1907
ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU
Heft 4
Türumrahmung im Hauptausstellungsgebäude. — Detail.
Deutsche Kunstausstellung in Köln 1906.
bindet.
Ein Sy-
stemvon
Stützen,
die eine
Deck¬
platte
tragen,
umzieht
auf drei
Recht-
ecksei-
ten—die
vordere
ist offen
gelassen
— den
Vorhof.
archaistische Weinbrenner. Er nimmt nur eine Parallelstellung
zu Weinbrenner ein, dessen Größe ihn zur klassischen Ur-
sprungsgröße hinüberführte . ..
Aus der aus dem Geiste der Antike geborenen Renaissance
gelangte man zum vereinfachenden großzügigen Barock einer
Kunstepoche, die immer noch oft als Verfall bezeichnet wird.
Es ist nicht allzu schwer, in solcher Beziehung die Verbindung
zwischen Antike, Barock und Modernismus zu finden.
Unter Modernismus verstehe ich selbstverständlich nie jene
scheußlichen Auswüchse und Verrenkungen, wie sie uns als
»Jugendstil« zudringlich geboten werden, sondern diejenige
Kunst, die, auf dem Boden der Tradition stehend, ihre eigen-
geartete, dem Bedürfnis und der Kultur der eigenen Zeit ent-
sprechende Form findet, einen subjektiven, persönlichen Zeit-
ausdruck hat, wie alle Kunstäußerungen, die wir heute als Stile
bezeichnen.
Nach solchen Zielen strebt Billing. In seinem Werk finden
wir die Tradition vornehmlich römischer Klassizität und ihrer
Architekt: Professor Hermann Billing
in Karlsruhe.
Hinter dieser Pfeilerstellung ist das Gelände ringsum abge-
böscht. Zwei große Rasenflächen, die zum Teil mit ganz
niedrigen Hecken umsäumt sind, teilen die Hoffläche und lassen
den breiten Mittelweg frei, der zum Aufgang führt. Dieser
Aufgang wird seitlich wiederum durch Pfeilerstellungen be-
grenzt Diese Pfeiler, die leicht an Hermen erinnern, sind in je
nach außen gebrochener Linienführung eines stumpfen Winkels
von ungleicher Schenkellänge aufgestellt und tragen ebenfalls
eine Deckplatte. Die Zwischenräume der Pfeiler füllt ein kräftiges
weißes, grünbewachsenes Spalier aus. Zwischen dem ersten
und zweiten Pfeilerpaar führen drei breite Stufen in geschwun-
gener Linie zum Weg nach dem Portal.
Die gemauerten Pfeiler sind rauh und grau verputzt; die
Kanten und der Grund der kapitellartigen Bekrönungen sind
blau-grau, das Kapitellornament selbst ist in einem nach Braun
spielenden Ockerton gehalten. Freilich hat diese Stützenstellung
mit den dazwischen stehenden großen Lorbeerbäumen etwas
von einer Festdekoration, aber von der Dekoration eines Festes,
das nicht vergänglich ist. Wie sie den Raum umschließen, in
dem ganz unregelmäßig — zum Teil noch auf dem Wege —
Bäume stehen, wie sie begrenzen, aber nicht beengen und allent-
halben feine Verschneidungen und Durchblicke entstehen, das
ist Raumkunst im Freien. Es ist etwas ungemein Feierliches
in dieser ganzen Anordnung, etwas zu hohem Genuß Ein-
ladendes, eine Vorbereitung auf das Kommende im Inneren des
Gebäudes; es ist die Tradition des klassischen Tempelvorhofes,
die uns, im modernen Gewand, die Größe der Baukunst ahnen
läßt. —
Die Kunst Billings steht, für mich, ganz auf dem Boden
seiner Heimat. Dort — in Karlsruhe — hat der Klassizist
Spuren im Barock, die er nach seinem künstlerischen Willen
gestaltet.
Die Innenräume des Ausstellungsgebäudes sind ganz
schlicht — vielleicht manchmal etwas nüchtern — gehalten, aber
überall macht sich der Raumgestalter bemerkbar.
