1907
ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU
Heft 5
Nun ging ich daran, diesen abzulaugen, mit Spiritus zu
waschen, wiederum zu laugen und mit Wasser zu waschen.
Fast überall fand ich Farbenspuren. Je dunkler das alte Eichen-
holz vom Nässen und Laugen wurde, desto klarer traten sie heraus,
nicht flächenweise, sondern nur in einzelnen feinen Punkten
und Strichen, aber deutlich erkennbar.
Auf den glatten Flächen fand sich lebhaftes Rot im Ton
des gebrannten rotbraunen Ockers, der zwischen Englischrot
und gebrannter Terra di Siena steht. Die Stäbe waren hellgelb
und weiß, die Wappenfarben Gelb, Rot und Weiß sehr deutlich
nachweisbar. Grün fand sich an den Blättern, als Grundfarbe
in den Tiefen der Fläche über den Fenstern und besonders
in den gestochenen Kerben der Rundstäbe, hier mit leuchtenden
orangefarbigen Tönen wechselnd.
Sehr schwer nachweisbar war auf dem nassen braun-
schwarzen Eichenholzgrund das Schwarz, das nur als dünnes
Häutchen auftrat; nur ganz vereinzelt konnte ich an den Wappen
blaue Spuren finden, obwohl doch hier das Blau heraldisch
kräftig vorhanden gewesen sein muß. Ich schließe hieraus,
daß die blaue Farbe anscheinend eine Mischfarbe aus Schwarz
und Weiß — weniger beständig war im Wetter als die gelben
und roten Erdfarben. Das gefundene Grün war kräftig im
Ton, etwa wie Neuwiedergrün.
Sehr bemerkenswert war die Behandlung der weißen
Rundstäbe, in deren Kerben grüne und orange Töne gefunden
wurden. Man hat hier sanfte Mischtöne erzielen wollen, die
Farben aber nach Art des modernen Pointilismus neben einander
gesetzt und nicht miteinander verrieben. Die Farbenverteilung
des Ganzen war mosaikartig, wie beim guten Glasgemälde oder
persischen Teppich. Die von Natur vortretenden Teile sind
durch helle Färbung noch mehr gehoben, die Gründe durch
dunkle Färbung vertieft, d. h. die Reliefwirkung ist verstärkt.
Das Gebäude wurde nun, nachdem die Farben festgestellt
waren, natürlich farbig wiederhergestellt. Ganz nach Wunsch
ist die Bemalung nicht ausgefallen wegen der Eile, mit der sie
auf Betreiben des Hausbesitzers fertiggestellt werden mußte.
Ich konnte nur die erste Probe ansetzen. Das fertige Haus
sah ich erst, als das Gerüst schon abgebrochen war.
Ein zweites Beispiel alter historischer Bemalung fand ich an
einem einfachen Hause in Quedlinburg, Hohestraße 38, dessen
Kenntnis ich Herrn Professor Schwartz
daselbst verdanke. Hier war an die Rück-
seite des Hauses später ein Pferdestall an-
gebaut, auf dessen als Heugelaß benutztem
Boden die alte Bemalung sich in vollen,
satten Farben erhalten hatte: dunkelschwarze
Schwellen und Pfosten; an den Schwellen
die Rundstäbe grellweiß, die Kehlen sattrot
und -blau. Dieser grelle Akkord ist, wie
ich genau durch Abblättern der späteren
Farbenschichten auf den verputzten Ge-
fachen feststellen konnte, ursprünglich ge-
mildert worden durch einen ins Gelbliche
spielenden rosafarbenen Kalkanstrich der
Putzflächen.
Die fortgesetzten Untersuchungen an
den alten braunschweigischen Fachwerk-
bauten ergeben fast überall das Vorhanden-
sein von rotem Grundanstrich.
Auch an den Resten von abgebroche-
nen Bauten aus dem 15. und 16. Jahrhun-
dert, welche früher im Hofe des Neustadt-
rathauses hingen, jetzt im Lichthofe des
Städtischen Museums aufbewahrt werden,
fand ich fast ausnahmslos Spuren roter
Farbe auf den Flächen, daneben viele helle
Farben, Weiß, Hellockergelb, Orange und
Grün an den Schnitzereien.
Leider sind diese Farbenspuren bei der
Überführung der Balken in das Museum
mit Leimfarbe überstrichen worden, so daß
die Nachprüfung meiner Beobachtungen
nicht mehr möglich ist.
Eine etwas abweichende ungewöhn-
liche Farbengebung zeigte ein Haus am
Damm, welches vor zwei Jahren abge-
brochen wurde und der Zeit um 1600 ent-
stammt. Die Stiele waren schwarz und
weiß bemalt. Auf den erhaltenen Füll-
hölzern sind Weiß, Schwarz und Orange
deutlich zu erkennen.
Blaue und grüne Bemalungen habe ich
bisher nicht feststellen können. Da blauer
und dunkelgrüner Anstrich in der Vertäfe-
lung von Zimmern vom 15. bis 17. Jahr-
hundert nachweisbar ist — so im Rathause
zu Lüneburg und an Schränken im Kloster
Isenhagen und im Städtischen Museum zu
Braunschweig —, zweifle ich nicht, daß
auch an Fachwerken diese Farben vorge-
kommen sind.
Hierin bestärkt mich der Umstand, daß
Rolirsches Haus in Helmstedt.
Teilansicht der neubemalten Obergeschosse.
Wiederhergestellt unter Mitwirkung von Professor
Georg Lübke in Braunschweig.
