Vas Ich.
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Vas Oval des Antlitzes sitzt mitten in der Bildfläche. Ihre vier Ecken
sind leer, sie bleiben außerhalb der vollen Nurven des Baretts, des geträufelt
herabgleitenden Haares, der kürzeren, aber kompakteren Zorm des Schulter-
schattens. Alle diese formen umgreifen und erstreben jede in ihrer weise
das Antlitzoval, hier verdichten sich die Zormgegensätze. Vie locker symmetri-
schen Figuren der Augen, der drei Bartspitzen, des Halses entsprechen einander.
Alles sitzt unveränderlich fest in der Bildfläche. — Gleichzeitig verdichtet sich
die Rörperfestigkeit in der Mitte. Vie zart angedeutete Schulterschräge führt
über den zylindrischen hals zu dem stark plastischen Antlitz mit seinem klaren
kräftigen Relief unter der vollen Zorm der Mütze. Alles scheint von allen
Seiten her das vortreten der Partien von Nase und Mund vorzubereiten. —
Allein das Aufragen und vortreten des Ropfes geschieht im Räumlichen.
Vas seitliche Licht treibt nicht nur die formen plastisch heraus, es umschim-
mert das ganze Haupt, getragen von den Ausstrahlungen des Haares,
Nbb. IS5. Selbstbildnis. U 2 N 57.
von den Andeutungen der Büste, den nach oben und hinten gewende-
ten Formationen des Baretts, deren Anfänge sichtbar sind, von dem
atmosphärischen Glanz, der auf dem Antlitz als Realisation der davorliegenden
Raumschicht liegt. In ihr vollzieht sich — eine von vielen Möglichkeiten —
das momentane Stillhalten des Ropfes. Seine elastische, bewegungs- und
energiegeladene Spannkraft schafft sich ihren Raum, dessen Substanz in der
lichtgefüllten Atmosphäre angedeutet ist. — Vies Licht gibt jeder Zorm ihren
besonderen Charakter. Ls treibt sie nicht nur plastisch heraus. Indem es in
ihre Poren eindringt, ihre Oberfläche aufrecht, ihre Zarbigkeit hervorholt,
erzeugt es darin gerade ihre Bedeutung für den Raum, das hindurchschimmern
und das weite hinausleuchten der Töne, die Beziehung zu den aus der Zerne
anlangenden und weiterstreichenden Lichtbahnen. Vie Individualität der
Einzelform, die Besonderheit ihres Gberflächenlebens ist bis zu starker Gegen-
sätzlichkeit durchgeführt: das Weiße der haut, das Stoppelige, die Samthügel
des Baretts, das hervorquellen des blond knisternden Haares oder seine Sil-
Bauch, Kunst des jungen Rembrandt.
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Vas Oval des Antlitzes sitzt mitten in der Bildfläche. Ihre vier Ecken
sind leer, sie bleiben außerhalb der vollen Nurven des Baretts, des geträufelt
herabgleitenden Haares, der kürzeren, aber kompakteren Zorm des Schulter-
schattens. Alle diese formen umgreifen und erstreben jede in ihrer weise
das Antlitzoval, hier verdichten sich die Zormgegensätze. Vie locker symmetri-
schen Figuren der Augen, der drei Bartspitzen, des Halses entsprechen einander.
Alles sitzt unveränderlich fest in der Bildfläche. — Gleichzeitig verdichtet sich
die Rörperfestigkeit in der Mitte. Vie zart angedeutete Schulterschräge führt
über den zylindrischen hals zu dem stark plastischen Antlitz mit seinem klaren
kräftigen Relief unter der vollen Zorm der Mütze. Alles scheint von allen
Seiten her das vortreten der Partien von Nase und Mund vorzubereiten. —
Allein das Aufragen und vortreten des Ropfes geschieht im Räumlichen.
Vas seitliche Licht treibt nicht nur die formen plastisch heraus, es umschim-
mert das ganze Haupt, getragen von den Ausstrahlungen des Haares,
Nbb. IS5. Selbstbildnis. U 2 N 57.
von den Andeutungen der Büste, den nach oben und hinten gewende-
ten Formationen des Baretts, deren Anfänge sichtbar sind, von dem
atmosphärischen Glanz, der auf dem Antlitz als Realisation der davorliegenden
Raumschicht liegt. In ihr vollzieht sich — eine von vielen Möglichkeiten —
das momentane Stillhalten des Ropfes. Seine elastische, bewegungs- und
energiegeladene Spannkraft schafft sich ihren Raum, dessen Substanz in der
lichtgefüllten Atmosphäre angedeutet ist. — Vies Licht gibt jeder Zorm ihren
besonderen Charakter. Ls treibt sie nicht nur plastisch heraus. Indem es in
ihre Poren eindringt, ihre Oberfläche aufrecht, ihre Zarbigkeit hervorholt,
erzeugt es darin gerade ihre Bedeutung für den Raum, das hindurchschimmern
und das weite hinausleuchten der Töne, die Beziehung zu den aus der Zerne
anlangenden und weiterstreichenden Lichtbahnen. Vie Individualität der
Einzelform, die Besonderheit ihres Gberflächenlebens ist bis zu starker Gegen-
sätzlichkeit durchgeführt: das Weiße der haut, das Stoppelige, die Samthügel
des Baretts, das hervorquellen des blond knisternden Haares oder seine Sil-
Bauch, Kunst des jungen Rembrandt.
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