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O. RUBENSOHN
ist tief eingesenkt, das Gesäss ist kräftig entwickelt. Die Ober-
schenkel sind gedrungen und massig. Die Körperformen sind
voll und weich, die anatomische Gliederung ist nicht sorgfältig
durchgeführt, das Knochengerüst tritt nirgends hervor. Der
Absatz des Brustkorbes gegen den Bauch ist eben angegeben,
die Bauchmuskeln sind in der bekannten schematischen Weise
nur angedeutet. Sorgfältig und einigermaassen richtig ist der
Arm modelliert.
Zu den rundlich weichen Formen des Körpers stimmt auch
der Kopf, den eine lebendige Frische auszeichnet. Charakteris-
tisch sind die grossen, runden, etwas schräg gestellten Augen,
die vollen Wangen, das kräftige Kinn und die fleischigen Lip-
pen des lächelnden Mundes. Die etwas zu hoch sitzenden
Ohren sind nur wenig durchgebildet. Das zurückgestrichene,
in dichter Masse auf die Schultern fallende Haar ist in senk-
rechte Strähnen geteilt, die, wieder durch wagerechte Furchen
gegliedert, das Aussehen von Perlschnüren erhalten haben. Ein
Band hält es vorn und im Nacken zusammen. Über der Stirne
sind wie bei dem Apollon von Thera von der Mitte aus nach
beiden Seiten flache Spirallocken angeordnet, zwei Flechten
sind an den Schläfen unter dem Band hervor nach vorn gezo-
gen und verlaufen in leicht gewellter Linie hinter den Ohren.
Trotz der wenig sorgfältigen Arbeit verdient unsere Figur
in der nun schon so langen Reihe verwandter Statuen Beach-
tung, vor allem wegenlMer Herkunft. Denn wenn auch Del-
brücks Ansicht {Athen. Mitt. 1900, 383), dass Marmorwerke in
Paros nicht importiert wurden, nach der in Paros gefundenen
Mikkiades - Inschrift mit Vorsicht aufzunehmen ist, so darf doch
diese Figur gerade wegen des Handwerksmässigen der Arbeit
sicher als einheimisch bezeichnet werden. Ihre bei aller Flüch-
tigkeit der Ausführung doch so lebendig frische Wirkung
lässt uns in dem Künstler das Glied einer technisch und künst-
lerich ausserordentlich geschulten Gilde von Marmorarbeitern
erblicken, innerhalb deren auch die mittelmässigen Talente
über ein durch lange Übung überliefertes achtenswertes Maass
von Können verfügten.
Ein besseres Stück vielleicht derselben Werkstatt ist der
Torso einer gleichartigen Jünglingsfigur im Privatbesitz in Paros,
O. RUBENSOHN
ist tief eingesenkt, das Gesäss ist kräftig entwickelt. Die Ober-
schenkel sind gedrungen und massig. Die Körperformen sind
voll und weich, die anatomische Gliederung ist nicht sorgfältig
durchgeführt, das Knochengerüst tritt nirgends hervor. Der
Absatz des Brustkorbes gegen den Bauch ist eben angegeben,
die Bauchmuskeln sind in der bekannten schematischen Weise
nur angedeutet. Sorgfältig und einigermaassen richtig ist der
Arm modelliert.
Zu den rundlich weichen Formen des Körpers stimmt auch
der Kopf, den eine lebendige Frische auszeichnet. Charakteris-
tisch sind die grossen, runden, etwas schräg gestellten Augen,
die vollen Wangen, das kräftige Kinn und die fleischigen Lip-
pen des lächelnden Mundes. Die etwas zu hoch sitzenden
Ohren sind nur wenig durchgebildet. Das zurückgestrichene,
in dichter Masse auf die Schultern fallende Haar ist in senk-
rechte Strähnen geteilt, die, wieder durch wagerechte Furchen
gegliedert, das Aussehen von Perlschnüren erhalten haben. Ein
Band hält es vorn und im Nacken zusammen. Über der Stirne
sind wie bei dem Apollon von Thera von der Mitte aus nach
beiden Seiten flache Spirallocken angeordnet, zwei Flechten
sind an den Schläfen unter dem Band hervor nach vorn gezo-
gen und verlaufen in leicht gewellter Linie hinter den Ohren.
Trotz der wenig sorgfältigen Arbeit verdient unsere Figur
in der nun schon so langen Reihe verwandter Statuen Beach-
tung, vor allem wegenlMer Herkunft. Denn wenn auch Del-
brücks Ansicht {Athen. Mitt. 1900, 383), dass Marmorwerke in
Paros nicht importiert wurden, nach der in Paros gefundenen
Mikkiades - Inschrift mit Vorsicht aufzunehmen ist, so darf doch
diese Figur gerade wegen des Handwerksmässigen der Arbeit
sicher als einheimisch bezeichnet werden. Ihre bei aller Flüch-
tigkeit der Ausführung doch so lebendig frische Wirkung
lässt uns in dem Künstler das Glied einer technisch und künst-
lerich ausserordentlich geschulten Gilde von Marmorarbeitern
erblicken, innerhalb deren auch die mittelmässigen Talente
über ein durch lange Übung überliefertes achtenswertes Maass
von Können verfügten.
Ein besseres Stück vielleicht derselben Werkstatt ist der
Torso einer gleichartigen Jünglingsfigur im Privatbesitz in Paros,