Der Hauptraum, der Mittelpunkt der Anlage, ist eine sehr
fein abgewogene Raumschöpfung, gleichfalls mit einfachsten
Mitteln. Das Verhältnis der getönten zur lichten Wandfläche,
die Anordnung des großen Oberlichtes in der Decke, wie diese
Decke von Konsolen aufgenommen wird, die in weiten Zwischen-
räumen auftreten, wie die ornamentale Gliederung derselben
gelöst ist, das alles trägt zur Einheit des Raumes bei. Die zu
beiden Seiten nach den Ausstellungsräumen führenden großen
Türöffnungen sind von einer höchst wirkungsvollen Umrahmung
umschlossen; diese hebt sich leicht abgestuft von der Wand-
fläche ab und umzieht als breites Band, das oben sich als ganz
flache Giebellinie ausdrückt, die Öffnung, an die sie durch einen
starken, ornamentierten Wulst angeschlossen ist. Das Band
ist durch markantes, wechselndes Flachrelief belebt.
Wo sich an Billings wuchtige Mauer der Hof Pan koks
anlehnt und zu dessen Pavillon hinüberleitet, entsteht ein Kunst-
werk ganz eigener Art.
Ein gedeckter Gang schmiegt sich in Hufeisenform an das
Bauwerk Billings an, er lehnt sich an die mächtige Rückwand
und die niedrigen seitlichen Bauten an.
Die Wände sind hellrot, die schlanken, rauhgeputzten Pfeiler
stehen licht davor, ebenso die ganz schmucklosen Postamente,
welche die dunkeln Bronzeplastiken tragen. Der offene Hof-
raum ist stumpf kreuzförmig. Im Schnittpunkt der Tiefen- und
Breitenachse steht ein Brunnen aus dunkler Bronze. An den
Weinbrenner in einfacher, derber Größe vor fast einem Jahr-
hundert der Stadt ihren Charakter gegeben, daran hat Billing
angeschlossen. Er ist nicht ein Epigone, noch dazu einer
Weinbrenners, im Gegenteil, er ist eher freier als der immerhin
mächtigen Mittelschaft schließen sich, von zierlichen Stützen
getragen, weit ausladend vier Schalen an, die aus einem darüber-
liegenden kleineren Schalenkranz gespeist werden und selbst
ihre Wasserüberläufe in das ovale, im Hofe eingelassene Becken
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ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU
Heft 4
Türumrahmung im Hauptausstellungsgebäude. — Detail.
Deutsche Kunstausstellung in Köln 1906.
bindet.
Ein Sy-
stemvon
Stützen,
die eine
Deck¬
platte
tragen,
umzieht
auf drei
Recht-
ecksei-
ten—die
vordere
ist offen
gelassen
— den
Vorhof.
archaistische Weinbrenner. Er nimmt nur eine Parallelstellung
zu Weinbrenner ein, dessen Größe ihn zur klassischen Ur-
sprungsgröße hinüberführte . ..
Aus der aus dem Geiste der Antike geborenen Renaissance
gelangte man zum vereinfachenden großzügigen Barock einer
Kunstepoche, die immer noch oft als Verfall bezeichnet wird.
Es ist nicht allzu schwer, in solcher Beziehung die Verbindung
zwischen Antike, Barock und Modernismus zu finden.
Unter Modernismus verstehe ich selbstverständlich nie jene
scheußlichen Auswüchse und Verrenkungen, wie sie uns als
»Jugendstil« zudringlich geboten werden, sondern diejenige
Kunst, die, auf dem Boden der Tradition stehend, ihre eigen-
geartete, dem Bedürfnis und der Kultur der eigenen Zeit ent-
sprechende Form findet, einen subjektiven, persönlichen Zeit-
ausdruck hat, wie alle Kunstäußerungen, die wir heute als Stile
bezeichnen.
Nach solchen Zielen strebt Billing. In seinem Werk finden
wir die Tradition vornehmlich römischer Klassizität und ihrer
Architekt: Professor Hermann Billing
in Karlsruhe.
Hinter dieser Pfeilerstellung ist das Gelände ringsum abge-
böscht. Zwei große Rasenflächen, die zum Teil mit ganz
niedrigen Hecken umsäumt sind, teilen die Hoffläche und lassen
den breiten Mittelweg frei, der zum Aufgang führt. Dieser
Aufgang wird seitlich wiederum durch Pfeilerstellungen be-
grenzt Diese Pfeiler, die leicht an Hermen erinnern, sind in je
nach außen gebrochener Linienführung eines stumpfen Winkels
von ungleicher Schenkellänge aufgestellt und tragen ebenfalls
eine Deckplatte. Die Zwischenräume der Pfeiler füllt ein kräftiges
weißes, grünbewachsenes Spalier aus. Zwischen dem ersten
und zweiten Pfeilerpaar führen drei breite Stufen in geschwun-
gener Linie zum Weg nach dem Portal.
