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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 23.1907

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Heft 1
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Widmer, Karl: Die Grundlagen des neuen Stils
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Gruner, Otto Rudolf: Feste Richtpunkte für den protestantischen Kirchenbau
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Schaefer, Karl: Zwei Bremer Landhäuser
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https://doi.org/10.11588/diglit.44950#0018

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1907

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 1

rühren, da man von diesem Yankee-Luxus noch nichts wußte.
Johann George Ehrlich, ein Kaufherr der Stadt Dresden, stiftete
1738 einen allsonntäglichen evangelischen Gottesdienst, der
nach mehrmaligem Lokalwechsel nun hier im eignen Gebäude
eine bleibende Stätte finden soll. Mittel standen dazu reich-
lich zur Verfügung, da die Stiftung, die hauptsächlich für
Schul- und Erziehungszwecke dient, allein an Kapitalvermögen
weit über 6^2 Mill. Mk. verfügt; man sieht, die vielgeschmähte
pietistische Zeit hat doch auch recht praktisch zu denken und
zu wirken verstanden. Wenn trotz der reichen Mittel doch
nur ein Raum für 533 Sitzplätze geschaffen wird, so muß man
berücksichtigen, daß es sich nicht um eine Gemeindekirche,
sondern um eine (halbprivate) Stiftskapelle handelt. Um so
gediegener ist die Ausführung. Alle Architekturteile sind außen
von Postaer, innen von Cottaer Sandstein, die Wandflächen
mit Rathenower Handstrichziegeln in voller Fuge gemauert.
Die Gewölbe sind kein Scheinwesen, sondern echt, mit Sand-
steinrippen. Dachstuhl und Dachreiter bestehen aus Eisen,
die Außenfläche des Dachreiters, Dachrinnen und Röhren aus
Kupfer. (Der Dachreiter und die Sakristeidächer sind etwas
anders, als gezeichnet, ausgeführt worden.) Die Baukosten
werden etwa 260000 Mk. betragen. Der Plan war zwar das
Ergebnis eines Wettbewerbs (mit 38 Teilnehmern), aber nicht
preisgekrönt; die Preisrichter hatten ihn zum Ankauf empfohlen.
Als nun die Stiftsinspektion zwischen zwei Preisträgern und
seinem Verfertiger noch eine engere Konkurrenz veranstaltete,
mit Gipsmodellen, schlug dieser seine Mitbewerber aus dem
Feld. Es war der schon durch andre Bauten (z. B. die Blase-
witzer Kirche) vorteilhaft bekannte Architekt K. E. Scherz in
Blasewitz. Nach der Fertigstellung werden wir noch eine
Außenansicht nach der Natur bringen. O. Gruner.

Landhaus in Bremen-Schwachhausen. Architekten: Runge & Scotland
2. Vorderseite. in Bremen.


Zwei Bremer Landhäuser.

Architekten: Runge & Scotland.

ist eine ganz alltägliche Architekturaufgabe, von deren Lösung
ra unsre Abbildungen einen Begriff geben: Ein simples, nach keiner
Richtung hin charakteristisches, bäuerliches Wohn-und Wirtschafts-
gebäude, weder alt noch neu, aber in seinen Mauern noch solide genug, ist
durch das Anwachsen der Stadt in das Gebiet der Vorstadt geraten, wo an
neuen Straßen nun allenthalben neue, meist sehr schematische Einfamilien-
häuser in langen Reihen gebaut werden. Neben diesen ist es immerhin ver-
lockend durch seine hübsche Lage unter alten Bäumen an der Gabelung
zweier alten Landwege. Dies Gebäude, das drei Zimmer, Diele, Stall und
Wagenschuppen enthielt, galt es umzubauen als Doppelwohnhaus für die
beiden Architekten Runge und Scotland, die auch ihr gemeinsames Bureau
da unterbringen wollten. Meist stellt sich bei solcher Aufgabe heraus,
daß der Zwang des vorhandenen Alten wohltätig ist; er reizt zu stärkerer
Entfaltung künstlerischen Witzes und ökonomischer Raumausnützung, so
auch hier.

