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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 23.1907

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Heft 3
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Leixner, Othmar von: Die St. Oswaldikirche zu Eisenerz in Steiermark
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https://doi.org/10.11588/diglit.44950#0034

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1907

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 3

hohes Tor mit einem an-
schließenden kleinen Ka-
pellenbau. Von hier läuft
die Mauer, im leichten Win-
kel von der Kirchenmauer
abweichend, in südwest-
licher Richtung auf einen
runden Turm zu, um von
diesem aus rechtwinklig
abbiegend sich an die Gie-
belfront der Kirche flüchtig
anzuschließen. Besonders
anziehend ist der schöne
Blick durchs Kapellentor
gegen den Rundturm und
den Chor der Kirche selbst.
Kehren wir nun zurück
zur Kirche. Der Bau ist einschiffig und hat eine lichte Länge
von 37 m bei einer Schiffbreite von 12 ‘/a m. Das Langhaus
zeigt vier Joche mit spätgotischen Netzgewölben, das Pres-
byterium, durch einen Triumphbogen vom Langhaus getrennt,
drei Joche mit polygonalem
fünfseitigen Chorschluß. Rech¬
ter Hand an den Chorbau
schließt die kleine Loretto-
kapelle an. Neben dem heuti-
gen Haupteingang, also nord¬
wärts, legt sich der viereckige
Turm an, der gegen Ost einen
schmalen Seitenschiffanbau er¬
hält. Der architektonisch wert¬
vollste Teil ist wohl die Orgel¬
empore mit ihrer eigenartigen
Ornamentik. Die Fenster des
Langhauses und des Chores
zeigen Maßwerksanordnungim
spätgotischen Linienschwung,
einige davon von willkürlich¬
ster, unkonstruktivster Form
in der Pfostenlösung. Die den
Jochen entsprechenden Strebe¬
pfeiler haben nur geringe Aus¬
ladung und tragen Fialenbe¬
krönung. Der Turm in seinem
massigen Aufbau erhielt in der
Barockzeit einen diesem Stil
entsprechenden Turmhelm, der
aber bei der Restaurierung
einer stilgerechten Turmanord¬
nung im obersten Abschluß
weichen mußte. Der restaurierte Turm stimmt leider nicht
ganz zu dem übrigen Kirchenbau. Das Eingangsportal zeigt
im Tympanon Adam und Eva vor und nach dem Sündenfall,
eine plastische Arbeit ohne höheren künstlerischen Wert.
Betritt man das Innere der Kirche durch das Nordportal,
so steht man unter der
Orgelempore. Wie schon
erwähnt, fällt ihre Erbau-
ung in die erste Zeit des
16. Jahrhunderts; als Mei-
ster werden Christoph in
Rad und Meister Wolfgang
genannt. Der Raum hat
drei kleinere Steingewölbe
mit spätgotischen Rippen.
An der Wand verlaufen
die Rippen teils in der
Mauer selbst oder sie
werden von Konsolen auf-
gefangen. Das meiste In-
teresse erweckt hier der
Pfeiler an der Emporen-

stiege, der als Eisentenne
durchgebildet erscheint, in
Anspielung auf die örtliche
Lage der Kirche. Gegen
das Langhaus öffnet sich
dieser Teil in drei spitz¬
bogigen Arkaden, deren
zwei Pfeiler gedreht und
mit Rautenmustern ge¬
schmückt sind. Die West¬
empore erscheint somit
als ein ganz eigenartiges
Werk der spätesten und
wildesten Gotik. Die Ar¬
kaden zeigen den Spitz¬
bogen mit reichem Um¬
rahmungsprofil und den
charakteristischen durchkreuzenden Stäben der spätgotischen
Zeit. Über diese Bögen hinweg läuft die Emporenbrüstung,
die zwei kanzelartige Vorsprünge über den Pfeilern bildet. Der
Unterbau dieser kleinen Erker trägt dünnes, astartiges Stabwerk
als Schmuck und ruht auf einer
kleinen Säule. Der Schaft der
einen Säule ist gedreht, der
der andern Säule ist mit natura-
listischem gedrehten Astwerk
geziert. Ganz willkürlich sind
die Füllungen der Zwickel an
den Bögen, durchstecktes Stab-
werk, kleine Tiere in wildester
Kombination. Ebenso merk-
würdig sind die Füllungen
der Emporenbrüstung, spät-
gotische Maßwerksform in ver-
schiedenster Kombination,ganz
naturalistisches Astwerk meist
in unschöner Zeichnung, hori-
zontal durchsteckte Stäbe, am
nördlichen Ende der Empore
endlich direkt das Motiv eines
Holzzaunes. Die Empore läuft
noch ein Joch gegen das Lang-
haus zu und wird hier durch
mächtige Konsolen getragen,
die ebenfalls die wunderlichste
Linienführung erhalten. Das
Langhaus hat eine lichte Ge-
wölbehöhe von 16G m und,
wie schon erwähnt, ein drei-
jochiges Netzgewölbe mit
schmalen scharfen Rippen, die auf Diensten ruhen. Die Durch-
bildung des Gewölbes ist ziemlich sorgfältig. Der Chor zeigt
einfachere Gewölblösung bei ähnlicher Rippenbildung.
Ist diese Kirche nun auch kein glänzendes Beispiel der
gotischen Kunst, so bietet
lenden Formensinn der
spätesten gotischen Zeit
in der Westempore ein
hochinteressantes Beispiel.
Wen jemals der Weg durch
das Ennstal führt, möge
nicht versäumen, Eisenerz
und seine Kirche aufzu¬
suchen, bietet doch der
Ort durch seine reizvolle
Umgebung, mit dem herr¬
lichen Leopoldsteinersee,
dem Erzberg und der Pre-
bichlzahnradstrecke auch
lohnendste Bilder land¬
schaftlichen Charakters.
Othmar von Leixncr.

St.Oswaldikirche in Eisenerz. — Kirche und Museum


St. Oswaldikirche in Eisenerz. — Eingang.



St. Oswaldikirche in Eisenerz.— Aufgang zur Kirche.


sie doch für den willkürlich spie¬

st. Oswaldikirche in Eisenerz. — Ausgang.


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