Die gemauerten Pfeiler sind rauh und grau verputzt; die
Kanten und der Grund der kapitellartigen Bekrönungen sind
blau-grau, das Kapitellornament selbst ist in einem nach Braun
spielenden Ockerton gehalten. Freilich hat diese Stützenstellung
mit den dazwischen stehenden großen Lorbeerbäumen etwas
von einer Festdekoration, aber von der Dekoration eines Festes,
das nicht vergänglich ist. Wie sie den Raum umschließen, in
dem ganz unregelmäßig — zum Teil noch auf dem Wege —
Bäume stehen, wie sie begrenzen, aber nicht beengen und allent-
halben feine Verschneidungen und Durchblicke entstehen, das
ist Raumkunst im Freien. Es ist etwas ungemein Feierliches
in dieser ganzen Anordnung, etwas zu hohem Genuß Ein-
ladendes, eine Vorbereitung auf das Kommende im Inneren des
Gebäudes; es ist die Tradition des klassischen Tempelvorhofes,
die uns, im modernen Gewand, die Größe der Baukunst ahnen
läßt. —
Die Kunst Billings steht, für mich, ganz auf dem Boden
seiner Heimat. Dort — in Karlsruhe — hat der Klassizist
Spuren im Barock, die er nach seinem künstlerischen Willen
gestaltet.
Die Innenräume des Ausstellungsgebäudes sind ganz
schlicht — vielleicht manchmal etwas nüchtern — gehalten, aber
überall macht sich der Raumgestalter bemerkbar.
Der Hauptraum, der Mittelpunkt der Anlage, ist eine sehr
fein abgewogene Raumschöpfung, gleichfalls mit einfachsten
Mitteln. Das Verhältnis der getönten zur lichten Wandfläche,
die Anordnung des großen Oberlichtes in der Decke, wie diese
Decke von Konsolen aufgenommen wird, die in weiten Zwischen-
räumen auftreten, wie die ornamentale Gliederung derselben
gelöst ist, das alles trägt zur Einheit des Raumes bei. Die zu
beiden Seiten nach den Ausstellungsräumen führenden großen
Türöffnungen sind von einer höchst wirkungsvollen Umrahmung
umschlossen; diese hebt sich leicht abgestuft von der Wand-
fläche ab und umzieht als breites Band, das oben sich als ganz
flache Giebellinie ausdrückt, die Öffnung, an die sie durch einen
starken, ornamentierten Wulst angeschlossen ist. Das Band
ist durch markantes, wechselndes Flachrelief belebt.
Wo sich an Billings wuchtige Mauer der Hof Pan koks
anlehnt und zu dessen Pavillon hinüberleitet, entsteht ein Kunst-
werk ganz eigener Art.
Ein gedeckter Gang schmiegt sich in Hufeisenform an das
Bauwerk Billings an, er lehnt sich an die mächtige Rückwand
und die niedrigen seitlichen Bauten an.
Die Wände sind hellrot, die schlanken, rauhgeputzten Pfeiler
stehen licht davor, ebenso die ganz schmucklosen Postamente,
welche die dunkeln Bronzeplastiken tragen. Der offene Hof-
raum ist stumpf kreuzförmig. Im Schnittpunkt der Tiefen- und
Breitenachse steht ein Brunnen aus dunkler Bronze. An den
Weinbrenner in einfacher, derber Größe vor fast einem Jahr-
hundert der Stadt ihren Charakter gegeben, daran hat Billing
angeschlossen. Er ist nicht ein Epigone, noch dazu einer
Weinbrenners, im Gegenteil, er ist eher freier als der immerhin
mächtigen Mittelschaft schließen sich, von zierlichen Stützen
getragen, weit ausladend vier Schalen an, die aus einem darüber-
liegenden kleineren Schalenkranz gespeist werden und selbst
ihre Wasserüberläufe in das ovale, im Hofe eingelassene Becken
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