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Klein, Dieter; Dülfer, Martin; Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege; Dülfer, Martin [Ill.]
Martin Dülfer: Wegbereiter der deutschen Jugendstilarchitektur — Arbeitshefte des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, Band 8: München: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.63235#0018

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Sein zweifellos eindrucksvollstes Grabmal ist aber das der
Familie Becker auf dem Friedhof von Berlin-Weißensee; die
Ausführung war dem Berliner Architekten Max Ravoth über-
tragen, für die Bildhauerarbeiten zog man den königlichen
Hofsteinmetz C. Schilling heran174); die steinerne Urne fer-
tigte J. Floßmann175), die Bronzeteile wurden von Ferdinand
Millers Erzgießerei hergestellt.176)


Abb. 8 Berlin: Grabmal Becker, Friedhof Weißensee

Um 1904/05 sind zahlenmäßig nur wenige neue Arbeiten zu
erfassen; eine Erklärung für diese Schaffens-Zäsur könnte
sein, daß Dülfer mit seinem Dortmunder bzw. Lübecker The-
aterbau voll ausgelastet war. Vielleicht wurden auch einige
seiner damals entstandenen Werke nirgends publiziert; Ver-
öffentlichungen seiner Arbeiten erscheinen erst wieder um
1909, dann aber in vergleichbarem Maße wie zu seiner
Münchner Hauptschaffenszeit. Allerdings sollte sich die
neuerliche Produktivität vorwiegend in Projekten erschöp-
fen, die in der Folgezeit nicht zur Ausführung gelangten.
Dresden ab 1906 und Spätwerk
Die Attraktivität Dresdens als Kunststadt hatte nach 1900
stark zugenommen, und nach einiger Zeit machte die säch-
sische Metropole tatsächlich München den Ruf als „erste
deutsche Kunststadt“ abspenstig. Um 1902 waren „mehr
als die Hälfte der Persönlichkeiten, welche einst... die Ent-
wicklung in Fluß brachten“177) von München weggezogen.
Dresdner Künstlerkreise und Beziehungen zu zeitgenössi-
schen Architekten
Dülfer verließ München nur ungern, obwohl er auch in Dres-
den kein „Unbekannter“ war; neben Schumacher, den er be-
reits seit dessen Münchner Zeit kannte178), lebte auch Cor-
nelius Gurlitt dort, mit dem wohl näherer Kontakt bestand
— jedenfalls gehörten beide der gleichen Freimaurerloge
an.179)
In einem Interview erzählte Dülfer, daß der auf den Tag ge-
nau neun Jahre ältere Gurlitt, bei einem Besuch von Frau
Dülfer auf den gemeinsamen Geburtstag angesprochen,
gesagt haben soll, daß kein Kalenderhersteller die beiden

Namen Gurlitt und Dülfer auf den ersten Kalenderzettel des
neuen Jahres drucke, weil kein Mensch es wagen würde,
„gleich am ersten Tag des neuen Jahres zwei Persönlich-
keiten dieses Ranges herunterzureißen“.180)
Dülfer bezog zwei Stockwerke im Hause Bendemannstraße
Nr. 8 (heute Rugestraße); seine Wohnung gestaltete er bis
ins letzte Detail nach eigenen Entwürfen, Vorhänge und
Essbesteck eingeschlossen. Das Küchenmobiliar war aus-
schließlich auf Schwarz-Weiß-Kontraste ausgerichtet und
auch die übrigen Räume zeigten interessante Farbkombi-
nationen. Der Gedanke des „Gesamtkunstwerkes“ mag
Dülfer bewogen haben, auch einige Kleider für seine Frau
Käte zu entwerfen.181)
Er trat bald dem „Künstlerbund“ bei, außerdem war er stän-
diger Teilnehmer an mehreren Honoratioren- bzw. Künstler-
stammtischen, so unter anderem bei der „Zunft“, die von
Hans Erlwein gegründet war.182)
Die „Zunft“ tagte im Dresdner Ratskeller, ihr gehörten unter
anderen Fritz Schumacher, Georg Wrba183), Otto Guss-
mann, Fritz Beckert184), German Bestelmeyer, Oskar Erler,
Karl Groß, Georg Hänel, Oswin Hempel, Emil Högg, Max
Klinger, Max Hans Kühne, William Lossow, Ernst Müller-
Gräfe, Rudolf Schilling, Adolf Schneegans, Strohrigi, Hein-
rich Tessenow, Heinrich Tscharmann an.185)
Außerdem war Dülfer Mitglied der „Gruppe“, der neben Gur-
litt später auch Högg und Muesmann angehörten.186)
Wie in München so berief man ihn auch in Dresden mehr-
fach zu Preisrichterkollegien; erstmals nachweisbar ist ei-
ne diesbezügliche Tätigkeit 1912 für den Werdandi-Bund, ei-
ne Bauberatungsstelle, die es sich zur Aufgabe gemacht
hatte, Kunstfragen durch öffentliche Ausschreibungen zu
klären: „Dieser dreimal deutsche Bund, in dessen Druck-
schriften ein elendes Deutsch geschrieben wird, hat ganz
bescheiden den Willen ,zum Wiederwerden des Deut-
schen' ,...“187)
Bei seiner Gründung gehörten ihm im Ehrenbeirat neben
anderen Siegfried Wagner und sein Schwager Henry Thode
an188); welche Tendenzen dieser Bund weiterhin verfolgte,
ist nicht bekannt. Jedenfalls fand 1912 ein Ideenwettbe-
werb mit der Problemstellung statt, ob ein Flachdach in
Deutschland ästhetische und wirtschaftliche Berechtigung
habe. Die Jury, der neben Dülfer auch Alfred Grenader, Pe-
ter Behrens und Emil Högg angehörten, kam zu dem
Schluß, daß ein Flachdach durchaus ästhetisch sein kön-
ne; unter den Preisträgern befand sich übrigens Max
Taut.189)
Im folgenden Jahr wurde Dülfer zweimal zu Preisgerichten
herangezogen: zusammen mit Fellner, Hauberrisser und
Krauss beurteilte er die Pläne für einen Neubau des Prager
Deutschen Kasinos190), mit Littmann und anderen urteilte er
über die Entwürfe für ein neues Ungarisches Nationalthea-
ter.191)
Um diese Zeit bekam er den Dr.-Ing. ehrenhalber vom Senat
der Dresdner Technischen Hochschule verliehen192); über
weiteren, privaten Kontakt mit den Hochschulkollegen ist,
von den Künstlervereinigungen abgesehen, nichts Näheres
bekannt. Freundschaftliche Kontakte scheinen zwischen
Dülfer und dem Berliner Architekten Otto March bestanden
zu haben, jedenfalls sind regelmäßige Besuche Dülfers im
Hause der Familie March überliefert.193)

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