Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Baumeister: das Architektur-Magazin — 8.1909/​1910

DOI article:
Heilmeyer, Alexander: Neuere Bauten von Eman. v. Seidl
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.53857#0072

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
62

DER BAUMEISTER » 1910, MÄRZ.


Gesellschaftsbaus „Colleg“, Nürnberg. Speisesaal.
Neuere Bauten von Eman. v. Seidl.
In den neueren Bauten Emanuel von Seidls treten
gewisse wesentliche Züge seines künstlerischen
Schaffens stärker und akzentuierter hervor, so dass
auch eine Besprechung dieser Objekte mit stärkerer
Betonung darauf hinweisen darf. Es ist eine be-
kannte Tatsache, dass Emanuel von Seidl das
Repräsentative und Prächtige in der Architektur
liebt und im richtigen Abwägen der ihm in reicher
Fülle zu Gebote stehenden künstlerischen Ausdrucks-
mittel an jedem Orte das richtige Mass einzuhalten
weiss, so dass er nie, wie so mancher seiner Münch-
ner Kollegen, in die Gefahr gerät, den Stilgedanken
dem inneren Sinn und Zweck eines Gebäudes voran-
zusetzen.
Mit kritisch geläutertem Geschmack weiss er aus
dem Formenschatze der Ueberlieferung gerade das
herauszuheben und sinnvoll zur Anwendung zu
bringen, was sich am besten dem besonderen Zweck
eines Gebäudes und dem kulturellen Milieu seiner
Umgebung anpasst. Emanuel von Seidl ist mit den
Jahren immer moderner geworden, indem er immer
freier aus seinem künstlerischen Empfinden heraus-
gestaltete und den vielfachen Bedürfnissen und An-
sprüchen des modernen Lebens folgend, aus dem
Bedürfnis und dem Zweck heraus die architek-
tonische Form entwickelte. Auf diesem Wege kam
er auch zu der Ausprägung von geradezu muster-
gültigen Typen in Landhausbauten. Wie er als ein
vorzüglicher Raumdisponent das Problem des Stadt-
hauses und speziell des Miethauses gestaltete, zeigt
das glänzende Beispiel seines am Bavariaring in
München gelegenen Wohnhauses, das als einzig-
artigeVerbindung von herrschaftlichem Miethaus und
Eigenheim eines künstlerischen Grandseigneurs eine
überaus originelle Lösung darbietet.
In dem gegenüberstehenden, an der Ecke der
Hermann Linggstrasse und Bavariaring gelegenen
herrschaftlichen Miethause, ist die moderne Forde-
rung der möglichst rationellen Auswertung der
Grundfläche und allen modernen Bedürfnissen ent-
sprechenden Raumaufteilung vollkommen erfüllt.
Die eigenartige Ausgestaltung der Fassade erklärt
sich am besten durch die örtliche Umgebung des
Hauses: Die unmittelbare Nähe der St. Paulskirche,
deren Formensprache auch in dem baulichen Cha-
rakter der Umgebung weiterklingen sollte. Der
Vertikalismus des Risalits stimmt in diese Melodie
mit ein, hat aber auch noch den Sinn einer lebhaft
betonten Silhouette, wie sie in dem umgebenden
Häuserbilde am Bavariaring erwünscht war. In dem
massiven Unterbau des Hauses mit den kräftig ent-
wickelten Eckpfeilern, welche den Rahmen abgeben
für die reiche Gliederung des Risalits, erkennt man
unschwer, wie der moderneTektone derEntwicklung


Arch. Emanuel von Seidl, München.

Wohnhaus Bavariaring 11, München.
 
Annotationen