März eine Versteigerung von Gemälden und
Kunstblättern meist moderner Meister statt, u. A. die
künstlerische Hinterlassenschaft des am 19. Dezember
1887 zu Düsseldorf verstorbenen Landschaftsmalers Prof.
Aug. Becker. Der Katalog weist 536 Nummern auf. —
Am II. März Versteigerung von Antiquitäten und Kunst-
gegenständen, worunter interessante Miniaturen, Elfen-
bein, Silber, Gold und Juwelen, Bronzen, orientalische
Gegenstände, Töpferwaaren, Möbel und eine kleine Münz-
sammlung, darunter Frankofurtensien.
Paris. Die hiesigen Versteigerungen im Hotel
Drouot, als: Gemälde von Lapostolet mit einem Gesammt-
erlös von etwas über 20.00 Francs; Pastelle, Zeichnungen
u. s. w. aus der Sammlung von D. de B. mit 10.000;
Möbel, Kunstwerke etc. mit 65.000; ein Theil der Samm-
lung Dupont-Auberville mit einem ähnlichen Ergebnis ;
selbst die Sammlung Noel, welche 334.000 Fres, brachte —
wie winzig nimmt sich dies aus gegenüber der Ver-
steigerung G. J. Seney in New-York, bei welcher
während der drei Tage (ll. bis 13. Februar) 306 Bilder
für drei und ein halb Millionen Francs verkauft wurden.
Knaus' „Eine Rose vom Land" brachte 85.000, dessen
„Kokette" über 13.000, „Erinnerungen aus bessern Tagen"
26.500, „Die alte Hexe" 63.000; zwei Corot brachten
je 17.500, ein anderer („Badende Jungen") 23.000,
„Tanzende Nymphen" 35.100; Meissonier's „Joueurs de
Boules", aus der Sammlung Secretan herrührend, 75.000,
dessen „Deliböration" 38.000 ; „L'attente" von Millet
202.500, „Das Begräbnis eines Kindes" von demselben
50.000; „Landmädchen" von H. Lerolle 65 000; Delacroix
35.000 und 20.000; Troyon 19.500, 35.000, 55.000 und
60.000; Diaz 43.000 und 21.750; Daubigny 63.500 und
23.500; J. Dupre's „Sonnenuntergang" 45.500, „Herbst"
12.500; Charlemont's „Im Atelier,, brachte 10.000 Francs.
Wiener Theater.
Das Burgtheater hat den Grillparzer-
Zyklus am 14. d. M. mit den Bruchstücken „Hannibal
und Szipio" und „Esther" und mit einem szenischen
Epiloge: „Ein Traumbild" von Alfred Freiherrn von
Berger abgeschlossen. Lewinsky gab den genialen
Heerführer, der kühn sein eigenes Ich an die Stelle
Karthagos setzt, Reimers den pflichttreuen Szipio,
der nichts Anderes kennt als die Diensttreue für das
Vaterland, mit aller Wirkung, die aus dem einzelnen
Auftritte herauszuarbeiten war. Warum die Rolle des
Heerführers Mag® einem lächerlichen Statisten übergeben,
die Ebene von Zama, so recht auserlesen zur Entwick-
lung von Reitermassen, in eine Gebirgslandschaft ver-
wandelt, und warum nicht, zur Erhöhung des welt-
geschichtlichen Eindrucks jenes Vorgangs, wenigstens in
der Entfernung die beiderseitigen Heeresmassen sichtbar ge-
macht wurden, ist geradezu räthselhaft. Die zwei „Esther"-
Aufzüge haben wir seinerzeit bei den Meiningern in präch-
tigerer Ausstattung und mit besseren Kostümen gesehen.
Sonnenthal, in der Erscheinung hinter Nesper bei den
Meiningern zurückstehend, spielte dafür mit ergreifen-
derer Innerlichkeit als dieser, und Frau Hohenfels
ersetzte, was andere an exotischer Schönheit vor ihr
voraus haben mochten, durch den Zauber des Geistes
und durch die Feinheit in der Schattirung des Gefühls-
ausdrucks. Der Haman Lewinsky's ist eine köstliche
Gestalt, — nur ist sehr die Frage, ob sich der Dichter
ihn wirklich als trottelhaft gewordenen Alten oder als
einen bei seinen grossen Sorgen gelegentlicli zerstreuten
Hofmann gedacht hat; der Mardochai Löwe's ist von über-
zeugender Wahrheit; sonst konnte man, wenn wir den Höf-
ling Stätter und Witte ausnehmen, Größen eines Provinz-
theaters vor sich zu haben glauben. — Wenn nicht am
Schlüsse der Radetzkymarsch und die Volkshymne als
Begleitung zum Vers: „In deinem Lager ist Österreich"
eingefallen wären, so wäre Freiherrn v. Berger's „Traum-
bild" wol ziemlich wirkungslos an uns vorübergegangen.
Man darf eben, wenn man die Muse ihren Dichter auf
der Bühne besuchen lässt, nicht über jenes Vorbild
hinausgehen, das Alfred de Müsset mit seiner „Nuit
d'Octobre" geschaffen und das seinerzeit Delaunay
und Fräulein Favart im Thöätre Francais mustergiltig
dargestellt haben. Die tragische Muse im antiken Gewand
und mit der Goldleier im Arme und vollends der
fackel-, sandalen- und flügeltragende Genius des Todes
passen nicht in das so dürftige, nüchterne Dichter-
stübchen mit dem Hausrath aus weichem Holze, der
ärmlichen Moderateurlampe und den staubigen Büchern
und Heften auf dem Schreibtische. Die Muse hätte nur
gleichsam als zweite Seele des Dichters selbst zu
sprechen, sie darf mit dem Dichter nicht, wie irgend
ein anderer weiblicher Besuch, ein langes, überlanges
Gespräch führen, indem sie sich gelegentlich an seinen
Pult lehnt oder die Hand auf seine Bücher stützt. Von
glücklicherem Wurfe als dieser Epilog war seinerzeit
Freiherrn v. Berger's Gelegenheitsgedicht zu Raimund's
Denkmal; der Verfasser selbst scheint die Mattheit
seines Werkes empfunden zu haben, und so griff er zu
rein äußerlich wirkenden Belebungsmitteln, wie den
Redensarten über Österreich, der Burgmusik, dem Grill-