Der alte, an der Straßenecke gelegene Wohnteil des Bauernhauses
wurde mit seinem tief heruntergezogenen Dach eingeschossig beibehalten;
der größere Wirtschaftsteil erhielt ein Obergeschoß mit ähnlich hohem
Pfannendach. Durch geringfügige Verschiebung der Teilungswände und
durch zwei anspruchslose Erdgeschoßvorbauten, die an der Straßenecke


Landhaus in Bremen-Schwachhausen.
3. Detail.

Architekten: Runge & Scotland
in Bremen.

eine überdachte Veranda, an der Langseite den ebenfalls überdachten Ein-
gang bilden, gaben die Baumeister dem Grundriß mit sparsamen Mitteln
eine reizvolle Mannigfaltigkeit, die dem alten Bau gänzlich fehlte. Zwei
Loggien übereinander an der hinteren Ecke des Baues vermehren in ihrer
ungezwungenen Anordnung die behagliche Wirkung des Äußeren, die sich
ganz besonders aus der echt ländlich gedachten, freien Anordnung der ver-
schieden geformten großen und kleinen Fenster ergibt. Bei alledem bleibt
die Form des Daches klar, einfach und unverschnörkelt. Die Wandflächen
wirken trotz des zierlichen Maßstabes der ganzen Architektur ruhig, weil
in ihren weißen Putzflächen alles Ornamentieren und alle Fensterumrah-
mung vermieden ist. Kräftigen Farbengegensatz bringt die nicht reichliche,
aber sehr wirksame Verwendung von Holz am Vorbau der Haustür und
an der oberen Loggia; es sind kräftige, gedrungene Ständer mit origineller
Abfasung und schwerem Kopfstück. Hölzerne Blumenkästen vor den
Fenstern und der blaugestrichene Lattenzaun der Garteneinfriedigung sind
ebenso schlichte, wohlüberlegte Zutaten, die den ländlichen Formen des
Hauses gemäß die trauliche Stimmung des ganzen, mit der Landschaft
gut zusammengestimmten Bauwerkes erhöhen.
Die gleiche sachlich einfache, handwerklich tüchtige Art, wie der Bau
selbst, verrät auch das Innere. Dem persönlichen Geschmack der Besitzer
entsprechend verbinden sich da alte Originalstücke von niedersächsischem
Hausrat mit modern gebildeten Bautischlerarbeiten an Türen und Treppen-
geländern zu einer persönlich gestimmten eigenen Behaglichkeit. Etwas
materialwidrig vielleicht, aber sehr effektvoll sind in das farbig lasierte
Holz der einfachen Dielentäfelung, in die Stützen der Deckenbalken, in
die Türfüllungen kleine leuchtende Farbflecken von einfarbigen licht-
blauen Fliesen eingefügt. Die etwas steife Schwere, mit der hier zu
Lande die einst so glänzende Bauernkunst ihre gravitätischen Stühle und
Tische und die dem modernen Büfett entsprechende »Richtebank« mit
ihrem tellerge¬
schmückten Schau¬
bort ausgestattet
hat, ist vom selben
Charakter wie die
moderne,schmuck¬
lose Solidität im
äußeren und inne¬
ren Aufbau des
Hauses. Altes und
Neues fügt sich so
trefflich zusam¬
men. Und wenn
wir von dem klei¬
nen Hause von
Runge & Scotland,
eine halbe Stunde
weiter hinaus ins
Land wandern, be¬
gegnen uns auch
schon die ersten
Zeugen jener ur¬
alten bodenstän¬
digen Strohdach¬
häuser, in deren
Bau dieser selbe
Geist in noch mas¬
siverer Schwere
sich kundtut,so daß
Landhaus in Bremen-Schwachhausen. Architekten: Runge &
4. Eingang. Scotland in Bremen.


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