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ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU
Heft 5
Nun ging ich daran, diesen abzulaugen, mit Spiritus zu
waschen, wiederum zu laugen und mit Wasser zu waschen.
Fast überall fand ich Farbenspuren. Je dunkler das alte Eichen-
holz vom Nässen und Laugen wurde, desto klarer traten sie heraus,
nicht flächenweise, sondern nur in einzelnen feinen Punkten
und Strichen, aber deutlich erkennbar.
Auf den glatten Flächen fand sich lebhaftes Rot im Ton
des gebrannten rotbraunen Ockers, der zwischen Englischrot
und gebrannter Terra di Siena steht. Die Stäbe waren hellgelb
und weiß, die Wappenfarben Gelb, Rot und Weiß sehr deutlich
nachweisbar. Grün fand sich an den Blättern, als Grundfarbe
in den Tiefen der Fläche über den Fenstern und besonders
in den gestochenen Kerben der Rundstäbe, hier mit leuchtenden
orangefarbigen Tönen wechselnd.
Sehr schwer nachweisbar war auf dem nassen braun-
schwarzen Eichenholzgrund das Schwarz, das nur als dünnes
Häutchen auftrat; nur ganz vereinzelt konnte ich an den Wappen
blaue Spuren finden, obwohl doch hier das Blau heraldisch
kräftig vorhanden gewesen sein muß. Ich schließe hieraus,
daß die blaue Farbe anscheinend eine Mischfarbe aus Schwarz
und Weiß — weniger beständig war im Wetter als die gelben
und roten Erdfarben. Das gefundene Grün war kräftig im
Ton, etwa wie Neuwiedergrün.
Sehr bemerkenswert war die Behandlung der weißen
Rundstäbe, in deren Kerben grüne und orange Töne gefunden
wurden. Man hat hier sanfte Mischtöne erzielen wollen, die
Farben aber nach Art des modernen Pointilismus neben einander
gesetzt und nicht miteinander verrieben. Die Farbenverteilung
des Ganzen war mosaikartig, wie beim guten Glasgemälde oder
persischen Teppich. Die von Natur vortretenden Teile sind
durch helle Färbung noch mehr gehoben, die Gründe durch
dunkle Färbung vertieft, d. h. die Reliefwirkung ist verstärkt.
Das Gebäude wurde nun, nachdem die Farben festgestellt
waren, natürlich farbig wiederhergestellt. Ganz nach Wunsch
ist die Bemalung nicht ausgefallen wegen der Eile, mit der sie
auf Betreiben des Hausbesitzers fertiggestellt werden mußte.
Ich konnte nur die erste Probe ansetzen. Das fertige Haus
sah ich erst, als das Gerüst schon abgebrochen war.
Ein zweites Beispiel alter historischer Bemalung fand ich an
einem einfachen Hause in Quedlinburg, Hohestraße 38, dessen
Kenntnis ich Herrn Professor Schwartz
daselbst verdanke. Hier war an die Rück-
seite des Hauses später ein Pferdestall an-
gebaut, auf dessen als Heugelaß benutztem
Boden die alte Bemalung sich in vollen,
satten Farben erhalten hatte: dunkelschwarze
Schwellen und Pfosten; an den Schwellen
die Rundstäbe grellweiß, die Kehlen sattrot
und -blau. Dieser grelle Akkord ist, wie
ich genau durch Abblättern der späteren
Farbenschichten auf den verputzten Ge-
fachen feststellen konnte, ursprünglich ge-
mildert worden durch einen ins Gelbliche
spielenden rosafarbenen Kalkanstrich der
Putzflächen.
Die fortgesetzten Untersuchungen an
den alten braunschweigischen Fachwerk-
bauten ergeben fast überall das Vorhanden-
sein von rotem Grundanstrich.
Auch an den Resten von abgebroche-
nen Bauten aus dem 15. und 16. Jahrhun-
dert, welche früher im Hofe des Neustadt-
rathauses hingen, jetzt im Lichthofe des
Städtischen Museums aufbewahrt werden,
fand ich fast ausnahmslos Spuren roter
Farbe auf den Flächen, daneben viele helle
Farben, Weiß, Hellockergelb, Orange und
Grün an den Schnitzereien.
Leider sind diese Farbenspuren bei der
Überführung der Balken in das Museum
mit Leimfarbe überstrichen worden, so daß
die Nachprüfung meiner Beobachtungen
nicht mehr möglich ist.
Eine etwas abweichende ungewöhn-
liche Farbengebung zeigte ein Haus am
Damm, welches vor zwei Jahren abge-
brochen wurde und der Zeit um 1600 ent-
stammt. Die Stiele waren schwarz und
weiß bemalt. Auf den erhaltenen Füll-
hölzern sind Weiß, Schwarz und Orange
deutlich zu erkennen.
Blaue und grüne Bemalungen habe ich
bisher nicht feststellen können. Da blauer
und dunkelgrüner Anstrich in der Vertäfe-
lung von Zimmern vom 15. bis 17. Jahr-
hundert nachweisbar ist — so im Rathause
zu Lüneburg und an Schränken im Kloster
Isenhagen und im Städtischen Museum zu
Braunschweig —, zweifle ich nicht, daß
auch an Fachwerken diese Farben vorge-
kommen sind.
Hierin bestärkt mich der Umstand, daß
Rolirsches Haus in Helmstedt.
Teilansicht der neubemalten Obergeschosse.
Wiederhergestellt unter Mitwirkung von Professor
Georg Lübke in Braunschweig.
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