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Allgemeine Kunst-Chronik: ill. Zeitschr. für Kunst, Kunstgewerbe, Musik, Theater u. Litteratur — 15.1891

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Allgemeine Kunst-Chronik. XV. Band Nr. 24
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Allgemeine Kunst-Chronik.

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schwellenden Nelken, leuchtendem Mohn und
blitzendem Metallgeschirr bedeckt sehen möchten,
wie wir es auf der anderen bewundern. Nicht min-
dere Anerkennung verdienen die landschaftlichen
Skizzen aus Nervi, deren jede den Keim eines
schönen, inhaltsvollen Bildes in sich schließt. Be-
reits auch hat das Publikum über diese Skizzen
wie über die Mehrzahl der ausgestellten Werke
Frau v. Preuschen's ein unbestechliches und un-
trügliches Urtheil abgegeben, indem es dieselben
käuflich an sich brachte.
Mit Vergnügen ruht das von dieser bunten
Blumenfülle farbentrunkene Auge auf den poesie-
verklärten Landschaften Andersen-Lundby's
aus, der dem deutschen Winterwald seinen ganzen
Zauber zu entlocken weiß und ihn hier in ver-
schwimmenden Nebelschleiern und zartem, rosig
violettem Glanz, dort in frostig klarer Atmosphäre
und starrendem Eis darstellt. Ein „Strandbild" be-
zeugt des Künstlers Meisterschaft auch auf diesem
Gebiet. Charakteristische Gebirgslandschaften von
Schapner, ein „Vorfrühling" von Schönleber,
ein stimmungsvoller „Bittgang" im Abendlicht von
Gebhard, ein „Novemberabend" von Kocha-
nowski, Hönigsman, Sittig, Marks, van
Hees, Reichenbach, Rasch, Geiger-Thü-
ning vertreten nebst 54 durchweg interessanten
Skizzen Rettic h's vom Ostseestrande und drei be-
achtenswerten Bildern von Hörman in rühm-
licher Weise die Landschaft. Der letztere entnimmt
dem Wald von Fontainebleau das Motiv zu seinem
„Haidekraut" und lässt mit diesem großen Gemälde
wie mit einer bereits durch eine „mention hono-
rable" ausgezeichneten Nachtstudie „Aus dem
Dorfe Samois" und einem kleinen Bildchen in heißer
Mittagsglut „Im Felde" keinen Zweifel darüber,
dass er stramm und zielbewusst in den Spuren des
Meisters von Barbizon wandelt.
Der Thierstücke sind wenige, aber vorzügliche,
vor allen Mali's „Schafherde im Hochgebirge".
Ansprechendes, wenn auch nicht Bedeutendes, bietet
das Genre in den Arbeiten von Blume-Siebert,
Hirschfelder, Tübbecke, MarcSchwaben-
Meyer, Behm, Berner, Kronberger und
noch manchen anderen. Hoch empor über alle diese
kleinlichen Freuden und Leiden des Daseins hebt
uns die „Dichtung und Malerei" Böckli n's. In
keuscher, leicht verschleierter Schönheit halten sie
Wacht am kastalischen Quell, aus dessen weitem
Marmorbecken die Malerei schöpft, während die
Dichtung das edle gottbegeisterte Haupt nach oben
wendet. Das satte Grün des Lorbeer- und Myrthen-
haines verleiht den schimmernden Frauenleibern
einen wirksamen Hintergrund, und tiefblauer Äther
leuchtet über dem heiligen Gipfel, zu dem ein Cy-
pressengang hinanführt. Ergriffen von der ernsten
Weihe des Bildes, hingerissen von seinem Farben-
akkord übersieht man, dass Fuß und Bein der Ma-
lerei schöner geformt sein könnten und der Unter-
körper der Dichtung an Natürlichkeit und Anmuth
viel zu wünschen übrig lässt, Unzulänglichkeiten,
die der Künstler auszumerzen leider versäumt hat.

Ein in allen Theilen gleich sorgfältig durchgear-
beitetes Bild stellt ein anderer Schweizer von Be-
deutung, W. Füssli, aus. Sein „Familienporträt"
ist so vornehm in der Auffassung als gediegen in
der Ausführung, äußerst glücklich gruppirt und
trotz starker Betonung der gemeinsamen Ähnlich-
keit scharf individualisirt. Ein weiteres erfreuliches
Zeugnis für das, was unsere Bildnismalerei vermag,
legt Pap peritz mit seinem „Porträt eines Herrn"
ab. Zum Schlüsse sei noch eines sehr hübschen Aqua-
rells von Perlberg, „Allerseelen", das die Stim-
mung des Tages treffend kennzeichnet, erwähnt.
Hans Peters.

Konzerte.
Die „Saison" hat begonnen, die Konzertsäle
füllen sich mit einer kunstsinnigen Menge. Theils
sind einige namhafte Künstler bereits vor's
Publikum getreten, theils ist ihr Auftreten für die
nächsten Tage in Aussicht gestellt. Den Reigen der
großen Musikaufführungen eröffnete das 1. Gesell-
schaftskonzert mit Händel's „Alexanders Fest
oder die Macht der Tonkunst". Hundert-
siebenundfünfzig Jahre sind seit seiner ersten Vor-
führung im Coventgardentheater verrauscht, und
noch immer packt und fesselt uns das Werk mit
dem Reiz der Neuheit. Dies ist um so merkwürdiger,
da Händel damals noch wenig im Oratorium ge-
leistet hatte und dennoch sicheren Schrittes auf
diesem durch ihn noch nicht völlig gebahnten Pfad
einherwandelt, weiter auch des Umstandes wegen,
dass seine Gesundheit zur Zeit der Abfassung dieses
großgedachten Erzeugnisses tief erschüttert war.
Und dennoch diese Frische, diese urgesunde Kraft
und Plastik der Stimmungsmalerei! Diese stämmige
Eiche trotzte den widerwärtigsten Schicksals-
schlägen und blieb selbst bei grimmen Streichen
ungebrochen. Die Aufführung unter Gericke's
erprobter Leitung kann als gelungen bezeichnet
werden. Chor und Orchester leisteten Vorzügliches,
und auch die Besetzung der Solopartien war be-
friedigend. Frau Anna Hildach erfreute durch
angenehme Stimmmittel und stilgetreuen Vortrag.
Ihr stand Herr Eugen Hildach würdig zur Seite,
der insbesondere die schwierige Rachearie zu voller
Geltung brachte. Auch Herr Franz Lützinger
aus Düsseldorf, dessen dünnes Stimmchen sorg-
fältige Schulung verräth, erzielte mit der Arie
„Krieg, o Held, ist Sorgenfülle" einen günstigen
Eindruck. Es war ein Ehrentag unseres ersten
Singvereins, der Timotheus und Cäcilia mit hundert-
stimmigem Klang verherrlicht.
Nach den starken Wirkungen der Händel'schen
Chorlyrik erscheinen Genüsse begrenzterer Kunst-
formen beinahe kleinlich, und doch boten auch sie
des Fesselnden in Fülle. Bei Hellmesberger
kam neben Beethoven und Mendelssohn auch Volk-
mann's gehaltvolles B-moll-Trio zu Ehren, und
Rose hat seine Vorträge gleich mit einer Neuheit
eröffnet, die nicht bloß die allgemeine Aufmerk-
samkeit spannte, sondern auch mit einer im Ver-
 
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